Frage an Florian Streibl von Sina B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Streibl
1.
Viele Familienangehöriger von Mordopfern erholen sich Zeitlebens nicht mehr von solchen schrecklichen Taten. Krankenkassen bezahlen aber oft gar keine oder nur eine zeitlich eng begrenzte Therapie, die Familienangehörige dabei unterstützt, mit dem Verlust leben zu lernen.
Wurde je der Kontakt zu Familienangehörigen der Mordopfer z.B. des Roland S. gesucht und wurde den Familienangehörigen Unterstützung angeboten?
2.
Ich habe mehrfach gelesen, dass Familienangehörige von Mordopfern ganz alleine für die Beerdigungskosten aufkommen müssen.
Stimmt dies?
3.
Wenn Täter sich außerhalb der Forensik / Gefängnis aufhalten und von Sicherheitspersonal / Ärzten begleitet werden, müssen dann für das Personal Überstunden- bzw. ein Sonntagszuschlag bezahlt werden?
3.1. Wenn ja, wer muss diese Kosten bezahlen?
4.
Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn Straftäter arbeiten.
Aber warum fließt das Geld nicht an die Einrichtung, in der diese Straftäter untergebracht sind?
Oder an die Familienangehörigen der Opfer?
5.
Wenn Straftäter so viel billiger arbeiten, als Arbeitnehmer außerhalb von Forensik bzw. Gefängnis, dann schädigen die Täter doch letztendlich die unbescholtenen Arbeitnehmer. Unbescholtene Arbeitnehmer können nicht für Cent-Beträge arbeiten, denn sie müssen Lebensmittel bezahlen, Miete, Strom, Heizung, ihre Familie ernähren.
Zudem besteht auch noch die Gefahr, dass die Arbeitnehmer außerhalb von Forensik bzw. Gefängnis ihre Arbeit verlieren, weil sie nicht so billig arbeiten können.
5. 1.
Wie viel Firmen gibt es in Deutschland, die auf diesem Wege äußerst günstig produzieren lassen?
5. 2. Warum wird in Forensik / Gefängnissen nicht der Mindestlohn bezahlt?
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Sina Berg
Sehr geehrte Frau Berg,
die Beantwortung hat sich leider etwas verzögert, weil wir aufgrund ihrer aufgeworfenen Fragen Auskunft von der Staatsregierung verlangt haben. Bei Interesse finden Sie die zwei Schriftlichen Anfragen von mir und meiner Kollegin Eva Gottstein demnächst auf der Homepage des Bayerischen Landtags über die Dokumentensuche (Beschäftigung von Strafgefangenen, Maßregelvollzugspatienten u.a. und Zusammenarbeit der Einrichtungen mit externen Auftraggebern I und II).
1./2.:
Grundsätzlich haben die Angehörigen einen zivilrechtlichen Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten gegenüber dem Täter. Der Anspruch wird aber in vielen Fällen nicht durchsetzbar sein, weil Straftäter selbst oftmals nicht über das für einen Schadensausgleich erforderliche Vermögen oder Einkommen verfügen. Opfer von Straftaten bzw. deren Hinterbliebene können aber auch gegenüber dem Staat einen Anspruch aus dem Opferentschädigungsgesetz haben. Dieses Gesetz gewährt finanzielle Leistungen bei vorsätzlichen Gewalttaten, bei vorsätzlicher Beibringung von Gift und bei wenigstens fahrlässiger Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen für Gesundheitsschäden und damit zusammenhängende wirtschaftliche Schäden. In den Bundesländer existieren darüber hinaus Stiftungen, z.B. in Bayern die Stiftung Opferhilfe. Deren öffentlicher Stiftungszweck ist es u.a., Opfer von Straftaten und deren engen Angehörige schnell und unbürokratisch finanziell zu unterstützen, soweit vom Täter kein oder kein zeitgerechter Ausgleich zu erlangen ist und gesetzliche Leistungen, die Hilfe anderer Opferhilfeeinrichtungen oder Dritter nicht in Anspruch genommen werden können.
