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Frage von H.P. H. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von H.P. H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Neues Wahlgesetz

Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,
wollen Sie nicht die notwendige Überarbeitung des Wahlgesetzes dazu nutzen, etwas mehr Demokratie nicht nur zu wagen, sondern zu schaffen?
Jetzt hat der Wahlbürger nur die Möglichkeit, das Zahlenverhältnis der Parteien im Bundestag zu bestimmen. Welche Personen gewählt werden, bestimmen die Parteien zum einen über die Landeslisten, zum anderen gibt es bei den Direktkandidaten nur jeweils den Einen pro Partei, den diese festgelegt hat. Wie (wenig) demokratisch die Festlegung der Kandidaten innerhalb der Parteien abläuft, muss hier nicht beleuchtet werden. Aber bewusst oder unbewusst wahrzunehmen, dass man nur die Wahlvorschläge der Parteien und sonst nichts wählt, kann maßgeblich zur wachsenden Wahlmüdigkeit beigetragen haben.

Mein Vorschlag:
1. Jede Partei muss in jedem Wahlkreis, in dem sie antritt, zwei Kandidaten stellen.
2. Der Kandidat mit den meisten Stimmen bekommt wie bisher das Direktmandat
3. Die Stimmanteile der übrigen Kandidaten werden mit der prozentualen Wahlbeteiligung multipliziert und die Resultate daraus ergeben von hoch nach niedrig die Landeslisten der Parteien.

Vorteile:
1. Mehr innerparteiliche Demokratie
2. Keine Quotenfrauen, etc. mehr nötig. Wenn die Parteien eine Frau und einen Mann aufstellen, entscheidet der Wahlbürger
3. Mehr Demokratie, weil die Wahlbürger entscheiden, welche Personen in den Bundestag kommen. Die ihnen nicht zustehende Macht der Parteien wird eingeschränkt
4. Wieder zur Wahl zu gehen, wird interessanter
5. Die Zahl der Überhangmandate könnte zurückgehen

Nachteile:
Keine außer der eingeschränkten Macht der Parteien.

Leider bin ich mir bewusst, dass keine der Parteien diesen Vorschlägen Beachtung schenken wird, weil es für sie eine teilweise Selbstentmachtung bedeutete.

H.P. Hollwege

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hollwege,

meine Position zur Änderung des Wahlrechts habe ich in diesem Forum bereits dargelegt und dort auch auf den entsprechenden Vorschlag der SPD-Fraktion verwiesen. Ich halte diesen Vorschlag für sinnvoll und hoffe, dass es uns gelingt, ihn in den nun anstehenden Gesprächen mit den anderen Parteien durchzusetzen.

Zu Ihrem Vorschlag möchte ich nur soviel sagen: Ich lehne ihn nicht ab, weil er eine „Entmachtung der Parteien“ bedeutet, wie Sie befürchten. Sondern weil ich davor warne, die direkte Wahl von Personen unkritisch und automatisch mit mehr Demokratie gleichzusetzen. Die Erfahrungen mit dem Kumulieren und Panaschieren auf kommunaler Ebene zeigen uns, dass dies keineswegs zu einer gerechteren und gleicheren Repräsentation in den Parlamenten führt. Ihr Optimismus hält da der Realität leider nicht stand. Bei direkten Personenwahlen werden Frauen vom Wähler tendenziell benachteiligt, ebenso Menschen mit ausländischem Namen oder Aussehen. Kandidaten mit einem Doktortitel oder anderen Statusmerkmalen sowie mit viel Geld, um eine aufwändige Kampagne zu finanzieren, werden dagegen bevorzugt.

Das können Sie im Namen des Wählerwillens natürlich gutheißen. Ich aber bin froh, dass die Parteien gerade an dieser Stelle eine wichtige Rolle übernehmen, in dem sie - etwa über Quotenregelungen und parteiinterne Auswahlverfahren - für eine ausgewogene Repräsentation verschiedener Personengruppen in unseren Parlamenten sorgen.

Über die Erststimme, die eine Direktwahl verschiedener Kandidaten ist, haben die Wähler dann ja immer noch die Möglichkeit, unmittelbar zu entscheiden, wer sie im Bundestag vertreten soll.

Mit freundlichen Grüßen

Frank-Walter Steinmeier