Frage an Florian Pronold von Dr. Hartmut M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Pronold,
ich habe mitbekommen, dass Sie einen Ausschluß von Wolfgang Clement befürworten. Sie sagten laut SWR 4- Baden-Württemberg: " Man solle Clement Otto Schily und Sarrazin gleich hinter her werfen". Stimmt die Darstellung dieses Senders? Wenn ja, so haben Sie meinen vollsten Respekt.
Ich bin 81 Jahre alt, noch nicht verkalkt, aber enttäuscht. Enttäuscht von einem Land, welches mir viele Perspektiven gab. Aber welches heute die sogenannten Globalisierungsverlierer, die Verlierer unserer Gesellschaft vom kulturellen und sozialen Leben m.E. ausschließt.
Hier meine konkrete Fragen:
1. Einer Ihrer SPD Kollegen, bezeichnet die Altersrenten hier als Sozialrenten. Können Sie ihm folgen?
Warum bitteschön, wird die Rente um 1,1% erhöht, zeitgleich aber die Pensionen um 2,2%.
Was daran soll sozialdemokratisch sein?
2. 345 Euro in 2003 sind 2008 nicht mehr 345 Euro. Die Inflation bei Nahrungsmitteln ist weit überdurchschnittlich. Warum gibt es nur 351 Euro für ALG II Bezieher? Die MwST-Erhöhung um 3% ( somit hat die SPD auch eines ihrer Wahlversprechen gebrochen), die Teuerungen bei Energie, Lebensmitteln usw. bedeuten, dass die ALG II real viel weniger als 2003 vorgesehen zur Verfügung haben.
3. Warum setzt sich die SPD nicht für flächendeckende Vergünstigungen für Geringverdiener, ALG II Empfängern und ärmeren RentnerInnen ein? Zu Beispiel beim Strom und beim öffentlichen Nahverkehr. Meines Erachtens sollte das nicht nach dem Alter gehen( z. B. Seniorticket).
4. Was wollen Sie gegen Lohndumping unternehmen? Ein ALG II Empfänger muss jeden Job annehmen. Das bedeutet aber oftmals Lohndumping. Zwar sind nur 30% unter ortsüblichem Tarif soviel ich weiß zumutbar. Aber wo es keinen Tarifvertrag gibt, und wenn die ALG II Empfänger Angst haben müssen, dass man vorschnell ihr Geld streicht, wird dieser auch Billig-Jobs annehmen.
Ich bin 81 Jahre alt. Aber seit den 1950er Jahren habe ich solche soziale Schieflagen- m.e. von der Agenda 2010 mitverursacht- nicht erlebt.
Sehr geehrter Herr Dr. Mayer,
vielen Dank für Ihr Schreiben, das ich gerne beantworte.
Frage 1: Einer Ihrer SPD Kollegen, bezeichnet die Altersrenten hier als Sozialrenten. Können Sie ihm folgen? Warum bitteschön, wird die Rente um 1,1% erhöht, zeitgleich aber die Pensionen um 2,2%. Was daran soll sozialdemokratisch sein?
Antwort:
Als Sozialrente wird die von der sozialen Rentenversicherung, Unfallversicherung oder Kriegsopferversorgung gezahlte Rente bezeichnet.
Mit der Übernahme des Tarifabschlusses für den Bund zum 1. Januar 2008 auf die Bundesbeamtenbesoldung erhöht sich automatisch die Bundesbeamtenversorgung, allerdings gemindert durch den sog. Riesterfaktor. Weil die prozentuale Anpassung in diesem Jahr höher sein wird als bei der gesetzlichen Rente, sehen viele eine Ungerechtigkeit. Das ist bei nüchterner Betrachtung der Tatsachen aber nicht begründet!
Die jährlichen Veränderungen weichen zwar wegen der jeweiligen Besonderheiten der unterschiedlichen Versorgungssysteme immer wieder voneinander ab. Über längere Zeiträume haben sich Rente und Beamtenversorgung aber bisher durchaus vergleichbar entwickelt. Aktuell verstärkt der Gesetzgeber die Rentenerhöhung, indem der sog. Riesterfaktor in der Rentenversicherung ausgesetzt, in der Bundesbeamtenversorgung aber im Jahr 2008 sogar zweifach angewandt wird. Außerdem sieht der Entwurf des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vor, dass bis Ende 2011 unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Versorgungssysteme zu prüfen ist, ob die bisherigen und künftigen Einschnitte in der Beamtenversorgung des Bundes ausreichen.
Letztmals wurde die Beamtenversorgung in den Jahren 2003 und 2004 prozentual erhöht, jedoch gleichzeitig ab dem Jahr 2004 mehrfach die Jahressonderzahlung gekürzt. Gegenwärtig erhalten die Versorgungsempfänger des Bundes noch 12,25 Monatsbezüge. Die Sonderzahlung selbst stellt keine Bevorzugung gegenüber den Rentnern dar, weil bei der Rentenberechnung alle beitragspflichtigen Bezüge, also beispielsweise auch „Weihnachtsgeld“ berücksichtigt werden. Die jährlichen Einmalzahlungen von jeweils 300 Euro, die die aktiven Bundesbeamten für die Jahre 2005 bis 2007 statt einer prozentualen Besoldungserhöhung erhielten, wurden auf die Versorgungsempfänger des Bundes nicht erstreckt. Im Ergebnis lag die Bundesbeamtenversorgung im Jahr 2007 um ca. 2,14 % unter den Beträgen des Jahres 2002, die gesetzliche Rente hingegen um ca. 1,59 % darüber. Die diesjährige Steigerung der Bundesbeamtenversorgung deckt also überwiegend einen Nachholbedarf ab.
