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Frank Spieth
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Frage von Markus S. •

Frage an Frank Spieth von Markus S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Spieth,

Mir geht es um das Transplantationsgesetz von 1997, das 2 Ziele hatte: Mehr Rechtssicherheit - gibt es, mehr Transplantationen - gibt es nicht.
Jedes Jahr sterben ca 1000 Menschen in Deutschland auf einer Warteliste für eine Organspende.

1. Grund: Die Spendebereitschaft ist hoch, jedoch kommt es nicht zur Ausfüllung eines Organspendeausweises. Warum?
Tod ist ein unangenehmes Thema, aber da für sich selbst kein Vorteil damit verbunden ist, unterbleibt es.
Ein solcher Vorteil kann - darüber wird sicher Konsens bestehen - nicht finanzieller Art sein.
Möglich wäre über ein Spenderegister, postmortale Organspenden bevorzugt an Menschen zu vergeben, die selbst ihre Bereitschaft zur Organspende erklärt haben.
Dies wäre die Regel, erwarte nur von andern, was du selbst zu geben bereit bist.
Als "goldene Regel" Grundlage jüdisch-christlicher Ethik.

2. Grund:
In nur 50% der möglichen Organentnahmen nach Tod auf der Intensivstation kommt es zur Meldung an Eurotransplant. Gründe neben fehlender Ausstattung in kleinerer Kliniken und Personalengpässen: die Gespräche mit den Angehörigen kosten Zeit und sind nicht einfach.
Es würde für alle Beteiligten die Situation erheblich vereinfachen, wenn die Regel gilt "ohne expliziten Widerspruch kann man von der Bereitschaft zur Organspende ausgehen". Das Gespräch entfällt nicht, steht aber unter anderm Vorzeichen.

4 Fragen:

1. Sind Sie als Obmann Ihrer Partei im Gesundheitsausschuss bereit in der kommenden Legislaturperiode für eine Überarbeitung des Transplantationsgesetzes zu veranlassen?

2. Treten Sie bei der Linken für eine Umkehr des Widerspruchsprinzips ein?

3. Treten Sie für ein zentrales Spenderregister ein, das die Abfrage der Entscheidungssituation vereinfacht?

4. Können Sie der Verknüpfung von Spendebereitschaft und vorrangigem Empfang zustimmen, die über die Gewährung des eigenen Vorteils die Spendebereitschaft erhöhen kann?

Mit freundlichem Gruß, Markus Schmidt-Gröttrup

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schmidt-Gröttrup,

es ist eine Tatsache, dass in Deutschland jährlich circa 12.000 Menschen auf ein lebensrettendes Organ hoffen. Es werden aber nur etwa 3.000 Organe zur Verfügung gestellt. Das bedeutet, dass durch Oraganspenden der tatsächliche Bedarf für kranke Menschen nicht ausgeglichen wird. DIE LINKE wird in der nächsten Wahlperiode das Transplantationsgesetz, das vor zehn Jahren in Kraft getreten ist, intensiv diskutieren. Grundlage für diese Diskussion wird auch der Bericht zur Situation der Transplantationsmedizin in Deutschland sein, der vor kurzem veröffentlicht wurde. Daraus werden dann ggf. konkrete Vorschläge für gesetzliche Änderungen und mögliche parlamentarische Initiativen entwickelt. Mit ihrer zweiten Frage sprechen sie die Idee an, eine Regelung einzuführen, nach der automatisch von einer Bereitschaft zur Organspende ausgegangen wird, es sei denn, man hat einer Organspende widersprochen.

Ich stehe dem Vorschlag zur Umkehr des Widerspruchsrechtes skeptisch gegenüber. Denn dann müsste sichergestellt werden, dass jede Bürgerin und jeder Bürger auch ausführlich darüber informiert wird, dass eine Unterlassung des Widerspruchs gegen die Organspende automatisch als Zuspruch zu einer Organspende gewertet wird. Ich bezweifle jedoch, dass es möglich ist, flächendeckend jede und jeden ausreichend über dieses Thema zu informieren und in die Lage zu versetzen, eine wohlüberlegte Entscheidung zu treffen. Ich befürchte, dass durch eine solche Lösung Menschen unfreiwillig zu Organspendern werden könnten, einfach weil Ihnen nicht bewusst war, dass sie aktiv einer Organspende widersprechen müssen. Ich sehe auch die Gefahr, dass Menschen wie Ersatzteillager missbraucht werden können. Das wäre Ausbeutung des Menschen über den Tod hinaus.

Angesichts der niedrigen Zahlen der Organspenden in Deutschland ist es eine der zentralen Aufgaben der nächsten Jahre, die Spendenbereitschaft zu erhöhen. Ich denke nicht, dass ein zentrales Spenderregister allein dazu führen würde, die Bereitschaft zur Spende zu erhöhen. Eine Grundvoraussetzung für eine Erhöhung der Spendenbereitschaft ist, dass Menschen sich sicher sein müssen, dass eine Spende freiwillig ist, anonym erfolgt und dass die Unentgeltlichkeit gewährleistet ist. Ich halte es für wichtig, alle föderalen Instanzen, den Bund, die Länder und die Kommunen, an Maßnahmen zu beteiligen, mit denen die Spendenbereitschaft gefördert werden kann. Das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern zeigt, dass die Spendenbereitschaft auch erhöht wird, wenn es ein funktionierendes Management von Krankenhäusern und Transplantationszentren gibt. Mecklenburg-Vorpommern nimmt die Spitze der Spendenbereitschaft in Deutschland ein.

Ihre letzte Frage bezieht sich auf Vorschläge, nach denen Menschen bevorzugt Organspenden bekommen sollen, wenn sie sich selbst zur Organspende bereiterklärt haben. Diese Verknüpfung von Spendebereitschaft an eine Bevorzugung (für den Fall, dass man selbst auf ein Spenderorgan angewiesen wird) halte ich für falsch. Die Entscheidung darüber, wer ein Spenderorgan bekommt, sollte immer nach rein medizinischen Kriterien erfolgen. Menschen dürfen nicht mit Druckmittel dazu gebracht werden, sich zur Organspende bereitzuerklären. Wenn aber Menschen wissen, dass Ihnen aus der Erklärung zur Spendenbereitschaft ein Vorteil entsteht, bzw. dass sie einen Nachteil haben, wenn sie sich nicht zur Spende bereiterklären, kann man nicht mehr von dem Prinzip der Freiwilligkeit ausgehen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Antworten weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen,

Frank Spieth (MdB)