Frage an Frank Sitta von Ottmar M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Sitta,
in einem Antrag an den Bundestag vom 8.5.19 (Drucksache 19/10010) behauptet die FDP-Fraktion, Russland führe Krieg in der Ukraine und liefere Nachschub für die Volksrepubliken. Welcher OSZE-BERICHT bestätigt diese Behauptung?
Kern des Antrages ist die Forderung, Minsk II komplett durch ein UN-Mandat zu ersetzen. Warum sollten die Volksrepubliken und Rußland darauf eingehen? Wollen die Bürger des Donbass überhaupt eine Lösung, wie sie die FDP vorhat? Wie stellen Sie sich denn die Absetzung der Regierung der Volksrepubliken vor? Mit Gewalt? Oder glauben Sie, die gehen freiwillig? Im übrigen sind doch lt. Minsk ohnehin Wahlen vorgesehen. Poroschenko hat das Abkommen für die Ukraine, Merkel und Hollande haben als Garantiemächte unterschrieben. Weshalb dringen diese Garantiemächte nicht auf die Erfüllung von Minsk II durch die Ukraine? Will der Westen die Niederlage des Kiewer Regimes nicht anerkennen, oder wie? Warum werden eigentlich keine Sanktionen gegen die Ukraine wegen der Nichtumsetzung von Minsk II umgesetzt? Es ist doch sehr klar formuliert, was die Ukraine in welchem Zeitraum zu erfüllen hat. Kennen Sie den Wortlaut von Minsk II überhaupt?
Das Handelsblatt berichtet am 23.12.17 von US-Ausbildern in der Ukraine. Gem. 10. des Abkommens dürfen sich in der Ukraine keine ausländischen bewaffneten Einheiten aufhalten. Warum mißachten die USA also Minsk II? Oder ist das der Grund, weshalb Minsk II nicht umgesetzt wird? Weil sich dann in der Ukraine keine westlichen Truppen mehr aufhalten dürfen? Herr Sitta, wenn Sie sich diesem Antrag anschließen, wissen Sie doch sicher, aus welchen westlichen Staaten sich bewaffnete Einheiten in der Ukraine aufhalten?
Sehr geehrter M.,
ich nehme Ihre Ausführungen – gelinde gesagt – mit einigem Befremden zur Kenntnis. Die Besetzung und Annexion ukrainischen Territoriums auf der Krim – unter Bruch völkerrechtlicher Garantien, die die Russische Föderation der Ukraine gegeben hat – sollte jegliche Diskussion über die Stoßrichtung der Politik der russischen Regierung bezüglich der territorialen Souveränität der Ukraine an und für sich überflüssig machen. Auf ein paar Punkte möchte ich aber doch kurz eingehen:
Über die Wirksamkeit und Zielgenauigkeit der Sanktionen gegen Russland kann man zwar debattieren. Wenn man die Politik seiner Regierung jenseits von Apellen nicht unbeantwortet lassen will, sind sie jedoch eines der wenigen verbleibenden Instrumente diesseits einer offenen militärischen Auseinandersetzung. Und die wollen weder die westlichen Nationen, noch die Ukraine – und allem Anschein nach auch nicht die russische Regierung. Die Vereinbarungen von Minsk sind selbstverständlich ebenso genau dieser Einsicht geschuldet. Völlig absurd wäre es aber, deshalb Sanktionen gegen die Ukraine zu verhängen.
Ihre Frage nach einem OSZE-Bericht entbehrt nicht einer gewissen – wenn auch tragischen – Komik, da die Russische Föderation die notwendige Ausweitung und bessere Ausstattung der OSZE-Mission immer wieder unterbunden hat. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, hat jedoch beispielsweise eine internationale Untersuchung nachgewiesen, dass der Abschuss des Malaysia Airlines Fluges 17, bei dem 298 völlig unbeteiligte Menschen getötet wurden, mit einem Waffensystem der russischen Armee vom Territorium der „Volksrepubliken“ aus geschah. Es steht ohnehin außerhalb jeden vernünftigen Zweifels, dass Kämpfer und Kriegsmaterial wohl kaum ohne russische Unterstützung in die „Volksrepubliken“ gelangen. Die russische Regierung hat zudem mehrfach und recht unverhohlen klar gemacht, dass sie bestimmt, was dort vor sich geht – zuletzt wieder mit der Ankündigung, russische Pässe ausgeben zu wollen. Ihre Frage, warum Russland einem UN-Mandat zustimmen sollte, würde ja ansonsten auch wenig Sinn ergeben, wenn Sie nicht selbst von diesem Umstand ausgehen würden.
Im Übrigen erlaube ich mir, diese Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten: Warum sollten Russland und die „Volksrepubliken“ eine Blauhelm-Mission ablehnen? Wer gemäß der Vereinbarungen von Minsk ein Ende der bewaffneten Auseinandersetzung im Osten der Ukraine will und anerkennt, dass das Gebiet der „Volksrepubliken“ – mit welchem Status an Selbstverwaltung auch immer – weiterhin Hoheitsgebiet der Ukraine bleibt, der sollte damit nun wirklich kein Problem haben.
Wenig Sorge habe ich auch, dass Russland sein eigenes militärisches Potenzial so gering schätzt, dass es die Ausbildungsmissionen von NATO-Staaten bei der ukrainischen Armee ernstlich als Bedrohung ansieht. Zudem hegt wahrscheinlich niemand die Erwartung, dass die Russische Föderation ihrerseits ihre regulären Truppen von der völkerrechtlich weiterhin ukrainischen Krim abziehen wird.
Wir haben in unserem Antrag zudem sehr deutlich gemacht, dass sowohl Russland als auch die Ukraine aufgefordert werden sollen, ihren Teil der Vereinbarungen von Minsk umzusetzen.
Ich verbleibe in der Hoffnung auf eine baldige friedliche Lösung des Konflikts, gerade auch angesichts der zu befürchtenden humanitären Folgen einer militärischen Niederlage – egal welcher Seite,
Frank Sitta, MdB