Frage an Frank Spieth von Marlen S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Spieth,
ich möchte gerne wissen, wie die Fraktion "DIE LINKE" zu der Einführung der "Elektronischen Gesundheitskarte" (eGK) steht.
- Insbesondere möchte ich wissen, ob "DIE LINKE" die Einführung grundsätzlich unterstützt?
- Falls dies der Fall sein sollte, wäre interessant, wie Sie und Ihre Fraktion zu dem sog. "eletronischen Arztbrief" und der "elektronischen Patientenakte", sowie dem Leistungskatalog zur Erfassung der bisher durch den Patienten in Anspruch genommenen Leistungen stehen.
Die Befürchtungen sind:
- dass die unabhängige "zweite Meinung" eines weiteren Arztes über eine Erkrankung (Diagnose) oder Therapie eines Patienten/einer Patientin, durch eine bereits vorangegangene Diagnose (auf der Karte gespeichert) im Vorfeld verhindert bzw. beeinträchtigt wird?
(Stichwort, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.)
- dass der/die zweite Arzt/Ärztin sich eventuell eine weitere Anamnese spart, da ja diese bereits gespeichert ist und daher (aus Kosten- sowie Zeitgründen) nicht mehr erhoben wird und somit eine neue Bewertung der gesundheitlichen Situation nicht oder nur eingeschränkt möglich ist.
- dass, wenn der/die Patient/in über eine Behandlungsform mit dem Arzt/der Ärztin in Konflikt steht, diese/r für den/die Patienten/in nicht mehr zu kontrollierende und wiederrufende Einträge auf der Karte macht, die dann einen hiervon unabhängigen Fortgang der "medizinischen Laufbahn" des/der Patienten/in unmöglich machen.
Etc.
Was ist mit dem Recht auf Anonymität?
Dient die Karte nicht der weiteren Zweckrationalisierung der gesundheitlichen Fürsorge zur Kosten- und Zeitersparnis?
Vielen Dank im Voraus für eine Antwort und
mit freundlichen Grüßen
M. Stryj
Sehr geehrte Frau Stryj,
vielen Dank für Ihre Fragen. DIE LINKE steht einer sicheren und unbürokratischen Anwendung von Kommunikationstechnologien offen gegenüber.
Dennoch unterstützt DIE LINKE die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) nicht grundsätzlich. Für die Einführung einer solchen Karte müssen aus meiner Sicht bestimmte Grundbedingungen erfüllt sein. Solange diese Bedingungen nicht erfüllt sind, unterstütze ich den vorläufigen Stopp der Ausgabe der Karte. Drei wichtige Bedingungen müssen für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte erfüllt sein: erstens muss eine kommerzielle Nutzung von Patientendaten durch sogenannte „Mehrwertdienste“ ausgeschlossen werden.
Zweitens – und dies beantwortet ihre Frage nach der elektronischen Patientenakte – muss die Entscheidung über den Umgang mit den gespeicherten Daten bei der Patientin bzw. dem Patienten bleiben. Nach meiner Auffassung ist es wichtig, dass alle Patienten entscheiden können, welche Daten wem zur Verfügung gestellt werden. Die Daten müssen in den Händen der Patienten bleiben. Das bedeutet auch, dass der Patient entscheidet, ob ein Arzt die Informationen, die auf der Karte gespeichert sind, einsehen kann oder nicht. Durch solch eine Regelung hätten die Patienten weiterhin die Möglichkeit, sich von Ärzten ein unvoreingenommenes zweites Urteil über eine Erkrankung einzuholen – ohne dass diese durch eine vorangegangene Diagnose beeinflusst werden.
Drittens sollen dezentrale Speichermöglichkeiten ernsthaft weitergeprüft werden. Eine solche dezentrale Speicherung der Daten, die auf der Karte erfasst werden, halte ich für äußerst wichtig, gerade in Bezug auf das von Ihnen angesprochene Recht auf Anonymität. Viele Daten, insbesondere persönliche Daten, wecken Begehrlichkeiten. Zu den sensibelsten Daten, die über jeden von uns gespeichert sein können, gehören Daten über Krankheiten und Lebensgewohnheiten. Wenn nun die Bundesregierung 80 Millionen dieser Datensätze auf einigen wenigen zentralen Servern speichern will, ist dies ein höchstriskantes Unternehmen. Das zentrale Speichern ist ein Sicherheitsrisiko. Ein Arbeitgeber oder eine Versicherung würden natürlich liebend gern etwas über Krankheiten derjenigen erfahren, die sich um einen Arbeitsplatz bewerben oder eine Versicherung abschließen wollen. Ein großes Interesse an diesen Gesundheitsdaten wird sicher auch die Pharma- und Medizinprodukteindustrie haben. Ärzte, Datenschützer und Bürgerrechtler haben von Ihnen bereits gefordert, eine echte Prüfung dezentraler Speichermöglichkeiten durchzuführen und auf zentrale Server zu verzichten. Diese Vorschläge firmierten immer unter dem Schlagwort „USB-Stick“. Möglich sind aber auch Speichermöglichkeiten auf der Karte selbst, auch die bereits getroffenen Sicherheitsmaßnahmen und die angeschafften Geräte könnten dabei genutzt werden.
Ich bin der Ansicht, dass der Datenschutz unbedingt Vorrang hat, auch Vorrang vor einer vorschnellen Einführung der Karte und Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Eine Karte, die nicht auf Freiwilligkeit bei Patienten und Therapeuten setzt, wird auch keine Akzeptanz finden und scheitern.
Mit freundlichen Grüßen,
Frank Spieth (MdB)