An diesem Ergebnis ändert sich nichts durch die zusätzliche Belastung der Rentner ab 1. April 2004 durch den Wegfall des Beitragszuschusses zur Pflegeversicherung, weil die Pensionäre des Bundes durch einen Abzug in gleicher Höhe belastet werden.
Frage 2: 345 Euro in 2003 sind 2008 nicht mehr 345 Euro. Die Inflation bei Nahrungsmitteln ist weit überdurchschnittlich. Warum gibt es nur 351 Euro für ALG II Bezieher? Die MwSt-Erhöhung um 3% (somit hat die SPD auch eines ihrer Wahlversprechen gebrochen), die Teuerungen bei Energie, Lebensmitteln usw. bedeuten, dass die ALG II real viel weniger als 2003 vorgesehen zur Verfügung haben.
Antwort:
Der Regelsatz stützt sich, wie es die obersten Gerichte auch immer gefordert haben, auf empirische Erhebungen über den tatsächlichen Verbrauch der Bevölkerung. Die betreffende Studie, die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, wird derzeit alle 5 Jahre erhoben; mit der Auswertung der aktuellen Daten von 2008 wird 2010 zu rechnen sein. Die SPD möchte den Turnus auf 3 Jahre verkürzen, damit sich zukünftig Preissteigerungen schneller auf den Regelsatz auswirken.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales prüft derzeit auch die Ermittlung eines eigenständigen Kinderregelsatzes. Hierbei sollte eine stärkere Differenzierung nach Altersstufen einbezogen werden. Besonders dringend ist die bessere Abdeckung des Schulmittelbedarfs. Die von Schülerinnen und Schülern für den regulären Unterricht geforderte Ausstattung mit Schulmaterialien übersteigt häufig den im pauschalisierten Regelsatz vorgesehenen Betrag. Die SPD tritt daher für ein Schulmittelbedarfspaket für bedürftige Kinder ein, das pro Schuljahr in der Größenordnung von 100 Euro finanziert wird.
Frage 3: Warum setzt sich die SPD nicht für flächendeckende Vergünstigungen für Geringverdiener, ALG II Empfänger und ärmere RentnerInnen ein? Zum Beispiel beim Strom und beim öffentlichen Nahverkehr. Meines Erachtens sollte das nicht nach dem Alter gehen( z. B. Seniorticket).
Antwort:
Die SPD setzt sich für benachteiligte gesellschaftliche Gruppen ein: Stichwort Wohngelderhöhung: Zum 1. Januar 2009 steigt das Wohngeld; es wird von durchschnittlich 90 auf 142 Euro erhöht (+60 Prozent). Die Wohngelderhöhung ist ein wichtiger Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit, die vor allem Rentnern und Familien mit Kindern hilft. Mit der Einbeziehung der Heizkosten in die Wohngeldberechnung helfen wir über 800.000 Menschen in Deutschland.
- Seit 1998 verfolgt die SPD nach Einschätzung vieler Experten schon das richtige Konzept: Den Menschen bei der Verringerung des Energieverbrauchs zu helfen und die immer teurer werdenden endlichen Energieträger durch die preisstabilen erneuerbaren Energien zu ersetzen. Beispiele dafür sind das Förderprogramm für Gebäudedämmung und das weltweit gelobte Erneuerbare-Energien-Gesetz, durch das auch 250.000 neue Arbeitsplätze entstanden sind.
- Bis zum Beginn der Heizungsperiode im Oktober wird die SPD ein umfangreiches Konzept vorlegen, wie wir angesichts der steigenden Energiepreise unsere erfolgreiche Strategie ausbauen. Dazu gehören z.B. eine bessere Förderung der Dämmung von Mietwohnungen und Unterstützung beim Erwerb energiesparender Geräte.
- Die SPD will Familien und Menschen mit niedrigem Einkommen mit den steigenden Energiepreisen nicht alleine lassen. Lösungen könnten Sozialtarife in der Energieversorgung oder besondere Heizkostenzuschüsse sein.
- ÖPNV ist Ländersache: Berlin hat z.B. ein sog. Sozialticket.
- Erlass GEZ-Gebühren, Sozialtarife Telekom gibt es schon.
- Ärmere Rentner/innen: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wurde von der SPD eingeführt. Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wurde im Jahr 2003 eingeführt. Kernelement der Grundsicherung ist, dass das Einkommen von Kindern oder Eltern der Antragsberechtigten – anders als bei der Hilfe zum Lebensunterhalt – grundsätzlich nicht berücksichtigt wird, d. h. kein Rückgriff stattfindet. Der Anstieg von 439.000 Personen im Leistungsbezug der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung seit Einführung auf insgesamt rund 680.000 Personen Ende 2006 ist insbesondere der Aufdeckung verschämter Altersarmut und einer darauf ausgerichteten Informationskampagne geschuldet. Hinzu kommt ein neuer berechtigter Personenkreis von Eltern erwerbsgeminderter Erwachsener durch den Wegfall der Unterhaltsvermutung.
Frage 4: Was wollen Sie gegen Lohndumping unternehmen?
Antwort:
Wir kämpfen für die Einführung von Mindestlöhnen in Deutschland, denn "Menschen sind kein Schnäppchen" - so auch das Motto der Mindestlohn-Kampagne der BayernSPD ! Und entgegen der konservativen Propaganda zeigt ein Blick ins Ausland, dass der Mindestlohn das Wirtschaftswachstum nicht bremst. In fast allen EU-Staaten gibt es gesetzliche Mindestlöhne oder vergleichbare Regelungen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Pronold, MdB