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Frage von Rüdiger W. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Rüdiger W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Frank-Walter Steinmeier,

beim Vorstand der SPD soll ein Antrag auf Einrichtung eines Arbeitskreises "Laizistinnen und Laizisten in der SPD - Für die Trennung von Staat und Religion" gestellt werden. Dem hat ihr Parteivorsitzender Herr Gabriel bereits wenig Chancen auf Zustimmung eingeräumt und die Verwendung der Bezeichnung "SPD" auf deren Internetseite untersagt.

Angesichts der ständig wachsenden Anzahl von Konfessionslosen in der Bundesrepublik (immerhin bereits über 34%), die eine Subventionierung der christlichen Kirchen auch aus ihren Steuerzahlungen sehr kritisch gegenübersteht (das ist jedenfalls meine Sicht):

Wie werden Sie sich zu einem Arbeitskreis "Laizistinnen und Laizisten in der SPD" positionieren? Werden Sie der Gründung zustimmen?

Könnten Sie sich vorstellen, dort mitzuarbeiten?

Falls Sie eine Gründung des Arbeitskreises ablehnen: werden Sie dann auch dafür eintreten, dass die Arbeitskreise Christinnen und Christen und Jüdischer Sozialdemokratinnen und -demokraten geschlossen werden?

Mit freundlichen Grüßen

Rüdiger Weida

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weida, sehr geehrter Herr Großklaus,

Sie haben mir fast gleichlautende Fragen gestellt - erlauben Sie daher bitte, dass ich Ihnen gemeinsam antworte.

Die SPD ist eine weltanschaulich plurale Partei, in der Menschen aus unterschiedlichen Begründungen für die programmatischen Ziele der Partei zusammen arbeiten. Das ist unser Markenzeichen. Selbstverständlich können deshalb innerhalb der SPD auch laizistische Positionen vertreten werden. Allen Mitgliedern ist es unbenommen, ihre Positionen und Forderungen in bestimmten Fragen innerhalb der Partei zu vertreten und für sie zu werben.

Die Frage ist aber, in welcher Form dies geschehen sollte. Der Parteivorstand ist der Auffassung, dass dies nicht im Rahmen eines vom Parteivorstand anerkannten Arbeitskreises geschehen kann. Deshalb hat er in seiner Sitzung am 9. Mai 2011 den Antrag der Gruppe auf Anerkennung abgelehnt. Ich bin selbst kein Mitglied des Parteivorstandes, halte dessen Entscheidung aber für richtig. Denn ein Arbeitskreis ist eine unselbständige Einrichtung des Parteivorstands und handelt in dessen Auftrag. Hätte der Parteivorstand dem Antrag auf Anerkennung eines „AK Laizistinnen und Laizisten in der SPD“ zugestimmt, so hätte er einem Kreis den Auftrag gegeben, für Forderungen zu werben, die im Widerspruch zum eigenen Grundsatzprogramm stehen.

Die Gruppe, die sich am 16. Oktober 2010 in Berlin zusammengeschlossen hat, hat sich zum Ziel gesetzt, eine strikte Trennung nicht nur von Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern von Staat und Religion insgesamt durchzusetzen. Das widerspricht der historischen Tradition und dem Programm unserer Partei. Das Hamburger Grundsatz-Programm bekennt sich zur Achtung vor den Kirchen und Religionsgemeinschaften, zur Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit ihnen und zur Anerkennung von deren Recht, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln. Für die SPD sind die Kirchen und Religionsgemeinschaften, so heißt es wörtlich, „unverzichtbare Partner auf dem Weg zu einer humanen, zukunftsfähigen Gesellschaft“.

Der Hinweis auf die Existenz eines christlichen und eines jüdischen Arbeitskreises entkräftet die Argumente gegen einen AK Laizismus auch nicht. Denn der Laizismus ist kein religiöses oder weltanschauliches Bekenntnis, sondern ist eine Positionierung in einer bestimmten Sachfrage - zur Regelung des Verhältnisses zwischen Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften. Dem gegenüber bilden der christliche und der jüdische AK eine Arbeitsplattform, die sozialdemokratische Positionen in die Kirchen und in die jüdische Gemeinschaft hinein vermitteln.

Die Sachfragen, die hinter der Forderung nach Anerkennung eines solchen Arbeitskreises stehen, nehmen wir gleichwohl sehr ernst. Sie sollen in der politischen Diskussion der SPD Raum bekommen - gerade auch unter Einbeziehung der Genossinnen und Genossen, die sich für eine deutlichere Trennung von Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften einsetzen.

Wir würden uns freuen, wenn sich religiöse und nichtreligiöse Menschen an den Debatten gleichermaßen beteiligen würden. Denn die SPD hat eine starke humanistische und freidenkerische Tradition, die sich lohnen würde, in den ethischen Debatten und für die Grundierung sozialdemokratischer Ziele zur Geltung gebracht zu werden. Dies gilt gerade angesichts der Tatsache, dass in Deutschland der Anteil der Menschen wächst, die nicht (mehr) Mitglieder einer Kirche oder Religionsgemeinschaft sind. Das wäre auch ein wichtiger Beitrag dazu, die religiöse und weltanschauliche Pluralität der Partei, die sie seit Godesberg 1959 kennzeichnet, für die gegenwärtige Gesellschaft fruchtbar zu machen.

Mit freundlichen Grüßen

Frank-Walter Steinmeier