Frage an Frank-Walter Steinmeier von Michael B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. jur. Steinmeier,
das EMRGH, hat im Fall Zaunegger (Beschwerde-Nr. 22028/04) klar und deutlich die Diskriminierung der Väter in DE benannt.
Trotz interessanter Ansätze im Antrag der SPD-Bundestagsfraktion (sonst hätten Sie Sich nicht die Kritik des BDJ eingehandelt /2/) zur Änderung der Sorgerechtsregelung /1/, den Sie unterzeichnen, stehen einige Statements, die beweisen, dass Väter hierzulande einer permanenten Diskriminierung ausgesetzt sind.
Sie haben das Recht der Kinder richtig erkannt: "Denn jedes Kind hat ein Recht darauf, dass (möglichst) beide Elternteile GEMEINSAM für seine Erziehung und Entwicklung verantwortlich sind."
Das ist nämlich das natürliche Recht der Kinder, das ihnen ohne wenn und aber zu gewähren ist!
Wie aber sieht die Wirklichkeit aus?
Sie behaupten in /1/, dass "Eine gemeinsame Sorge kann (muss also nicht immer, laut Juristen) sich in einer Vielzahl von Fällen positiv auswirken ...".
Die Vielzahl der Fälle erschöpft sich in: "... häufig den persönlichen Kontakt zu ihm pflegen UND auch regelmäßig ihren Unterhaltsverpflichtungen nachkommen."
Ich weiss nicht, ob der SPD bewusst ist, dass die hohen Unterhaltsverpflichtungen, von Gerichten und Jugendämter dazu genutzt werden, den Vater von der Betreuung seiner Kinder fernzuhalten: häufig wird der Vater dazu verdonnert, alle 14 Tage seine Kinder für einige Stunden zu sehen.
Der Rest der Zeit hat der Vater dazu zu verwenden, durch Arbeit - es existiert also keine Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie für den Vater - den geschuldeten Unterhalt zu erarbeiten: Arbeit macht also den Vater frei von seinen Kindern!
Wieso akzeptiert die MENSCHLICHE Gesellschaft - siehe Hamburger SPD-Programm - die permanente Verletzung des Art. 3, II, Satz 1 GG, "M und F sind gleichberechtigt.", wenn Väter NUR arbeiten müssen und dadurch von der gleichberechtigten Betreuung ihrer Kinder ab- und ferngehalten werden?
MfG
MB
/1/ http://tinyurl.com/7547awr
/2/ http://tinyurl.com/82em9pc
Sehr geehrter Herr Baleanu,
ich teile Ihre Ansicht, dass bei der (Neu-)Regelung das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen muss. Deshalb verbieten sich auch zu vereinfachende Lösungen; im gegenteil müssen wir in einer neuen Regelung die Flexibilität haben, fallgerecht - und damit auf die jeweiligen Bedürfnisse des Kindes abgestimmt - zu entscheiden.
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl am ehesten entspricht. Deshalb wollen wir das gemeinsame Sorgerecht weiter stärken. Eltern soll es künftig so einfach wie möglich gemacht werden, bereits bei der Geburt ihres Kindes eine gemeinsame Sorge zu erklären. Neben den bereits bestehenden Möglichkeiten sollen sie schon bei der Registrierung ihres Kindes eine solche Erklärung beim Standesamt abgeben können. Unterlassen sie das, unterstützt sie das Jugendamt, eine einvernehmliche Regelung zu finden. Diese (dem familiengerichtlichen Verfahren vorgeschaltete) Vermittlung durch das Jugendamt dient der Information und der Konfliktschlichtung. Es stärkt die Eigenverantwortlichkeit der Eltern, dient dem Kindeswohl und vermeidet gerichtliche Auseinandersetzungen. Mit diesem Modell gehen wir einen bedeutenden Schritt vorwärts und berücksichtigen die sich verändernden gesellschaftlichen Realitäten ebenso wie die Bedürfnisse der betroffenen Elternteile und insbesondere das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Kinder auf beide Eltern.
Ihre Kritik an den Unterhaltsregelungen erschließt sich mir allerdings nicht. Dem Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, steht grundsätzlich ein Umgangsrecht zu. Dies ist rechtlich nicht mit der Unterhaltsverpflichtung verknüpft, wie Sie suggerieren. Und umgekehrt richtet sich die Unterhaltsverpflichtung gemäß der Düsseldorfer Tabelle nach der jeweiligen Einkommensstufe - auch zur Sicherstellung, dass der unterhaltsverpflichtete Elternteil neben der Erarbeitung des geschuldeten Unterhaltes über die nötigen zeitlichen Kapazitäten zur Kindesbetreuung verfügt.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Frank-Walter Steinmeier