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Frank-Walter Steinmeier
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Frage von Jürgen N. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Jürgen N. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,

Ich hätte da einmal ein paar Fragen an sie:
1. Wie soll ein Wettbewerb bei den Gesetzlichen Krankenkassen entstehen? Da ein Wettbewerb nur durch Unterschiede entsteht und diese sind nicht gegeben, da die Leistungen im Sozialgesetzbuch festgeschrieben sind und der Einheitsbeitrag auch eingeführt wurde, allerdings da in der Vergangenheit keinerlei Altersrücklagen gebildet wurden kann ich jedes Jahr damit rechnen weniger Netto zu haben. Wie stehen sie dazu?
2. Ich bin 38 Jahre alt und bekam einen Rentenbescheid der mir sagte ich darf bis 67 Jahren arbeiten gehen um dann Hartz 4 Empfänger zu sein. Wo ich es nach gerechnet habe betrügt mich dieses System um zwei Jahre Lebensfreizeit und um finzielle Unabhängigkeit. Gleichzeitg würde ich mich schämen wenn ich meinen Kindern im Alter auf der Tasche rumliegen würde. Wann darf ich damit rechnen das dieser Blödsinn Generationenvertrag abgeschaft wird?
3. Wie stellen sie sich vor, dass die Finanzen in deutschland wieder in Ordnung gebracht werden? Welche Kosteneinsparungen können sie sich vorstellen? Wie stehen sie zum Bürokratieabbau?
4. Wann darf man damit rechnen, dass die europäische Währungsunion aufgelöst wird?

Im voraus besten Dank für ihre Antwort

Mit freundlichen Grüßen aus Hohenstadt

Jürgen Nass

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Nass,

gern will ich Ihnen auf Ihren umfassenden Fragenkatalog antworten.

(1) Als erstes fragen Sie nach der Möglichkeit von Wettbewerb in der Krankenversicherung. Die SPD ist überzeugt davon, dass ein sinnvoll ausgestalteter Wettbewerb zwischen den Krankenkassen den Versicherten nützt. Es gibt viele Felder, auf denen die Kassen jetzt schon Wettbewerb machen können und bei denen sie sich durchaus unterscheiden: z. B. bei Rabattverträgen, bei den Behandlungsprogrammen für chronisch Kranke, im Bereich der Hilfsmittelversorgung, bei Bonusprogrammen. Außerdem gibt es nach wie vor Unterschiede bei den Leistungen, denn nicht alle Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sind im SGB V einheitlich vorgeschrieben. Dazu kommt natürlich der Wettstreit um einen möglichst kundenorientierten Service.

Leider wird der Kassenwettbewerb durch die jüngsten gesetzlichen Änderungen der schwarz-gelben Regierung verkürzt auf die Vermeidung von Zusatzbeiträgen. Welche Auswirkungen das haben kann, hat kürzlich die Schließung der City-BKK gezeigt. Kassen, die einen Zusatzbeitrag erheben müssen, können schnell in einen Teufelskreis aus Mitgliederverlusten und wachsenden Kosten kommen. Die Rahmenbedingungen sind durch die Bundesregierung so falsch gestaltet worden, dass es auch gut wirtschaftende Kassen unverschuldet treffen kann, wenn sie z.B. viele schwer kranke Versicherte in teuren Ballungsgebieten haben.

Ihre Befürchtungen, demnächst jedes Jahr weniger Netto zu haben, sind berechtigt. Das liegt jedoch nicht an den fehlenden Altersrückstellungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier haben wir ja - anders als in der privaten Krankenversicherung - ein Umlagesystem, in dem es keine Altersrückstellungen geben muss. Die über 100jährige Erfolgsgeschichte der GKV belegt die Krisenfestigkeit und die Leistungsfähigkeit dieses Systems. Trotzdem haben Union und FDP auch bei der Finanzierung der GKV einen falschen Weg eingeschlagen, indem sie die Lasten zukünftiger Ausgabensteigerungen alleine den Rentnerinnen und Rentnern und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgeladen haben. Die Arbeitgeber sind daran in Zukunft nicht mehr beteiligt. Schnell steigende Zusatzbeiträge werden den Menschen auf ungerechte Weise das Geld aus der Tasche ziehen. Die SPD will dagegen mit der Bürgerversicherung eine nachhaltige, gerechte und solidarische Finanzierung der Krankenversicherung durchsetzen ander alle Bevölkerungsgruppen beteiligt sind.

(2) Zweitens stellten Sie eine Frage zu Ihrem Rentenbescheid. Die dort ausgewiesene Höhe der zu erwartenden Rentenanwartschaften beruht auf dem Durchschnitt der bislang erworbenen Rentenansprüche; ob diese tatsächlich so niedrig sein werden, dass Sie damit unterhalb des Niveaus der Grundsicherung im Alter liegen werden, hängt also maßgeblich davon ab, wie hoch ihre zukünftigen Rentensprüche sein werden. "Gute Arbeit", also eine stabile, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem existenzsichernden Einkommen ist hier der entscheidende Schlüssel. Der von der SPD geforderte Mindestlohn dient daher auch dazu, ausreichende Rentenanwartschaften zu erwerben.

