Frage an Florian Pronold von Jay S. bezüglich Verkehr
Erhalt und Modernisierung;
Sehr geehrter Herr Pronold,
wie Sie wissen, müssten viele Straßen und Brücken modernisiert werden. Genauso ist es bei der Bahn bei Bahnhöfen, Schienen und Weichen.
Das Problem ist jedoch, dass gerade der Bereich Unterhalt von Infrastruktur über Jahre unter finanziert ist.
Gleichzeitig wurde das Geld in fehlerhafte Neubauprojekte, wie z.B. Stuttgart 21, Münchner 2.Stammstreckentunnel, A94 Isentalstrecke, So da Brücken http://de.wikipedia.org/wiki/Soda-Br%C3%BCcke gesteckt. Ja, Sie haben Recht die Projekte lassen sich nicht so vergleichen. Aber letztlich sind sie alle schlecht geplant gewesen und es gibt sinnvollere Alternativen.
Nun zu meinen Fragen an Sie für den Fall das Sie in die Regierung kommen:
1. Würden Sie Prioritäten von Neubau zum Erhalt und Unterhalt der Infrastruktur verschieben?
2. Wollen Sie innerhalb der Bahn der Bahn Netz mehr Unabhängigkeit und mehr Geld zur Modernisierung zur Verfügung stellen?
3. Trauen Sie sich zu, Neubauprojekte wie Stuttgart 21, Münchner 2. Stammstreckentunnel und die A94 zu stoppen und die sinnvolleren billigeren Alternativen zu unterstützen?
4. Wie wollen Sie erreichen, dass Neubauprojekte transparenter, mit den Bürgern und mit einer sicheren Finanzplanung geplant, beschlossen oder ggf. auch abgebrochen werden können.
Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung.
Mit freundlichen Grüßen
Scharff
Sehr geehrter Herr Scharff,
vielen Dank für Ihre Zuschrift und Ihre Fragen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode ein Konzept für eine moderne Infrastrukturpolitik erarbeitet. Dieses Konzept ist der Leitfaden für unser Regierungshandeln nach dem 22.September. Ausführliche Informationen dazu finden Sie auf der Homepage der SPD-Bundestagsfraktion: http://www.spdfraktion.de/node/11192
Zu Ihren Fragen:
Unser Land braucht einen Neuanfang in der Infrastrukturpolitik mit klaren Prioritäten und deutlich verbesserter Finanzausstattung. Wir wollen die Investitionsmittel im Verkehrshaushalt um 20 Prozent auf jährlich 12 Mrd. Euro erhöhen und damit 2 Mrd. € mehr als bisher für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stellen. Außerdem wollen wir die Lkw-Maut auf alle Straßen ausweiten und auch die Mehreinnahmen daraus - weitere rund 2 Mrd. € jährlich allein aus der Bemautung der Bundesstraßen - ohne Abstriche in Erhalt und Ausbau der Verkehrswege investieren. Wir wollen die Mittel für den Erhalt aufstocken. Konkret wollen wir ein Programm zur Sanierung der Bundesautobahnen mit Schwerpunkt Autobahnbrücken auflegen, die Finanzausstattung für den Erhalt der Schienenwege im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Schiene verbessern und die Instandsetzung der überalterten Schleusen an Flüssen und Kanälen mit hoher Netzbedeutung vorantreiben. Beim Aus- und Neubau muss die Beseitigung von Engpässen auf hochbelasteten Verkehrsachsen und Knoten Priorität haben. Hierfür werden wir ein „Nationales Verkehrswegeprogramm“ auflegen, in das 80 Prozent der Neu- und Ausbaumittel fließen.
