Frage an Frank Eschrich von Kevin T. S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Eschrich,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Aber nach Ihrer Logik müßte die Deutsche Bahn der Hort für "demokratische Mitbestimmung und sozial verträglicher Preisgestaltung" sein. Auch zu Zeiten der Bundesbahn wurden Strecken stillgelegt und die Preise dauernd erhöht. Sehen Sie nicht in dem Aufkommen privater Anbieter, die meißt mit viel größeren Engagment zu Werke gehen, Chancen zusätzlichen Verkehr auf die Schiene zu bekommen? Und da die Länder über ihre Ausschreibungen die Konditionen festlegen können, wären auch die Mindesstandarts geklärt. Die Anbieter, egal ob DB-AG oder "Private" fährt zu den Regeln, die das Land als Besteller festlegt.
Mit freundlichen Grüßen,
Kevin T. Stiegler
Sehr geehrter Herr Stiegler,
keineswegs sehe ich die Deutsche Bahn in der von Ihnen angesprochenen Weise. Ganz im Gegenteil, die Privatisierung der Bahn hat per Saldo zu weniger Versorgung in der Fläche, zu weniger Service, zu Massenentlassungen und obendrein zu deftigen Fahrpreiserhöhungen geführt. Deshalb nochmal: Erfüllen private Anbieter die von mir angesprochenen Kernpunkte, ist gegen eine Privatisierung nichts einzuwenden. Nur: Meistens ist eben genau umgekehrt. Denken Sie nur daran, was den Bürgerinnen und Bürgern bei der sogenannten "Liberalisierung des Strommarktes" alles versprochen wurde, insbesondere in Hinblick auf die Strompreise. Tatsächlich haben wir heute ein Kartell privater Monopolisten und zahlen die höchsten Energiepreise in Europa. Wäre die Situation so, wie von Ihnen geschildert, hätte ich keine Bedenken. Die Realität sieht allerdings anders aus, denn "das Land" ist weder rechtlich in der Lage, noch politisch Willens, solche weitgehenden Ansprüche privaten Anbietern abzuverlangen. Und hier sind wir beim eigentlichen Kernproblem Ihrer Frage: Wollen wir als Bürgerinnen und Bürger weiter Einfluss ausüben auf unsere eigenen Grundbedürfnisse wie Mobilität (ÖPNV, Bahn, Straßenbau etc.) und Daseinsvorsorge (Energie, Wasser, Abfallentsorgung etc.) oder wollen wir die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse tatsächlich den Kräften des Marktes mit allen daraus resultierenden Konsequenzen überlassen? Die WASG und ich persönlich haben uns entschieden: Wir wollen das Primat der Politik wie im Grundgesetz verankert erhalten und sind nicht bereit als Vertreter des Volkes unsere demokratisch legitimierte Entscheidungshoheit weiter einzuschränken. Denn wozu bräuchten wir noch Politik, wenn private Firmen das Leben für uns regeln? Über was sollen beispielsweise Bürgermeister und Landräte noch entscheiden, wenn sie ihren Einfluss auf die öffentliche Daseinsvorsorge an Private abgetreten haben? Zur leichteren Beantwortung dieser Fragen möchte ich Ihnen noch einige Hinweise geben. Gebetsmühlenartig wird seit Jahren behauptet, private Anbieter würden generell kostengünstiger und effektiver arbeiten als öffentlich-rechtliche. Wenn Sie dazu recherchieren werden Sie allerdings feststellen, dass diese Behauptung keineswegs zutrifft. Vielmehr ist es so, dass sich die Privaten gerne die "Rosinen" (sprich lukrativen Sparten) aus dem Kuchen picken und den unrentablen Rest gerne der öffentlichen Hand (sprich dem Steuerzahler) überlassen. Als Beispiel würde ich Ihnen empfehlen, sich den privaten Wassermarkt in Großbritannien anzuschauen. Daran kann man exemplarisch ablesen, wohin der Privatisierungswahn führt: Die Versorgung in der Fläche ist nicht mehr gewährleistet, das Grundnahrungsmittel Wasser hat sich um 70 Prozent verteuert und die Zahl der Hepatitis Erkrankungen (durch bakteriell verseuchtes Wasser auf Grund maroder Leitungen) ist um 200 Prozent gestiegen.
Fazit: Wenn uns private Anbieter ein akzeptables Konzept für die
Privatisierung von Bahnstrecken vorlegen, denken wir gerne über eine
Veränderung unserer grundsätzlichen Positionen nach. Bis es soweit ist,
behalten wir uns im Interesse der betroffenen Menschen allerdings das Recht
vor, skeptisch zu sein.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Eschrich