Frage an Frank-Walter Steinmeier von Torsten G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Steinmeier,
finden Sie es tatsächlich angemessen, Russland "territorialen Hunger" vorzuwerfen und gebetsmühlenartig das Völkerrecht zu bemühen während das von Ihnen erwünschte Assoziierungsabkommen mit einer unter mehr als fragwürdigen Verhältnissen zustande gekommenen "Übergangsregierung" unterzeichnet wird?
Sind Sie tatsächlich der Meinung, Deutschland und unseren europäischen Nachbarn mit Ihrem Handeln etwas Gutes zu tun?
Sind Sie der Meinung, dass "unsere amerikanischen Freunde", wie Sie sich bezüglich er US-Regierung auszudrücken pflegen, die beste Wahl sind, wenn es um Frieden und die Wahrung der Menschenrechte geht?
Warum ist Ihre Sorge um tatsächlich oder vermeintlich gebrochenes Völkerrecht so einseitig Richtung Osten ausgerichtet?
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Graßlaub
Sehr geehrter Herr Graßlaub,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben.
Außenminister Dr. Steinmeier erhält derzeit täglich eine Vielzahl von Briefen und E-Mails zum Thema Ukraine/Russland.
Diese große Anteilnahme zeigt, dass den Menschen in Deutschland das Schicksal der Ukraine und ihrer Bürger nicht gleichgültig ist. In all diesen Schreiben spiegeln sich höchst unterschiedliche Standpunkte und Vorstellungen wieder.
Leider ist es dem Außenminister aufgrund der hohen Zahl der Anfragen gegenwärtig nicht möglich, jede dieser Anfragen individuell zu beantworten. Wir möchten Ihnen deshalb kurz die grundsätzliche Haltung des Auswärtigen Amts darstellen:
Deutschland unterstützt eine demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung einer unabhängigen, souveränen Ukraine, die die Rechte all ihrer Bürger unabhängig von Herkunft, Religion oder Sprache achtet und ihnen eine freie Entscheidung über die Zukunft ihres Landes ermöglicht. Die Bundesregierung und ihre Partner sind bereit, die Ukraine auf diesem Weg aktiv zu begleiten und auch zur wirtschaftlichen Stabilisierung auf der Grundlage mutiger Reformschritte beizutragen. Die Ukraine muss über freie und faire Wahlen und Verfassungsreform zu Stabilität und einem konsensbasierten Gesellschaftsmodell zurückfinden. Dabei ist auch wichtig, dass die ukrainische Regierung sich von extremistischen Kräften distanziert.
Wir verfolgen die Entwicklungen in der Ukraine und ihrer Nachbarschaft mit großer Aufmerksamkeit und arbeiten gemeinsam mit unseren europäischen und internationalen Partnern mit voller Kraft an einer diplomatischen Lösung des Konflikts.
Deutschland und die Europäische Union setzen sich weltweit für ein Einhalten des Völkerrechts ein. Mit Bezug auf das völkerrechtswidrige Vorgehen Russlands auf der Krim haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ein gestuftes Verfahren vorgezeichnet: Nachdem in einer ersten Stufe die Verhandlungen zu einem neuen Handelsabkommen zwischen der EU und Russland sowie Visaverhandlungen gestoppt wurden, haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union am 17. März und 21. März in einer zweiten Stufe Vermögenseinfrierungen und Visabeschränkungen gegen insgesamt 33 Personen beschlossen, deren Handlungen gegen die territoriale Integrität der Ukraine gerichtet waren. Ferner wurde entschieden, den EU-Russland-Gipfel am 03. Juni abzusagen. Der Europäische Rat hat am 21. März zudem bekräftigt, in einer dritten Stufe weitere Maßnahmen zu ergreifen, sollte Russland vor einer weiteren Eskalation nicht zurückschrecken. Damit sendet Europa eine klare Botschaft. Sanktionen sind jedoch kein Selbstzweck, sondern sollen den Weg zu politischen Lösungen ebnen.
Wir arbeiten intensiv daran, eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern und Gesprächskanäle offen zu halten. Außenminister Steinmeier hat sich von Beginn an für eine unabhängige OSZE-Beobachtermission stark gemacht. Die Verständigung darauf und die Entsendung von Beobachtern in die Ukraine ist ein erster Schritt zur Deeskalation, dem nun weitere folgen müssen. Dafür setzt sich die Bundesregierung in ihren direkten Kontakten mit der russischen Seite und in enger Abstimmung mit ihren europäischen und internationalen Partnern ein.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Auswärtiges Amt