Frage an Frank-Walter Steinmeier von Jürgen N. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Steinmeier,
wie ich der Presse entnehme, scheinen Ihnen die hohen Benzinpreise ein Dorn im Auge zu sein.
Gerade vor Feiertagen oder dem Ferienbeginn hat man als Bürger das Gefühl, dass die Benzinpreise steigen, so ist es gut, wenn hier die Politik aktiv wird.
Wie wäre es mit folgendem Vorschlag für einen Gesetzesentwurf?
> Jeweils eine Woche vor einem Feiertag bzw. einem Ferienbeginn entfällt die Mineralölsteuer. <
Damit würden Millionen von Bürgern deutlich mehr Geld in ihrer Brieftasche behalten.
MfG
Sehr geehrter Herr Niebecker,
Sie kritisieren die Tatenlosigkeit der Politik gegenüber den hohen Benzinpreisen. Das Kartellamt versucht seit Jahren, den Mineralölkonzernen beizukommen. Bislang vergeblich. Denn Fakt ist, dass es eine Preisabsprache gibt - zumindest ein Verhalten, das im Ergebnis zu einem identischen Preis kommt. Das Prinzip des Wettbewerbs wird somit unterlaufen und die Mineralölkonzerne nehmen es hin, dass der Kunde nicht über das Angebot/den Preis zu ihnen findet. Sie argumentieren, dass sie ebenso gezwungen sind, die Preise nach unten anzupassen, wenn ein Wettbewerber dieses vormacht. Von einem fehlenden Wettbewerb könnte nur gesprochen werden, wenn nachzuweisen wäre, dass Kostenentlastungen überhaupt nicht an die Kunden weitergeben würden. Und tatsächlich verändert sich das Preisgefüge in beide Richtungen. Gleichwohl, die Mineralölkonzerne unterbinden den Wettbewerb um den Preis. Die Alternative, den Wettbewerb um die Qualität, verbieten die vorgegebenen Standards - es darf eben kein Risiko für den Motor oder den Fahrer beim Tanken geben.
Unsere Marktwirtschaft ist so organisiert, dass beim Fehlen einer maßgeblichen Marktmacht der Staat auf die Preisentwicklung keinen Einfluss nehmen darf. Das Phänomen von gleichen Preisen gibt es auch in anderen Branchen. Immer dann, wenn sich Unternehmen nicht in einen eventuell auch ruinösen Preiswettbewerb begeben wollen, wird es eine vergleichbare Preisstruktur geben. Dem Buchhandel hat man sogar eine Buchpreisbindung zugestanden, die den Wettbewerb völlig ausschließt.
Das Kartellamt kann prüfen, ob durch dieses Verhalten ein Schaden zu Lasten des Verbrauchers entsteht. Ein Indiz wären exorbitante Gewinne. Das festzustellen fällt bei multinationalen Unternehmen sehr schwer, da Bilanzen nicht unbedingt ein klares Bild für den national abgegrenzten Markt ergeben. Das Beispiel Microsoft verdeutlicht aber auch, dass gegen ein unvernünftiges Verbraucherverhalten kein Kraut gewachsen ist. Es ist immer noch zulässig, mit der richtigen Idee auch reich zu werden und ein Monopol aufzubauen. Eine Eingriffsmöglichkeit wäre die Beweislastumkehr im Wettbewerbsrecht. ADas Unternehmen müsste nachweisen, dass seine Kosten plus einem angemessenen Gewinn zu genau diesem Preis führen. Alternativ könnte dann das Kartellamt einen Vergleichsmarkt heranziehen, um die Kostenkalkulation zu überprüfen.
Das ist aber unter Fachleuten sehr umstritten, da es vom Prinzip her gegen den Preiswettbewerb gerichtet ist: Wenn Unternehmen durch staatliche Eingriffe auf einen Kostenpreis runterreguliert werden, dann gibt es eben keinen Preiswettbewerb mehr. Neue Anbieter können dann nicht mehr in den Markt eintreten. Der Mineralölmarkt ist jedoch von starken Schwankungen in kurzem Zeitabschnitt gekennzeichnet. Der Staat müsste somit eine wöchentliche Korrektur verfügen, da Dollar- und Nachfrageschwankungen den Einkaufspreis nahezu täglich verändern. Die Unternehmen würden auch Kostenschwankungen nach unten nicht mehr an den Markt weitergeben. Der Staat käme somit mit diesem Modell des Vergleichsmarktprinzips und der Beweislastumkehr in eine Verantwortung für den Kraftstoffpreis, die er von der Natur der Marktwirtschaft her nicht tragen kann.
Ihr Vorschlag, die Mineralölsteuer vor den Feiertagen auszusetzen, hat natürlich auf den ersten Blick einigen Charme - bei näherem Hinsehen wird allerdings deutlich, dass dies in der Praxis kaum durchführbar ist. Ich verweise nur auf den hohen Verwaltungsaufwand und die zu verkraftenden Steuerausfälle. Vor allem aber halte ich es für das falsche Signal, das skandalöse Verhalten der Konzerne durch die Politik abzusegnen, indem die Preiserhöhungen vom Steuerzahler ausgeglichen werden.
Sie sehen, wir sind bislang noch nicht in der Lage, diesen offensichtlichen Marktmissbrauch an den Tankstellen mit den zulässigen Mitteln der Marktwirtschaft zu lösen. Dies zeigt, wie kompliziert die Situation auf dem Mineralölmarkt ist und mag Ihnen erklären, warum seit Jahren zwar geredet, aber bisher noch nichts verändert wurde. Ich setze mich trotz dieser unbefriedigenden Situation aber weiter für die Suche nach geeigneten Regelungen ein.
Mit freundlichen Grüßen
Frank-Walter Steinmeier