Frage an Frank-Walter Steinmeier von Jörg W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,
der Vergleich zwischen Volksabstimmungen zu Separatisten-Bestrebungen in Schottland und der Ostukraine zeigt auf, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Unsere Außenpolitik und die Außenpolitik unserer Verbündeten ist darauf ausgerichtet, dass sich die Ostukraine trotz Volksentscheid nicht abspalten darf und die Krim trotz Volksentscheid nicht von der Ukraine abspalten durfte. Mit Worten und Taten wird die Abspaltung von uns und unseren Freunden bekämpft. Im krassen Gegensatz dazu wird die Abspaltung Schottlands von Großbritannien von uns und unseren Verbündeten als normal empfunden. Die Regierung in London führt auch im Gegensatz zur Regierung in Kiew keinen Krieg gegen Bürger der abtrünnigen Provinz Schottland. Liegt das daran, weil Großbritannien schon in der EU und in der NATO ist und die Ukraine unbedingt zu unserem Machtbereich gehören soll oder was sind die Ursachen?
Mit freundlichem Gruß
Jörg Wende
Sehr geehrter Herr Wende,
die Ursachen für die unterschiedlichen Bewertungen der Separatisten-Bestrebungen in Schottland einerseits und in der Ostukraine sowie auf der Krim andererseits liegen an den unterschiedlichen Ausgangssituationen. In Schottland sehen wir einen transparenten und demokratischen Prozess, bei dem ein Referendum friedlich und ohne Einschüchterungen mit Zustimmung der Zentralregierung durchgeführt wurde. Dagegen wurden die „Referenden“ auf der Krim und in der Ostukraine unter Verletzung der ukrainischen Verfassung nach einer gewaltsamen Usurpation der Macht durch Separatisten mit Unterstützung durch russische Soldaten ohne Hoheitszeichen durchgeführt. Die Abstimmungen fanden in einem Klima der Einschüchterung statt, an den verkündeten Ergebnissen bestehen erhebliche Zweifel. Das russische Vorgehen in der Ost-Ukraine und auf der Krim verletzt die territoriale Integrität der Ukraine und ist völkerrechtswidrig.
Trotzdem hat die Ukraine durch die Verabschiedung eines Gesetzes zum Sonderstatus für einige Teile des Donbass und die Verabschiedung des Amnestie-Gesetzes vom 16.09.2014 im ukrainischen Parlament gezeigt, dass sie wie auch die Bundesregierung und ihre europäischen und internationalen Partner an einer friedlichen und langfristigen Lösung des Konfliktes interessiert ist. Die Ukraine hat damit wichtige Elemente der Minsker Vereinbarungen vom 5. September umgesetzt. Nun ist es an Russland, auch seinen Verpflichtungen aus den Vereinbarungen nachzukommen.
Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier