Frage an Florian Pronold von Birgit D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Pronold,
mit Fassungslosigkeit habe ich gerade gelesen, dass Sie auch für die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt haben. Das ist ein Skandal. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass auch die SPD eine Tierquäler-Partei ist. Das ging schon mit dem Koalitionsvertrag los, indem sich die SPD gemeinsam mit CDU/CSU darauf geeinigt hat, Tierschützer, die in Ställe „einbrechen“ (um Missstände aufzudecken!), härter bestrafen zu wollen. Im September hat die SPD zusammen mit CDU/CSU zwei verschiedene Anträge von FDP und Grünen zu Verschärfungen bei Tiertransporten abgelehnt. Und nun diese unselige Fristverlängerung!
Genau dieses "Weiter-So-für-die-Wirtschaft-koste-es-was-es-wolle" ist der Grund dafür, dass der SPD die Wähler in Scharen weglaufen.
Bitte erläutern Sie mir Ihre ganz persönlichen Beweggründe, warum Sie dafür gestimmt haben, dieses qualvolle Prozedere beibehalten zu wollen.
Und kommen Sie mir nicht mit einer vorformulierten Textwüste von Ihrem SPD-Kollegen Rainer Spiering. Und auch nicht mit dem Totschlagargument Arbeitsplätze (ich weiß, eine makabre Wortwahl in Zusammenhang mit dem sensiblen Thema Tierschutz). Wenn Geschäftsgrundlagen ethisch nicht vertretbar sind und zu gesundheitlichen Gefahren von Mensch, Tier und Umwelt führen, dürfen Arbeitsplätze kein Argument mehr sein.
Mich interessiert wirklich, ob Sie als Politiker noch Empathiefähigkeit für andere Lebewesen haben, und wie Sie persönlich zum Thema Tierschutz stehen.
Mit freundlichen Grüßen,
B. D.
Sehr geehrte Frau Deter,
ich kann ihre Frustration nachvollziehen, hoffe aber mit dieser Antwort etwas Klarheit über den aktuellen Stand der Dinge schaffen zu können.
Seit dem Jahr 2013 herrscht in der Schweinehaltung Klarheit darüber, dass die Praxis der betäubungslosen Ferkelkastration gegen das Tierschutzgesetz verstößt. In der Folge einigte man sich mit allen Beteiligten darauf, das Vorgehen bis Ende des Jahres 2018 endgültig zu verbieten. Die dabei vorgeschlagenen Alternativmethoden Ebermast, Impfung und Isofluran-Narkose hatten also genug Vorlaufzeit, um in den Betrieben eingeführt zu werden. Leider weigerten sich nicht nur alle betroffenen Verbände und Einzelhändler, sondern auch das dafür zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft diesen Entschluss konsequent umzusetzen.
Stattdessen wurde ein weiterer Vorschlag, der sogenannte vierte Weg verfolgt. Dem Landwirt selbst solle es erlaubt werden, das Ferkel unter Lokalanästhesie zu kastrieren. Experten bestätigen, dass mit dieser Methode keine gezielte Schmerzausschaltung erreicht werden kann. Dies konnte und wollte weder die SPD, noch ich persönlich mittragen. Konfrontiert mit den Möglichkeiten einer überstürzten Umsetzung des Gesetzes oder einer Fristverlängerung von zwei Jahren, entschied die SPD-Bundestagsfraktion sich für die Fristverlängerung.
Dazu eine kurze Erklärung: Der gänzliche Verzicht auf eine Übergangsfirst hätte weitreichende Folgen für unsere Landwirtschaft und schlussendlich auch den Tierschutz gehabt. Zum einen muss der Ausstieg rechtskonform und endgültig gelingen. Juristische Fehler bei einer überstürzten Umsetzung würden eine Regelung zum angestrebten Ausstiegsdatum anfechtbar machen. Eine unnötige Verlängerung des Leides der Tiere wäre die Folge.
Zum anderen dürfen wir die Einwende gerade von kleinen und mittleren Betrieben nicht ignorieren. Die fehlende Abnahmegarantie der Schlachtbetriebe für geimpftes, statt kastriertes Fleisch barg das Risiko, gerade die Landwirte zu gefährden, welche sich den neuen Kastrationsmethoden verschrieben hätten.
Damit die Umsetzung nicht wieder auf die lange Bank geschoben wird, begleiten wir intensiv alle Prozesse der Übergangszeit:
1. Wir tragen Sorge für die Umsetzung der Tierschutzstandards von Neuland. Die Betäubung mittels Masken wird bis Ende 2020 praxistauglicher Standard sein.
2. Weiter Alternativen wie Ebermast und Impfungen sollen durch Informations- und Förderkampagnen des Bundes eine reale Chance am Markt erhalten.
3. Insbesondere kleine und mittlere Betriebe werden bei der Anschaffung von Narkosegeräten finanzielle Unterstützung erfahren.
4. Wir fordern den Lebensmitteleinzelhandel und die Schlachterunternehmen auf, endlich verbindliche Einigungen mit den Schweinehaltern zu treffen, was die Abnahme von Fleisch aus alternativen Kastrationsverfahren betrifft.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Pronold, MdB