Sie sprechen auch die geplante langfristige Anhebung der Regelaltersgrenze an. Hier sage ich Ihnen ganz ehrlich, dass ich diese Maßnahme im Grundsatz für geeignet halte, um den Beitragssatzanstieg in der Rentenversicherung zu begrenzen und angesichts des demographischen Wandels die in Zukunft dringend benötigten Fachkräfte in den Betrieben zu halten. Allerdings sind gegenwärtig die Bedingungen noch nicht gegeben, um im nächsten Jahr mit der schrittweisen Anhebung zu beginnen. Die SPD möchte daher ist dann mit der Anhebung der Regelaltersgrenze beginnen, wenn mindeste jeder Zweite in der Altersgruppe 60 plus eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübt.

Letztendlich zu Ihrer Kritik am Generationenvertrag: Diese teile ich ausdrücklich nicht. Wie anders als im gegenwärtigen System der Umlagefinanzierung, in der die aktuell Erwerbstätigen die Renten der nicht mehr Erwerbstätigen finanzieren, sollte die Alterssicherung des übergroßen Teils der Bevölkerung finanziert werden? Allein die Rentenausgaben eines Jahres betragen 250 Mrd. EUR - rechnet man nur eine Rentenlaufzeit von 25 Jahren, so müssten Rentenanwartschaften von 6,25 Billionen EUR auf den Kapitalmärkten angelegt werden. Zum Vergleich: Der Wert aller in Deutschland produzierten Waren und Dienstleistungen betrug im letzten Jahr ´nur´ 2,5 Billionen EUR! Die Finanzmärkte würden kollabieren, wenn für eine derartige Summe eine Rendite-bringende Anlage gesucht werden müsste.

(3) Als drittes fragen Sie nach der Sanierung der Haushalte. Die öffentlichen Finanzen müssen durch eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik und durch eine gerechte Steuerpolitik wieder in Ordnung gebracht werden. Die hohe Verschuldung muss abgebaut und die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse eingehalten werden. Dazu sind auf der Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte Einsparungen erforderlich. Die SPD wird sich dafür einsetzen, dass diese Einsparungen vor allem durch den Abbau unnötiger und ökologisch schädlicher Subventionen erbracht werden. Eine umfassende Konsolidierung kann aber nur gelingen, wenn Bund, Ländern und Gemeinden ausreichende Einnahmen für die Erfüllung ihrer notwendigen Aufgaben zur Verfügung stehen. Dies ist derzeit nicht der Fall. Die Steuerquote ist in Deutschland unterdurchschnittlich. Die Abgabenbelastung insgesamt, also Steuern und Sozialabgaben, liegt im Durchschnitt der OECD-Staaten. Um die staatliche Handlungsfähigkeit dauerhaft zu gewährleisten, müssen deshalb die einkommensstarken Bürgerinnen und Bürger und die Vermögenden einen größeren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Die SPD schlägt deshalb eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes in der Einkommensteuer vor. Dieser soll allerdings erst ab einem deutlich höheren Einkommen als bisher erhoben werden. Außerdem soll die Abgeltungssteuer auf private Kapitaleinkünfte erhöht und eine Vermögensteuer wieder eingeführt werden. Die Finanzmärkte sollen durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer an den Kosten der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise beteiligt werden.

(4) Schließlich fordern Sie viertens die Auflösung der europäischen Währungsunion. Dies wäre allerdings die absolut falsche Konsequenz aus den krisenhaften Entwicklungen bei einzelnen Euro-Staaten. Anders als es die Öffentlichkeit wahrnimmt, haben wir keine Euro-Krise, sondern eine Krise in der Zusammenarbeit der Länder der Währungsunion. Der Binnenwert und der Außenwert des Euro sind stabil. Wir haben es vielmehr mit einer Refinanzierungskrise einzelner Mitgliedstaaten zu tun. Diese Refinanzierungskrise hat keineswegs nur eine zu hohe Verschuldung einzelner Staaten zur Ursache. Mindestens ebenso großen Einfluss haben labile Banken, der zusammengebrochene Immobilienboom, Außenhandelsungleichgewichte, eine unzureichende Finanzmarktregulierung und die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit einzelner Länder. Zur Überwindung der Krise unterstützt die SPD die Schaffung eines dauerhaften europäischen Stabilitätsmechanismus, der die Refinanzierung von in Schwierigkeiten geratenen Staaten sicherstellt. Dies muss allerdings durch eine verbindliche Beteiligung der Gläubiger an einer Um- und Entschuldung begleitet werden. Außerdem muss die wirtschafts- und haushaltspolitische Koordinierung zwischen den Euro-Staaten sowie die Überwachung der nationalen Haushalte verbessert werden.

Die Lösung der Probleme und die Sicherung einer langfristigen Perspektive für die Eurozone liegt in unserem eigenen Interesse. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdienen ihren Lebensunterhalt in der Exportwirtschaft unseres Landes. Der Großteil dieser Exporte erfolgt in die Euro-Zone. Die Schaffung eines einheitlichen Währungsraums hat die Bedingungen dieser Exportwirtschaft durch die Beseitigung von Auf- und Abwertungsmöglichkeiten der Währungen deutlich verbessert. Eine Wiedereinführung nationaler Währungen hätte deshalb fatale ökonomische Folgen. Die Wirtschaften der Länder Europas sind gegenseitig eng verflochten. Deutschland kann es nur so gut gehen, wie es den anderen Ländern um uns herum gut geht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Frank-Walter Steinmeier