Frage an Florian Pronold von Werner G. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Pronold,
welche Argumente hätten Sie, die gegen die Einführung einer PKW-Maut sprechen würden ?
Wenn man hört, dass Milliardensummen fehlen, um die Strassen und Brücken zu sanieren, wäre es doch gerecht, diese Kosten von denen tragen zu lassen, die davon profitieren. Ich sehe mehrere Vorteile einer PKW- Maut:
1. würden durch Fahrgemeinschaften die Fahrten reduziert ( Ökologisch sinnvoll )
2. mehr Sicherheit auf den Autobahnen durch weniger Verkehr
3. würden auch die ausländischen Benutzer unseres Autobahnnetzes zur Kasse gebeten ( so wie wir im Ausland auch )
4. wäre eine gerechte Kostenaufteilung ( Vielnutzer, Wenignutzer )gewährleistet
5. hätte man immer noch die Möglichkeit, die Deutschen Autofahrer durch geringere KFZ-Steuern zu entlasten
Ich hatte diese Frage an Herrn Oppermann gestellt, der mich an Sie verwiesen hat.
Wie ist Ihre Einstellung dazu ?
Mit freundlichen Grüßen
Werner Griesenbrock
Sehr geehrter Herr Griesenbrock,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Pkw-Maut. Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen etwas ausführlicher antworte.
Die Befürworter einer Pkw-Maut, die insbesondere in den Reihen der CSU zu finden sind, erwecken den Eindruck, dass bei der Einführung einer Pkw-Maut nur ausländische Autofahrer zahlen würden. Deutsche Autofahrer sollen dadurch nicht belastet und dafür an „anderer Stelle“ entlastet werden. Diese Behauptung ist falsch. Dies musste sogar der stellvertretende Vorsitzender der CSULandesgruppe, Max Straubinger, in einem Beitrag in der Passauer Neuen Presse vom 10.01.2013 einräumen: „Geld für Straßen kommt nur rein, wenn der heimische Autofahrer zahlt“.
Der Anteil ausländischer Kfz auf deutschen Straßen wird überschätzt. Von 100 Autos sind gerade mal ganze fünf mit einem ausländischen Kennzeichen unterwegs. Der Eindruck in Urlaubszeiten auf grenznahen Autobahnen täuscht über die Ganzjahressituation hinweg. Mit dem Geld, das eingenommen werden könnte, wären gerade mal die Verwaltungskosten (Einrichtungs-, Unterhalts- und Verwaltungskosten für die Maut-Infrastruktur) gedeckt. In Österreich liegen diese Verwaltungskosten bei fast 9% der Pkw-Maut Einnahmen. Unterm Strich zahlen die ausländischen Pkw damit nur die Bürokratiekosten, mehr Geld von Ausländern für den Straßenbau bleibt da nicht.
Im Unterschied zu Autos verursachen Lkw massive Schäden an Straßen und Brücken. Ein Lkw schädigt eine Straße 60.000 Mal mehr als ein Pkw. Über 30% der schweren Lkw kommen aus dem Ausland und nutzen Deutschland als Transitland. Eine Ausweitung der Lkw-Maut ist deshalb der richtige Weg, weil so die Verursacher der Straßenschäden bezahlen müssen. Warum die CSU lieber die deutschen Autofahrer als die ausländischen LKW belasten will, kann ich nicht nachvollziehen.
In allen europäischen Ländern zahlen die Ausländer nur dann eine Pkw-Maut, wenn auch die Einheimischen entsprechend herangezogen werden. Für Deutschland bedeutet das, eine Maut wird zu 95% von den deutschen Autofahrern bezahlt. Was oft vergessen wird: Ausländische Kfz tanken auch in Deutschland und beteiligen sich damit indirekt über die Energiesteuer (früher: Mineralölsteuer) an den Kosten für den Straßenbau, der in Deutschland aus Steuermitteln bezahlt wird.
Das zentrale Argument der Pkw-Maut Befürworter ist die Behauptung, die Pkw- Maut könne so eingeführt werden, dass für die deutschen Autofahrer keine zusätzlichen Kosten entstehen. Diese Behauptung ist falsch. Eine Entlastung für deutsche Autofahrer über andere Steuern (z.B. die von Ihnen angesprochene Kfz- Steuer) ist europarechtlich unzulässig. Denn nach europäischem Recht dürfen Bürgerinnen und Bürger anderer EU-Staaten nicht anders behandelt werden als Deutsche. Dies belegt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.
Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf die Kleine Anfrage „Zukunft des Mautkonzeptes in Deutschland“ (Bundestagsdrucksache 17/11098 vom 19.10.2012) der SPD-Fraktion eingeräumt, dass Kompensationen für deutsche Autofahrer in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einführung einer Pkw- Maut bzw. Pkw-Vignette gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen. Mit anderen Worten: Eine Vignette oder eine Maut gibt es nur für alle oder für keinen. Die Melkkühe sind also wieder einmal besonders die Pendlerinnen und Pendler, die einen langen Weg zur Arbeit haben und auf ihr Auto angewiesen sind. Sie werden dafür bestraft, dass sie ihrer Heimat treu bleiben wollen und weite Wege zur Arbeit in Kauf nehmen.
Im übrigen: Wenn die Behauptung richtig wäre und es tatsächlich eine Entlastungsmöglichkeit für deutsche Autofahrer geben sollte, dann bleibt ja am Ende kein Geld für den Ausbau und Erhalt der Infrastruktur, denn die ausländischen Kfz alleine bringen kaum Geld ein, weil die Verwaltungskosten von rund 9% die Einnahmen von 5% ausländischer Pkws weitgehend auffressen.
In Ihrem Schreiben sprechen Sie die viele maroden Straßen und Brücken an, die dringend saniert werden müssen. Da haben Sie vollkommen Recht! Die aktuell zur Verfügung stehenden Mittel reichen dazu nicht aus. Verkehrsminister Ramsauer hat es in seiner vierjährigen Amtszeit nicht annähernd geschafft, genug Geld bereit zu stellen. Obwohl aus dem Verkehrssektor über die Zugdividende der Bahn und die Luftverkehrsabgabe 1,5 Mrd. Euro Mehreinnahmen generiert wurden, floss davon nur etwa ¼ in die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, ¾ wurden im Haushalt für Klientelgeschenke verbraten.
Jetzt soll nach den Vorstellungen von Minister Ramsauer und der CSU eine Pkw- Maut das notwendige Geld für den Straßenbau bringen. Welche Varianten einer Pkw-Maut kommen in Frage, um ansatzweise die erforderlichen Mittel zu erhalten? Die „Ausländer-Vignette“ ist europarechtlich nicht möglich und selbst wenn sie es wäre, brächte sie kaum Geld. Eine allgemeine Vignette für alle Kfz, ähnlich wie zum Beispiel in der Schweiz oder Österreich (Beispiel: 1 Jahr 100 Euro / 2 Monate 30 Euro / 10 Tage 10 Euro), bringt nach Berechnungen des ADAC einen Finanzierungsüberschuss von 600 Millionen Euro. Dies ist nicht ausreichend. Richtig viel Geld kann nur über eine streckenbezogene Maut (wie sie bereits bei den Lkw praktiziert wird) eingenommen werden. Der ADAC kommt in einer Beispielrechnung für eine Standardmaut (5 Cent je gefahrener Kilometer) zu dem Ergebnis, dass mit dieser Variante ein Betrag von 5,1 Mrd. Euro erwirtschaftet werden könnte. Bei einer durchschnittlichen Fahrleistung kämen damit Belastungen von 600 bis 700 Euro auf einheimische Autofahrerinnen und Autofahrer zu.
Wenn also der Erhalt unserer Verkehrsinfrastruktur über eine Pkw-Maut finanzieren werden soll, dann muss ehrlich gesagt werden, dass erstens die deutschen Autofahrer mit einbezogen werden müssen und zweitens nur eine für die Autofahrer sehr teure streckenbezogene Maut ausreichend Geld einbringt. In Ihrem Schreiben sprechen Sie mögliche Vorteile einer Pkw-Maut für die Umwelt und die Verkehrssicherheit an. Ich kann hier nur Nachteile erkennen, denn ähnlich wie bei der Lkw-Maut, wird es auch bei einer Pkw-Maut zu sogenannten Ausweichverkehren kommen, d.h. viele Autofahrer werden auf Bundes- und Landstraßen ausweichen. Die Folge wären Mautausweichverkehre: längere Wege, mehr Staus, deutlich mehr Verkehrstote, denn die Landstraße ist die gefährlichste Straße, sowie erhöhter Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß. Die Ausweichverkehre sorgen für zusätzliche Belastung durch Lärm und Schadstoffe der Anwohnerinnen und Anwohnern in vielen Ortsdurchfahrten und. Wohngebieten. Ökologisch gesehen ist jede Variante einer Pkw-Maut ungünstig: Eine Vignette kann als Flatrate fürs Vielfahren verstanden werden und schert darüberhinaus auch noch Spritfresser und sparsame Autos über einen Kamm. Eine streckenabhängige Maut führt – noch stärker als bei der Vignette – zu Ausweichverkehren mit den bereits beschriebenen negativen Konsequenzen.
Das Fazit: Die Einführung einer Pkw-Maut oder Vignette benötigt einen ungeheuren bürokratischen Aufwand, der in keinem Verhältnis zu den Einnahmen steht. Sie ist sozial ungerecht, weil sie vor allem diejenigen trifft, die in ländlichen Gebieten wohnen und einen langen Weg zur Arbeit haben. Sie ist auch ökologisch falsch, weil sie spritsparende Autos benachteiligt und darüberhinaus zu Ausweichverkehren mit den oben beschriebenen negativen Folgen führt. Eine Pkw- Maut bringt nur neue Probleme mit sich und ist letztlich nur ein Modell mit dem Autofahrerinnen und Autofahrer abkassiert werden.
Die SPD fordert für die Sanierung unsrer Infrastruktur eine belastbare Finanzierungsgrundlage.
Wir wollen deshalb deutlich mehr in die Verkehrsinfrastruktur investieren und zu diesem Zweck den Investitionsetat für die Bundesverkehrswege bis zum Jahr 2017 stufenweise auf mindestens 14 Mrd. € aufstocken. Diese Aufstockung soll durch Mittel des allgemeinen Haushaltes sowie durch eine Ausweitung der Nutzerfinanzierung durch LKWs im Bereich der Bundesfernstraßen erreicht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Pronold