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Frage von Klaus S. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Klaus S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Außenminister Dr. Steinmeier,

die Bundesregierung will Waffen an die Kurden im Irak liefern. Anscheinend nimmt sie an, dass die Kurden die Interessen der westlichen Staaten verteidigen, den Tod von Tausenden kurdischer Kämpfern in Kauf nehmen, ihre eigenen Interessen hinten anstellen, die IS-Terroristen besiegen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass die NATO-Staaten auf einen Verbündeten im Nahen Osten setzen, der nun ganz eigene Interessen verfolgt.
Sollten die Kurden nach der Aufrüstung durch die NATO-Staaten die IS-Terroristen wirklich besiegen, dann werden sie auch die von der IS beschlagnahmten Gebiete kontrollieren und der kurdische Machtbereich wird sich über große Teile des Iraks und Syriens erstrecken.
Ist dieses Ergebnis gewünscht?

Es gibt auch noch eine andere Variante: Die Kurden werden nur die kurdischen Gebiete im Irak verteidigen, keine Kämpfer opfern um die IS zu besiegen und die gelieferten Waffen als Aufbauhilfe der Armee des Staates Kurdistan betrachten. Die IS-Terroristen werden die aufgerüsteten Kurden nicht mehr angreifen und sich auf die Ausdehnung des Kalifats im Irak und in anderen Staaten konzentrieren. Die aufgerüstete kurdische Armee setzt die vom Westen gelieferten Waffen in innerkurdischen Machkämpfen und zur Durchsetzung von Kurdistan gegen die Türkei, Iran, Irak und Syrien ein. Die IS-Terroristen werden so nicht zu stoppen sein.

Mit den Waffenlieferungen an die Kurden sind die zukünftigen Kriege vorprogrammiert.

Möchten Sie dies wirklich?

Das Problem muss meines Erachtens ursächlich angegangen werden, d.h. die mit dem Westen verbundenen Staaten Türkei, Saudi-Arabien und Katar müssen gezwungen werden die Unterstützung der IS einzustellen, die Sunniten im Irak sind an der Regierung zu beteiligen um damit der IS die innerstaatliche Unterstützung zu entziehen und alle Geschäfte mit der IS sind zu unterbinden.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Stampfer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Stampfer,

Außenminister Steinmeiner hat sich anlässlich seiner Reise nach Bagdad und Erbil selbst ein Bild von der Lage vor Ort verschafft. Die Ermordungen, systematische Vertreibungen und Zwangskonversionen sowie Vergewaltigungen, unter denen Minderheiten, insbesondere Christen und Jesiden zu leiden haben, sind eine neue Dimension des Schreckens. Aber auch Muslime sind bedroht. Das Vorgehen von ISIS zeigt, wie hochgefährlich diese Gruppe für Frieden und Stabilität in der gesamten Region ist.

Die Vereinten Nationen gehen von ca. 1.8 Mio. Binnenvertriebenen aus, von denen allein im Monat August 600.000 hinzukamen, davon der Großteil aus der Gegend um Sinjar. In der Provinz Anbar halten sich ca. 350.000 Binnenvertriebene auf, die bisher kaum Zugang zu internationaler Hilfe haben. Hinzu kommen weitere 260.000 Flüchtlinge, meist aus Syrien. Die bei Amerli eingeschlossenen ca. 15.000 bis 20.000 Menschen, mehrheitliche schiitische Turkmenen, konnten nach Öffnen eines Korridors erstmals wieder versorgt werden. Hilfsgüter werden zusätzlich aus der Luft verteilt (air-dops).

Die Bundesregierung wird allein dieses Jahr 50 Mio. Euro für Nothilfemaßnahmen und humanitäre Hilfe zur Linderung der Not der betroffenen Bevölkerung zur Verfügung stellen. In Ergänzung der humanitären Maßnahmen erhält die kurdische Regionalregierung im Nordirak nun auch militärische Ausrüstung. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den in der Anlage beigefügten Artikel von BM Steinmeier, der in mehreren deutschsprachigen Zeitungen erschienen ist.

Es ist die humanitäre Verantwortung und liegt im sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands, den Leidenden zu helfen und der Terrorgruppe ISIS Einhalt zu gebieten. Hierzu handelt die Bundesregierung im Rahmen einer umfassenden politischen Strategie zusammen mit ihren Partnern. Es geht darum, den Irak zu stabilisieren. Der entscheidende Schlüssel dazu liegt in der Hand der neuen Regierung im Irak, der alle Bevölkerungsgruppen einbeziehen muss.

Mit freundlichen Grüßen

Team Steinmeier

Anlage:

Was können, was müssen wir tun?

Mit ungeheurer Brutalität rücken die Terrorgruppen des ‚Islamischen Staates‘ vor. Sie ermorden und vertreiben alle, die sich ihnen in den Weg stellen, sie versklaven und erniedrigen Andersdenkende in ihrem Herrschaftsbereich. Jesiden, Christen, aber auch Muslime, die sich nicht ihrer radikalen Ideologie beugen wollen, müssen alles aufgeben und fliehen, um ihr nacktes Leben zu retten. IS kontrolliert inzwischen ein grenzüberschreitendes Gebiet mit über fünf Millionen Menschen, Städten, Ölquellen, Staudämmen und Flughäfen. Beunruhigend ist, dass zu diesen Terroristen auch eine wachsende Zahl von Menschen aus Europa gehört.

