Frage an Frank Hiemer von Andreas W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Hiemer,
zwar leide ich selbst auch darunter, daß mir von der Regierung mehr und mehr Geld aus der Tasche gezogen wird. Vorangig jedoch sorge ich mich um die finanzielle Verelendung im Freundes- und Bekanntenkreis.
Während vor einigen Jahren noch alle "normal" honorierte Jobs mit durchschnittlich 2.600 Euro brutto hatten, sind sie heute gezwungen, für Hungerlöhne mehr denn je zu arbeiten. Konkretes Beispiel: Taxifahrer!
Im Monat Januar 2008 wurden an 23 Arbeitstagen 276 Arbeitsstunden geleistet. Bruttoverdienst: knapp 860 Euro, netto nicht mal 700 Euro
Konkretes Beispiel: Rettungssanitäter
Im Monat Januar 2008 wurden an 28 Arbeitstagen 214 Stunden geleistet = brutto 1.391,00 = netto 996,00 Euro
So ließe sich die Liste mit Hotelbediensteten und Altenpflegekräften beliebig fortführen; allesamt liegen trotz Vollzeitbeschäftigung und ständigen Überstunden deutlich unter dem Sozialhilfesatz.
Meine Frage: Was werden Sie für diese armen Menschen tun?
Sehr geehrter Herr Wieck,
die von Ihnen geschilderte Situation ist in der Tat ein Skandal. Der Grundsatz, nach dem ein Mensch mit dem Einkommen aus einer Vollzeitbeschäftigung auch seinen Lebensunterhalt bestreiten können sollte, wird in diesem Land seit Jahren zunehmend verletzt. Die von Ihnen geschilderten Beispiele machen das deutlich.
Auf der einen Seite erleben wir, dass viele Menschen als Billigjobber in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen bzw. zu nicht auskömmlichen Löhnen arbeiten müssen und auf der anderen Seite hören wir von den Millionengagen, die in den Führungsetagen der Wirtschaft gezahlt werden.
Wir brauchen in Deutschland ein gesellschaftliches Umdenken in diesem Bereich. Arbeitsplätze von Taxifahrern, Rettungssanitätern, Hotelbediensteten oder Altenpflegekräften lassen sich nicht ins Ausland verlagern. Dieser von wirtschaftsliberaler Seite immer wieder benutzte Hinweis auf die Globalisierung trifft im Dienstleistungsbereich nicht zu. Wir brauchen eine verbindliche Lohnuntergrenze in Deutschland, die die schlimmsten Auswirkungen im Niedriglohnsektor beseitigt. Diese Untergrenze sollte bei 8.- EUR je Arbeitsstunde beginnen und in den nächsten Jahren ansteigen.
Dies wird bekanntlich nicht in der Hamburger Bürgerschaft entschieden. Ein grün-roter Senat könnte aber eine entsprechende Bundesratsinitiative ergreifen. In der Bezirksversammlung Wandsbek wurde ein GAL-Vorstoß in dieser Richtung von der CDU im letzten Jahr verhindert.
Auch wenn der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den Dienstleistungsberufen insgesamt nicht kurzfristig deutlich zu steigern ist, sollte dennoch gemeinsam mit der zuständigen Gewerkschaft nach Lösungen gesucht werden. Auch Spartengewerkschaften (Lokführer, Klinikärzte u.a.) haben bewiesen, dass sie Erfolge erzielen können.
Letztendlich ist das Umdenken auch erforderlich vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Altersarmut. Wer viele Jahre seines Erwerbslebens nur ein unzureichendes Einkommen erzielte und keine freiwilligen Zahlungen für eine Zusatzrente aufbringen konnte, wird im Alter in der Armutsfalle gefangen bleiben.
Sie werden verstehen, dass auf Landesebene nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten bestehen. Dennoch werde ich mich sowohl hier als auch bei meinen Berliner Parteifreunden dafür einsetzen, dass das Thema Billigjobber und Verteilungsgerechtigkeit verstärkt auf der Tagesordnung bleibt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Frank Hiemer