Frage an Frank Rock von Samuel K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Rock,
nach dem jetzigen Fahrplan der Landesregierung öffnen zwar die Kindergärten und Schulen in NRW wieder stufenweise, aber mit sehr starken Einschränkungen und dem Fehlen einer zeitlichen Perspektive, wann die Einrichtungen wieder den Regelbetrieb aufnehmen können. Frau Ministerin Gebauer deutete in ihrer Pressekonferenz vom 6. Mai sogar an, dass eine Rückkehr in den Regelbetrieb auch nach den Sommerferien nicht möglich sein könnte. (https://www1.wdr.de/mediathek/av/video-pressekonferenz-ministerpraeside…) Für die Schulen bedeutet dies, dass noch für lange Zeit das sog. "Homeschooling", für das in Deutschland fast alle Voraussetzungen fehlen, worauf ich in meinem letzten Brief an Sie auf dieser Plattform eingegangen bin, für lange Zeit den größten Teil des regulären Schulbetriebes ersetzen wird. Für die KITA-Kinder bedeutet dies, in ihrer psychosozialen Entwicklung weiter durch das Fehlen der außerfamiliären sozialen Besugssysteme beeinträchtigt zu werden. Für die Eltern bedeutet das, noch für lange Zeit mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf enormen Belastungen ausgesetzt zu sein.
An dieser Stelle sollte man die Frage stellen, ob es wissenschaftlich belegbare Nachweise dafür gibt, dass es durch diese Maßnahmen einen relevanten Effekt in der Eindämmung der Corona-Pandemie gibt. Bemerkenswert ist hier die Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP), die den Schweizer Behörden die Öffnung aller Kitas und Schulen ohne weitere gesonderte Schutzmaßnahmen empfiehlt, da sich aus der internationalen Studienlage bisher ergibt, dass "Kinder bzw. Kinder in der Schule die Epidemie nicht unterhalten". (https://paediatrica.swiss-paediatrics.org/covid-19-fragen-und-antworten…) Die SGP unterfüttert ihre Empfehlung mit Studien aus den Niederlanden, aus Australien und aus Schweden. Mir ist keine andere Studie zu dieser Fragestellung bekannt, die zu einem substantiell anderen Ergebnis kommen würde als die von der SGB zitierten Studien. Die Empfehlungen deutscher Virologen zur Schulschließung basieren ausschließlich auf allgemeinen epidemiologischen Annahmen aus der Anfangszeit der Pandemie ohne Kenntnisse über die spezifischen Eigenschaften des SARS-CoV-2 Virus, die jetzt erst nach und nach durch die aktuelle Forschung zu Tage treten. Mit dem aktuellen Stand der Forschung zu SARS-CoV-2 ist die Schließung der Kitas und Schulen nicht mehr wissenschaftlich zu begründen und die negativen Folgen dieser Maßnahmen sind zur Eindämmung der Pandemie als weitestgehend wirkungslos einzuschätzen und sind damit völlig unverhältnismäßig. Daher heute meine Frage an Sie, wie es kommt, dass die Landesregierung in NRW im Gegensatz zur Schweiz die aktuelle internationale Studienlage nicht zu kennen und/oder zu berücksichtigen scheint und an Maßnahmen festhält, die nicht mehr seriös begründet werden können? Wie kommt es, dass die Landesregierung von NRW die Grundrechte der Bürger auf nicht begründbare Weise einschränkt und schweren Schaden über die Menschen bringt, ohne dass der Landtag hier eine parlamentarische Kontrolle auszuüben scheint? Die Abgeordneten haben doch wissenschaftliche Mitarbeiter, die ihnen diese Informationen aus der aktuellen Forschung sicherlich schon längst bekannt gemacht haben dürften. Gleichzeitig unterbleiben Maßnahmen zum Infektionsschutz, die wissenschaftlich hochevident sind, wie z.B. die wöchentliche Pool-Testung aller Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, in denen regelmäßig neue Infektions-Hotspots entstehen, oder auch die Unterbindung von Masseninternierungen von Arbeitskräften der fleischverarbeitenden Industrie durch dubiose Subunternehmen. (https://www1.wdr.de/nachrichten/themen/coronavirus/corona-schlachtbetri…) Mein Grundvertrauen in die parlamentarische Demokratie ist angesichts dieser unfassbaren Missstände von Grund auf erschüttert.
Mit freundlichen Grüßen
Samuel Karbe
Sehr geehrter Herr Karbe,
vielen Dank für Ihre E-Mail und Anfrage bei abgeordnetenwatch.de
Ich verstehe Ihre Kritik hinsichtlich des Fahrplans zur Wiederöffnung von Kitas und Schulen und nehme sie sehr ernst. Es ist richtig, dass die Schließungen große Herausforderungen für Kinder und Eltern mit sich bringen. Seien Sie versichert, dass dieses Thema für mich als Vater von drei schulpflichtigen Kindern, ehemaligem Lehrer vor allem aber als Abgeordnetem und schul- und bildungspolitischem Sprecher der CDU-Landtagsfraktion zur Zeit Schwerpunkt ist.
Ich denke, es ist in den vergangenen Wochen allein aufgrund der öffentlichen Berichterstattung sehr deutlich geworden, dass sich sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung NRW intensiv von Wissenschaftlern beraten lässt und ihre politischen Entscheidungen auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Empfehlungen trifft.
Wie Sie selbst in Ihrer Mail schreiben, treten die aktuellen Erkenntnisse über das neuartige Coronavirus aber „erst nach und nach durch die aktuelle Forschung zu Tage“. Das ist auch meine Wahrnehmung: Die Forschung ist noch am Anfang, viele Fragen noch offen. Das zeigt ja zum Beispiel auch die von Ihnen angeführte Stellungnahme der SGP, in der die Frage, ob bei Kindern festgestellte Erkrankungen in Zusammenhang mit Corona-Infektionen stehen, nicht abschließend beantwortet werden kann. Hier heißt es: „Es handelt sich bei all diesen Beschreibungen um mögliche Assoziationen mit COVID-19, die erhöhte Aufmerksamkeit erfordern.“
( https://paediatrica.swiss-paediatrics.org/covid-19-fragen-und-antworten… )
Entgegen Ihrer Forderung nach einer umfassenden Öffnung von Kitas und Schulen erreichen mich auch Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere auch Schülern, die um ihre Gesundheit besorgt sind. Auch diesen Sorgen muss Rechnung getragen werden.
Die Corona-Pandemie hat uns alle vor noch nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Schrittweise mussten Lösungen gefunden und erprobt werden. Dabei galt es immer, die Balance zwischen Sicherheit und Gesundheit einerseits und Freiheit und Aufrechterhaltung der Infrastruktur andererseits zu wahren. Das gilt auch für die Wiederöffnung von Schulen und Kitas.
Seien Sie versichert, dass wir als politische Entscheidungsträger das Wohl der Menschen fest im Blick haben und Entscheidungen besonnen mit Maß und Mitte treffen.
Mit besten Grüßen
Frank Rock MdL