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Florian Streibl
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Frage von Joachim H. •

Frage an Florian Streibl von Joachim H. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Streibl,

Sie sind Theologe und Rechtsanwalt.

Auch sah man Sie in einem Petitionsausschuß, in dem es um Eingaben wegen der internat. agierenden "Gesellschaft für Gerichts- und Rechtspsychologie" (GWG) ging, der seit langem u.a. unwissenschaftliche Praktiken vorgeworfen werden (z.B. ausführlich in einer Plusminus- Sendung 2001, Link 1) und die doch weiterhin von Familien- Richtern mit psychologischen Begutachtungen beauftragt wird.

Dagegen regt sich nun zunehmend Widerstand, weil besorgte Bürger, welche die Geschäftspraktiken dieser Organisation kennenlernten, offenbar Familien in Gefahr und Kinder in Not sehen (2).

Was sagen Sie als Theologe, Anwalt und MdL zu folgender Aussage des GWG- Chefs Salzgeber:

„Neue Wege, die NICHT UNBEDINGT den Vorgaben der ZPO entsprechen und den bisherigen Erfahrungen oder Gewohnheiten widersprechen, können nur im Miteinander beschritten werden.“ (Quelle: "Die psychologische Sachverständigentätigkeit im Familienrecht unter ökonomischen Gesichtspunkten" in "Familie, Partnerschaft und Recht" FPR 10/2003 (S. 559)).
Ich habe weitere Fragen:

Stimmt es denn, daß Sachverständige in Sorge- / Umgangsrechtsverfahren im Raum München, wo die GWG ihre Zentrale hat, nicht der Schweigepflicht gegenüber dem Jugendamt unterliegen?
Das behauptet ausgerechnet der Münchner Anwaltsverein (Punkt 14. in den "Leitlinien" bei Link 3).
In welchem Gesetz stünde das so? Was bespräche ein Dipl.- Psychologe hinter dem Rücken der Eltern mit - ihrerseits auch schweigepflichtigen - Jugendamtsleuten und wozu sollte das in der Sache theoretisch nützlich sein?
Passen solche Gespräche nach Ihrer Auffassung zu den Wertentscheidungen des GG und zu den gesetzlichen Aufgaben eines Jugendamtes (nach SGB VIII) und eines Sachverständigen?

Mit frdl. Gruß
J. Hinz

1) http://de.video.yahoo.com/watch/3232443/9123396
2) http://www.moehnle.eu/themen/familie.htm
3) http://www.muenchener.anwaltverein.de/Muenchner_Modell/Leitfaden_MueMo_08_12_08.pdf

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Antwort von
FREIE WÄHLER

Sehr geehrter Herr Hinz,

vielen Dank für ihre Fragen.

Die Äußerung von Herrn Salzgeber ist meiner Meinung nach sehr problematisch. Die gesetzlichen Vorgaben der Zivilprozessordnung sind natürlich stets einzuhalten.

Das Thema GWG wurde schon mehrmals im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz behandelt. Die Auswahl der Gutachter liegt jedoch im Ermessen des Gerichts. Aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit kann eine Überprüfung nur durch das nächst höhere Gericht erfolgen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung verbietet eine Beurteilung durch die Legislative oder Exekutive.

Bezüglich der Schweigepflicht von Sachverständigen gilt grundsätzlich, dass die Inhalte, die im Rahmen der Begutachtung bekannt werden, nicht an Dritte weitergeben werden dürfen. Dies gilt aber nicht, wenn das Gericht ein Gutachten in Auftrag gibt, an dem sich die jeweiligen Parteien beteiligen. Im Rahmen seiner Stellung als Helfer des Richters, teilt der Sachverständige dem Gericht die Ergebnisse des Gutachtens mit. Daneben können sich besondere Fallkonstellationen für den Sachverständigen ergeben, wenn ihm im Rahmen seiner Begutachtung schwere Schädigungen des Kindeswohls in Verbindung mit Straftaten bekannt werden.

Sie sprechen hier das sogenannte Münchner Modell an, welches entwickelt wurde um in Verfahren, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, Eltern in die Lage zu versetzen, selbst- und eigenverantwortlich möglichst rasch eine tragfähige Lösung ihres Sorge- und/oder Umgangsrechtsproblems zu finden. Dazu arbeiten alle beteiligten Funktionsträger (Rechtsanwälte, Sozialpädagogen des Jugendamtes, ggf. Mediatoren, Beratungsstellen und Sachverständige) in geeigneter Weise zusammen. Deshalb gilt die Schweigepflicht auch nicht gegenüber dem Jugendamt.

Der Leitfaden zum Münchner Modell finden Sie auch beim Amtsgericht München http://www.justiz.bayern.de/gericht/ag/m/daten/00641/index.php.

Wird dieses Verfahren gewählt, sind die im Leitfaden definierten Grundsätze zu beachten um zum Wohl des Kindes beschleunigt und friedlich zu einer Lösung zu kommen. Dieses Verfahren bietet sich natürlich nicht in allen Fällen an. Ich halte es aber grundsätzlich für eine sinnvolle Möglichkeit, schnellstmöglich eine für alle zufriedenstellend Lösung zu finden, die vor allen Dingen den Kindern zugutekommt."

Viele Grüße

Streibl, MdL

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