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Frage von Tobias M. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Tobias M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,

wie ich Zeit-Online entnehmen kann fordern Sie die Regierung auf, der Frauenquote zuzustimmen.

Als Laie steht für die mich diese Forderung im Widerspruch zum AGG.

Dort heißt es unter Paragraph 7.1 sinngemäß

(1) Beschäftigte dürfen nicht aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden.

Insofern wäre die Frauenquote gesetzwidrig.

Warum steht die Frauenquote aus Ihrer Sicht nicht im Widerspruch zum AGG?

Mit den besten Grüßen,
Tobias Manthey

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Manthey,

richtig ist, dass nach §§ 1, 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) Beschäftigte nicht wegen des Geschlechts (oder aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität) benachteiligt werden dürfen. Allerdings lässt das AGG selbst Ausnahmen in Form von „Positiven Maßnahmen“ (§ 5 AGG) zu. § 5 AGG lässt Ungleichbehandlungen zu, wenn sie positiv darauf ausgerichtet sind, bestehende Ungleichbehandlungen zu beheben oder zu vermeiden. Die Vorschrift bietet damit einen besonderen Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung, die dem ersten Anschein nach diskriminierend ist, tatsächlich aber bestehende faktische Ungleichheiten beseitigen oder verringern soll. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote allein nicht immer reichen, um einer Benachteiligung entgegenzuwirken. Zuweilen bedarf es einer Bevorzugung bestimmter Personengruppen, um überhaupt einen Zustand der gleichberechtigten Teilhabe, etwa am Arbeitsleben, zu erreichen.
Da das AGG selbst keine konkreten positiven Maßnahmen vorgibt, obliegt deren Festlegung und Ausgestaltung dem Gesetzgeber. Eine durch Gesetz eingeführte Quotenregelung für Frauen (um genau zu sein handelt es sich dabei um eine Geschlechterquote, was bedeutet, sie gilt für Frauen und Männer gleichermaßen) in Führungsgremien wäre somit nicht anhand des AGG zu prüfen, sondern als Ausnahme vom AGG lediglich anhand der Verfassung, also des Grundgesetzes (GG), und des Europäischen Rechts. Die Bundesrepublik Deutschland ist verfassungsrechtlich und unionsrechtlich aber nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die bestehenden Nachteile für Frauen bei dem Aufstieg in Führungspositionen der Wirtschaft zu beseitigen und auf diese Weise die tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter in der Wirtschaft durchzusetzen. Sowohl Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als auch Art. 23 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) enthalten nicht nur einen unverbindlichen politischen Programmsatz, sondern eine verbindliche Pflichtaufgabe für den Staat, die Gleichheit von Männern und Frauen in sämtlichen Bereichen des Staates und der Gesellschaft, einschließlich der Bereiche Arbeit und Beschäftigung, sicherzustellen. Da der Anteil weiblicher Führungskräfte in Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft nach wie vor gering ist und dieses Ungleichgewicht in keiner Weise zu rechtfertigen ist, zudem die von politischer Seite initiierten Selbstverpflichtungen der Unternehmen ohne nennenswerten Einfluss auf den Frauenanteil in den Führungsgremien blieben, ist hier aus meiner Sicht gesetzlicher
Handlungsbedarf dringend geboten.

Mit freundlichen Grüßen

Frank-Walter Steinmeier