3./4.:
Aufgabe des Strafvollzugs ist auch die soziale Wiedereingliederung des Täters um ihm die Fähigkeit und den Willen zur eigenverantwortlichen Lebensführung ohne Rechtsbruch zu vermitteln. Wesentlicher Bestandteil dieses Behandlungsauftrags ist es, den Gefangenen eine sinnvolle und nützliche Arbeit zuzuweisen. Die Resozialisierung als Auftrag des Strafvollzugs ist eine öffentliche Aufgabe und etwaige Kosten fallen grundsätzlich dem Staat an. Für gerichtliche Ausführungen können jedoch die Kosten grsl. vom Gefangenen verlangt werden.
Die Hinführung zu einer geregelten Beschäftigung sowie die berufliche Aus- und Weiterbildung ist wichtig. Die arbeitstherapeutische Beschäftigung dient u.a. der Herstellung der Arbeitsfähigkeit. Die Gefangenen sollen durch eine sinnvolle Tätigkeit an ein regelmäßiges, auf einer Arbeit aufgebautes Leben gewöhnt werden und deshalb sind sie nach dem Strafvollzugsgesetz auch verpflichtet, eine ihren körperlichen Fähigkeiten angemessen Arbeit auszuüben und dafür erhalten sie ein (wenn auch geringes) Arbeitsentgelt. Von den Gefangenen, die Pflichtarbeit leisten werden dafür keine Haftkostenbeiträge für Verpflegung etc. erhoben. Als Nebeneffekt der Gefangenenarbeit werden die insoweit erzielten Einnahmen also dazu verwendet, die Kosten für den Vollzug zu senken und damit letztlich den Steuerzahler zu entlasten. Im Jahre 2013 waren durchschnittlich 52,39 % der Gefangenen beschäftigt.
Auch für die Forensik ist die Beschäftigungs- und Arbeitstherapie ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil der Therapie im Maßregelvollzug. Die untergebrachten Personen sind allerdings nicht zur Arbeit verpflichtet, erhalten aber ein sogenanntes Therapiegeld als Anerkennung ihrer Therapiebereitschaft. Die Maßregelvollzugseinrichtungen erwirtschaften mit diesen Therapieangeboten in der Regel keine Überschüsse. Darum geht es auch nicht weil die Therapie im Vordergrund steht und die Arbeitsanforderungen nicht mit denen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu vergleichen sind.
Für die Gläubiger (also auch bzgl. titulierter Forderungen von Opfern oder deren Hinterbliebenen) besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Pfändung. Das sog. Eigengeld eines Strafgefangenen, das durch Gutschriften vom Arbeitsentgelt gebildet wird, ist ohne Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 c, 850 f und 850 k ZPO pfändbar. Um seine persönlichen Bedürfnisse zu decken, steht einem Gefangenen dann immer noch das Hausgeld zu, welches nicht pfändbar ist.
5.
Die Justizvollzugsanstalten wollen mit ihren Aktivitäten im Bereich der Gefangenenarbeit nicht in den Wettbewerb mit örtlichen und regionalen Handwerksbetrieben bzw. mittelständischen Unternehmen treten. Im Vordergrund steht, dass die Justizvollzugsanstalten Unternehmen eine Alternative für eine Produktionsverlagerung ins Ausland bieten wollen. Da sich die Preise der Justizvollzugsanstalten an den Marktpreisen orientierten, wird sichergestellt, dass es nicht zu einem "verzerrten Wettbewerb" zwischen den Justizvollzugsanstalten und der heimischen Wirtschaft kommt. Nach Auskunft der Bayerischen Staatsregierung ist eine konkrete Aussage dazu, ob und ggf. wie viel günstiger ein Auftraggeber in den Justizvollzugsanstalten produzieren lassen kann, nicht möglich ist. Es würden angemessene Preise angeboten. Bei der Preisbildung für die Arbeit der Gefangenen wird nach den einschlägigen Vorschriften der Arbeitsverwaltungsordnung für die Justizvollzugsanstalten in Bayern (AVO) verfahren. Danach sind die Preise kaufmännisch zu berechnen und unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Gefangenenarbeit entsprechenden Marktpreisen anzupassen. Damit werden auch die Selbstkosten der Anstalt (Löhne der Gefangenen, ggf. Materialkosten, anteilige Personalkosten der zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung eingesetzten Justizvollzugsbediensteten, kalkulatorische Abschreibungen