Frage an Frank-Walter Steinmeier von Gregor B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr.Steinmeier,
in meinem Wahlkreis werde ich durch Ihren Abgeordneten Kollegen Herrn Bosbach (CDU) vertreten.
Er gehört zu der wachsenden Gruppe schwarz-gelber Abgeordneter, denen inzwischen klargeworden ist, daß Griechenland nicht nur überschuldet ist, sondern strukturelle Defizite hat, die nur über viele Jahre so aufgearbeitet werden können,daß die griechische Wirtschaft wettbewerbsfähig werden kann. Eine Hartwährung wie der Euro erfordert jedoch ein Sparprogramm,welches Griechenland in die Rezession führt und zu noch höheren Defiziten führt.
Eine nationale Währung könnte übergangsweise durch eine Abwertungen rezessive Trends verhindern. Ein Schuldenschnitt unterhalb des Rogoffkriteriums wäre allerdings nötig um das Wirtschaftswachstum nicht im Start mit einer nationalen Währung abzuwürgen.
Dauerhafte Geldtransfers durch eine Erweiterung des Rettungsschirms schaden daher nicht nur Griechenland, sondern auch Deutschland.
Griechenland ist auf Eurobasis nachhaltig ! insolvent und durch Finanzspritzen wird nur Insolvenzverschleppung betrieben.
Bei anderen Ländern wie Irland scheint der Rettungsschirm durchaus Sinn zu machen.
Ich frage Sie daher, wieso Ihre Fraktion en bloc für die Erweiterung des Rettungsschirmes stimmen will; es handelt sich ja nicht nur um künftige Schulden der aktuellen Regierung ,sondern um Schulden, die eines Tages eine Regierung mit SPD-Beteiligung betreffen werden bzw. letztendlich alle Steuerzahler.Allzuweit ist Deutschland nicht mehr vom Schuldenlimit entfernt, von wo ab ein nachhaltiges Schuldenmanagement nicht mehr möglich ist und griechische Verhältnisse drohen.
Gibt es denn in der ganzen SPD-Fraktion keinen Abgeordneten, der ähnliche Bedenken wie Herr Bosbach oder wie Herr Stark hat ?
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Boukes
Sehr geehrter Herr Boukes,
die Besorgnis, die aus Ihren Zeilen spricht, kann ich zwar nachvollziehen. Dennoch stimme ich Ihnen sachlich nicht zu. Denn: Die Rettungsmaßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone sind dringend notwendig. Um dies zu erkennen, reicht eine simple volkswirtschaftliche Rechnung. Die Förderbank KfW hat soeben Zahlen vorgestellt, nach denen der Euro der Bundesrepublik allein in den vergangenen beiden Jahren einen zusätzlichen Wohlstandsgewinn von 50 bis 60 Milliarden Euro gebracht hat. Denn die EU-Länder sind mit Abstand die wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Über 60 Prozent der Exporte gehen in die EU-Mitgliedstaaten, davon 43 Prozent in die Eurozone. Die Rückkehr zu nationalen Währungen ginge mit einer massiven Verteuerung unserer Exporte einher, und Wechselkursrisiken führten zu weniger Handel. Lassen wir die Eurozone zerbrechen, werden die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Arbeitsplatzabbau die Hauptleidtragenden sein. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Euro-Rettung lohnt sich für Deutschland.
Allerdings habe ich immer wieder betont, dass die am morgigen Donnerstag im Bundestag zur Abstimmung stehenden Maßnahmen zwar zweifellos notwendig, aber keinesfalls hinreichend sind. Das Aufspannen von immer neuen Rettungsschirmen allein hilft sicherlich nicht. Die SPD hat daher frühzeitig Maßnahmen vorgeschlagen, um die Ursachen der Krise des Euro zu bekämpfen, anstatt bloß an den Symptomen herumzudoktern:
(1) Die Gläubiger von Griechenland werden auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen. Im Falle Griechenlands ist eine Umschuldung unausweichlich geworden. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass sich die davon betroffenen Banken und Versicherungen refinanzieren können.
(2) Wir brauchen eine limitierte Gemeinschaftshaftung der gesamten Euro-Zone für die Anleihen ihrer Mitglieder. Sie ist erforderlich, um auf Dauer eine Beruhigung der Finanzmärkte zu bewirken. Über intelligente Modelle kann ein Teil der Schuld gemeinschaftlich besichert werden, während exzessive Verschuldung weiter im nationalen Risiko verbleibt.
(3) Wir müssen den betroffenen Staaten eine Perspektive für das Wiedererstarken ihrer Wirtschaft geben. Wir brauchen ein europäisches Modernisierungs- und Wachstumsprogramm. Ohne Unterstützung durch die Europäische Union wird Griechenland nicht auf die Beine kommen. Und ohne eine solche Unterstützung werden die Menschen in Griechenland die unvermeidlichen harten Einschnitte nicht akzeptieren.
(4) Wir brauchen die Finanztransaktionssteuer. Sie dämmt auch spekulative Finanzgeschäfte ein. Vor allem aber leistet damit der Finanzsektor einen Beitrag zur Bewältigung der Krise, an der viele Marktteilnehmer lange gut verdient haben. Und wir müssen endlich die Regulierung der Finanzmärkte beherzt angehen.
(5) Wir brauchen mehr statt weniger Europa. Auf Dauer kann eine Währungsunion nicht ohne eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen funktionieren. Dafür müssen wir langfristig die europäischen Verträge ändern.
Europa ist in der Krise, und deshalb kommt es jetzt auch bei uns auf politische Führung an. Deutschland als der große politische Gewinner der europäischen Einigung nach dem zweiten Weltkrieg und als der ebenso große wirtschaftliche Gewinner der europäischen Währungsunion darf der gewachsenen EU-Skepsis nicht nachgeben. Wir tragen Verantwortung für den Fortbestand der Währungsunion und den Erfolg des gemeinsamen Europa! Und aus dieser inneren Grundüberzeugung heraus werde ich, und wird die gesamte SPD-Fraktion, der Ausweitung des EFSF zustimmen. Das haben wir in der gestrigen Fraktionssitzung noch einmal in großer Einmütigkeit so festgestellt.
Mit freundlichen Grüßen,
Frank-Walter Steinmeier