Frage an Frank Müller-Rosentritt von Enrico R. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Müller-Rosentritt,
darf Ihrer Meinung nach der Staat über mich bzw. meinen Körper verfügen, solange ich mich nicht dagegen wehre? Wie ist – neben dieser allgemeinen Frage – Ihre konkrete Haltung zur geplanten Neuregelung der Organspende? Wenn Sie mir auch die Gründe für Ihre Haltung nachvollziehbar darstellten, würde mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen
E. R.
Sehr geehrter Herr R.,
es ist ein sensibles Thema über das wir sprechen. Es betrifft nicht nur Selbstbestimmung und Recht auf körperliche Integrität potenzieller Spender, sondern auch die Gesundheit und Überlebenschance des Empfängers. Das Thema ist wichtig und drängend, denn es geht hier um Menschenleben. Gleichermaßen sollten wir, bei so empfindlichen Eingriffen in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, deutlich und behutsam abwägen.
Zur geplanten Neuregelung: Ich denke, dass durchaus Situationen bestehen, in denen es Menschen zugemutet werden kann, dass sie ihre Haltung deutlich sagen. Wenn die Menschenleben anderer unmittelbar betroffen sind, dann ist auch ein ausdrückliches "Nein" nicht zu viel verlangt. Dennoch kann eine Widerspruchslösung nur eine Ultima Ratio sein. Wenn es andere Möglichkeiten gibt, die gleich oder mehr erfolgversprechend sind, dann entspricht der von Gesundheitsminister Spahn avisierte Entwurf nicht der gebotenen Verhältnismäßigkeit. Bevor wir also zur Widerspruchslösung greifen, die das Selbstbestimmungsrecht empfindlich berührt, müssen wir sorgsam abwägen. 84% der Bundesbürger sind prinzipiell bereit zu einer Spende, warum denkt man im Gesundheitsministerium nicht darüber nach, wie wir von diesen ein dokumentiertes Bekenntnis erhalten? Gleich den Schritt zu gehen, der auch diejenigen erfasst, die nicht spenden wollen, ist ein Schuss über das Ziel hinaus. Die Widerspruchslösung ist nicht ursächlich für ein höheres Spenderaufkommen. Als FDP-Bundestagsfraktion haben wir einen Antrag eingebracht, der Lebendspenden erleichtern soll und gleichzeitig den unsinnigen gesetzlichen Vorrang postmortaler Spenden auch im Falle einer verfügbaren Lebendspende abschaffen wollte. Durch eine effektive Identifikation und Verbesserung der tatsächlichen Durchführung der Entnahme von Spenden können wir die Spenderanzahl effektiv und entscheidend erhöhen. Das Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende wurde vom Deutschen Bundestag kürzlich beschlossen. Statt Schnellschüssen sollten wir erst einmal die Wirkung und Folgen dieses Gesetzes abwarten. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit würde ich mich für eine verpflichtende Entscheidungslösung aussprechen. Diese "weichere" Variante könnte beispielsweise bei der Beantragung des Personalausweises oder Führerscheins abgefragt werden. Zusätzlich wäre ein digitales Melderegister von Nöten, in dem die Meinung auch geändert werden könnte.
Ich hoffe Ihre Frage hinreichend beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Müller-Rosentritt