und kalkulatorische Zinsen sowie sonstige anfallende Kosten) abgedeckt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Gefangenenarbeit für Unternehmen auch Nachteile hat: die Arbeit in Justizvollzugsanstalten ist im Gegensatz zu den Verhältnissen in der freien Wirtschaft Einschränkungen ausgesetzt, so dass die Produktivität der Gefangenenarbeit bei Unternehmerbetreiben nur etwa 20 % des in der gewerblichen Wirtschaft erzielten Werts erreicht. Grund sind u.a. die Durchführung von anderen Resozialisierungsmaßnahmen oder Behandlungstherapien während der Arbeitszeit sowie der Umstand, dass keine Gewähr für die kontinuierliche Ausführung der Arbeiten übernommen werden kann. Leistungen von Arbeitsbetrieben der bayerischen Justizvollzugsanstalten werden derzeit für Unternehmer in unterschiedlichem Umfang ausgeführt, z.B. in München für 36 Unternehmen (z.B. Kuvertierung von Werbematerial mit versandfertiger Postabfertigung, Parkscheiben montieren und verpacken; verschiedene Behälter mit Etiketten bekleben; fehlerhafte Schrauben aussortieren) in Aichach für 56 Unternehmen(z.B. Labor- und Geschäftseinrichtungen, Paletten und Metallrahmen für Werkbänke herstellen), in Erlangen für 3 Unternehmen (z.B. Montage und Verpacken von Rahmen- und Isolierdorndübeln sowie Schutzbrillen), in Regensburg für 6 Unternehmen (z.B. Verpacken und Etikettieren von Kämmen und Haarschmuck) oder in Würzburg für 24 Unternehmen (z.B. Montage von Airbagmodulen, Spielwaren und Getriebebaugruppen).
Gefangene, die in Justizvollzugsanstalten Pflichtarbeit verrichten, müssen - wie bereits erläutert - keinen Haftkostenbeitrag leisten. Sie erhalten ein Arbeitsentgelts in Höhe von 9 % der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) (Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung) als Eckvergütung. Ergänzt wird diese monetäre Vergütung dadurch, dass die für die Gefangenen anfallenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vom Staat auf der Basis eines fiktiven Arbeitsentgelts von 90 % der Bezugsgröße entrichtet werden. Von den Bezügen der Gefangenen wird nur ein Betrag einbehalten, der dem Anteil der Gefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Bezüge als Arbeitnehmer erhielten. Arbeitende Gefangene sind auch in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogen. Hierfür werden von den Gefangenen keine Beiträge erhoben.
Die monetären Entgeltkomponenten werden durch nicht monetäre Leistungen ergänzt. So erwirbt der Gefangene durch die Arbeit einen Anspruch auf Freistellung, die auf Antrag u. a. durch bezahlten Urlaub aus der Haft oder Haftverkürzung gewährt werden kann.
Die durch dieses Kombinationsmodell erfolgende Gesamtvergütung steht nach Ansicht der Staatsregierung - gerade angesichts der geringeren Produktivität der Gefangenenarbeit - nicht in einem derart unausgewogenen Verhältnis zum objektiven Wert der Gefangenenarbeit, dass sie nicht mehr als angemessene Anerkennung für die geleistete Arbeit einzustufen wäre. Eine spürbare Erhöhung der Entlohnung - etwa durch die Einführung des Mindestlohns - würde, so die Staatsregierung, vor diesem Hintergrund sowie der Marktferne der Gefangenenarbeit diese für Unternehmen unattraktiv machen, zu einem Verlust an Arbeitsplätzen in den Justizvollzugsanstalten führen und damit letztlich dem Ziel der Resozialisierung zuwiderlaufen. Auch müsste dann geprüft werden, ob nicht auch arbeitende Gefangene einen Haftkostenbeitrag zu entrichten haben (Bruttoprinzip).
Für den Maßregelvollzug gilt: Auf die in der Arbeitstherapie beschäftigten untergebrachten Personen in den Maßregelvollzugseinrichtungen findet das Mindestlohngesetz keine Anwendung, da diese keine Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind. Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung unterliegen untergebrachte Personen, wenn sie einer entgeltlichen Außenbeschäftigung nachgehen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Streibl, MdL