Zur Frage nach der Bahn: Die unternehmerische Selbstständigkeit der Betriebssparten der Deutsche Bahn AG im Sinne der Bahnreform wird von uns ausdrücklich befürwortet. Auch ist es sinnvoll, dass die Bewirtschaftung des Netzes privatwirtschaftlich organisiert ist. Die Vorgaben für Kapazität, Ausgestaltung und Qualität des Netzes müssen hingegen vom Bund gesetzt werden. Er besitzt hierfür als Eigentümer des Netzes und Vertreter des Steuerzahlers die Richtlinienkompetenz. Denn das Schienennetz wird direkt (über Zuschüsse) oder indirekt (über Trasseneinnahmen im vom Bund mitfinanzierten Regionalverkehr) zum überwiegenden Teil vom Bund und damit vom Steuerzahler finanziert. Dieser muss daher auch darüber entscheiden können, wofür das Geld investiert wird. Der Bund muss zudem überprüfen, ob seine Vorgaben zur Ausgestaltung und Qualität des Netzes eingehalten werden. Schienenpolitik in Deutschland darf nicht mit der Unternehmenspolitik der Deutschen Bahn AG gleichgesetzt werden. Sie muss sich zwar am betriebswirtschaftlichen Rentabilitätskriterium orientieren, dabei aber zugleich ihrem volkswirtschaftlichen Auftrag gerecht werden, und der heißt: Aufrechterhaltung und Verbesserung der Infrastruktur, um möglichst viel Verkehr zu bezahlbaren Preisen auf die Schiene zu bringen und die Bedürfnisse der Bahnkunden - Fahrgäste wie verladender Wirtschaft - bestmöglich zu erfüllen.
Zu Ihren letzten beiden Fragen: Bei den von Ihnen angesprochenen Projekten ist die grundsätzliche Entscheidung gefallen. Ich gebe Ihnen allerdings recht, dass die Kosten im Rahmen bleiben müssen. Bei Neubauprojekten geht es grundsätzlich darum, dass die Bürgerinnen und Bürgern frühzeitig bei der bundesweiten Planung beteiligt werden. Denn bereits bei der Bundesverkehrswegeplanung und bei der Bundesnetzplanung entscheidet sich, ob ein Projekt gebaut wird oder nicht. In einer abgestimmten bundesweiten Planung der Energie- und Verkehrsnetze und einer frühzeitigen Einbeziehung der Öffentlichkeit bei dieser Planung sehen wir einen wesentlichen Schlüssel für einen effizienteren Infrastrukturausbau über die Ländergrenzen hinweg. Unser Ziel ist es, die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig in die Entscheidung einzubeziehen, wie zum Beispiel Infrastrukturtrassen konkret verlaufen und wie sie dimensioniert werden sollen. Dazu wollen wir der Planfeststellung ein verpflichtendes Vorverfahren mit öffentlichem Erörterungstermin voranstellen. Die bisherige Beteiligung bei der Planfeststellung kommt viel zu spät. Denn dann sind ja bereits alle wesentlichen Entscheidungen zum Trassenverlauf und zur Dimensionierung des Projekts alle gefallen. Wir erwarten hiervon eine Beschleunigung des anschließenden Planfestellungsverfahrens sowie eine bessere länderüberschreitende Koordinierung. Wir wollen weiter die Genehmigungsbehörden und öffentliche Planungsträger verpflichten, einen Bürgeranwalt einzusetzen. Er soll die Bürgerinnen und Bürger in allen Fragen der Beteiligung beraten und auf die Einhaltung der Beteiligungsrechtet achten. Wir wollen verbindliche Qualitätsstandards für die Bürgerbeteiligung festlegen, statt - wie es die schwarz-gelbe Koalition in ihrem Gesetz zur Planungsvereinheitlichung tut - die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in das Belieben der Behörden zu legen. Sämtliche Planungsunterlagen müssen der Öffentlichkeit per Internet wie auch durch Auslage an einem öffentlichen Ort zugänglich gemacht werden und alle Anhörungs-, Erörterungs- und Scopingtermine müssen öffentlich sein. Und Behörden sollen verpflichtet werden, Alternativvorschläge zu prüfen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Pronold