Mit den erbeuteten modernen Waffensystemen und erheblichen finanziellen Mitteln ist IS zu einer existenziellen Bedrohung für die Region Kurdistan-Irak, für das irakische Staatswesen, ja die ganze, ohnehin durch Krisen destabilisierte Ordnung des Mittleren Ostens geworden. Ohne das entschlossene Eingreifen der USA wäre der letzte Vormarsch von IS von den schlecht(er) ausgerüsteten kurdischen Sicherheitskräften wohl nicht zu stoppen gewesen.

In dieser dramatischen Lage hat die Bundesregierung entschieden, den flüchtenden Menschen in Not humanitäre Hilfe zu leisten und die kurdische Regionalregierung im Kampf gegen IS zu unterstützen mit Nahrung, Decken, Zelten, Stromaggregaten, aber auch mit Waffen und militärischer Ausrüstung. Das hat in Deutschland zu intensiven Debatten geführt. Manche wollen darin gar eine fundamentale Veränderung der deutschen Außenpolitik sehen.

Ich teile diese Einschätzung nicht. Richtig ist: Deutschland stellt sich seiner internationalen Verantwortung, und das nicht nur im Kampf gegen IS, im Nahen und Mittleren Osten, in Afghanistan, in Afrika. Besonders engagieren wir uns in europäischer Abstimmung in der brandgefährlichen Krise in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, zwischen Russland und der Ukraine. Unsere Verantwortung ist immer konkret. Sie leitet sich daraus ab, wie weit fundamentale Prinzipien einer friedlichen und gerechten internationalen Ordnung gefährdet sind, wie weit unsere eigenen Interessen berührt sind und wie weit unsere engsten Partner und Verbündete betroffen sind.

Unsere Skepsis gegenüber militärischen Interventionen und unser restriktiver Ansatz beim Export von Waffen sind politisch gut begründet und tief im kollektiven Bewusstsein der Deutschen verankert. Es gibt keinen Paradigmenwechsel hinsichtlich unserer außenpolitischen Prinzipien, zu denen auch das Gebot militärischer Zurückhaltung gehört! Aber wir können und dürfen angesichts der tatsächlichen Gefahren und Bedrohungen auch für unsere Sicherheit und unsere Interessen nicht nur über Grundsätze reden oder uns gar dahinter verstecken. Wir sehen die Risiken und Dilemmata, wir entscheiden über unser Handeln oder Nicht-Handeln im Wissen um die damit verbundenen Widersprüche, im Lichte unserer Werte und Interessen, mit größtmöglicher Sorgfalt und in enger Absprache mit unseren europäischen, transatlantischen und regionalen Partnern.

Wo Massenmord droht und die Stabilität und Ordnung von Staaten und ganzen Regionen in Gefahr gerät, wo politische Lösungen ohne militärische Begleitung keine Aussicht auf Erfolg haben, müssen wir bereit sein, ehrlich die Risiken eines eigenen Engagements gegen die Folgen des Nichtstuns abzuwägen. So haben wir uns 1999 im Kosovo und 2001 in Afghanistan für eine deutsche Beteiligung an einem internationalen Militäreinsatz entschieden. Und immer noch aus guten Gründen war Deutschland 2003 gegen eine militärische Intervention im Irak.
Unser Engagement gegen den „Islamischen Staat“ fängt nicht bei Waffenlieferungen an und hört auch nicht damit auf. IS kann man weder allein mit humanitären noch mit militärischen Mitteln beikommen. Wir müssen in der internationalen Gemeinschaft eine breiter angelegte und schlüssige politische Strategie entwickeln, um dieser Terrororganisation systematisch entgegenzutreten. Ich sehe dafür vor allem vier Elemente: Eine neue, handlungsfähige irakische Regierung in Bagdad, die alle Bevölkerungsgruppen einbindet und IS durch einen politischen Schulterschluss mit den sunnitischen Stämmen den Nährboden entzieht. Intensive Diplomatie mit dem Ziel einer Verständigung unter und mit den Staaten der Region, gemeinsam gegen die Bedrohung durch IS vorzugehen. Eine klare Distanzierung aller Autoritäten der islamischen Welt, um die von den Propagandisten und Ideologen des „Islamischen Staats“ behauptete religiöse Legitimität ihrer Barbarei als blanken Zynismus zu entlarven. Viertens entschlossene Maßnahmen, um den Zustrom an Kämpfern und Geld zu erschweren und zu unterbinden.
Vielen Menschen in Deutschland und Europa scheint es, als gerate die Welt aus den Fugen, im Krisenbogen vom Maghreb bis in den Mittleren Osten, aber auch im Osten Europas. Krisen und Konflikte rücken näher an uns heran, auch in unserer europäischen Nachbarschaft gelten Gewissheiten nicht mehr, die wir 25 Jahre lang für selbstverständlich gehalten hatten.

Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten uns von einer in Unordnung geratenen Welt einfach abschotten - und vielleicht gerade noch humanitär helfen. Unser Wohlstand und unsere Sicherheit hängen von unserer beispiellosen politischen und wirtschaftlichen Vernetzung mit der ganzen Welt ab. Wo Ordnung zerfällt - erst recht in der Nähe der Außengrenzen Europas - da sind auch wir betroffen.

Deshalb müssen wir uns selbst nüchtern fragen: Was können und was müssen wir tun? Dabei sollten wir uns stets auch der Grenzen unserer Möglichkeiten bewusst sein: Deutschland ist das größte Land in der Europäischen Union, politisch stabil und wirtschaftlich stark, aber was wir politisch, humanitär und militärisch zu Konfliktlösungen beitragen können, wird erst im Zusammenwirken mit Anderen Gewicht haben und Wirkung entfalten. Das gemeinsame Handeln mit unseren europäischen und transatlantischen Partnern ist und bleibt deshalb die elementare Grundlage deutscher Außenpolitik.