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Frage von Krinner T. •

Frage an Florian Pronold von Krinner T. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Pronold,

mit Ihren vergangenen Abstimmungen zum Euro-Rettungschirm (26.10.2011, 29.09.2011 und 21.05.2010) haben Sie dem deutschen Steuerzahler ernorme Risiken aufgebürgt.

Der Garantierahmen des EFSF beträgt derzeit 726 Mrd. €, Deutschlands Haftungsanteil daran 29,07% = 211 Mrd. €. Der Garantierahmen des ESM soll 620 Mrd. € betragen, wovon auf Deutschland Bürgschaften in Höhe von bis zu 27,1% = 168 Mrd. € entfallen. Hinzu kommt eine Bareinzahlung der Euroländer von insgesamt 80 Mrd. €, wovon 22 Mrd. von Deutschland zu zahlen sind. Deutschlands Anteil an der Gesamthaftung des ESM beträgt mithin 190 Mrd. €.

Da beide Rettungsschirme (EFSF und ESM) zunächst (wie lange ist unklar) parallel laufen sollen, beläuft sich Deutschlands Haftung allein aus EFSF und ESM auf 190 + 211 = 401 Mrd. €, das sind etwa 5000 € pro Kopf der Bevölkerung.

Vergleicht man diese Zahlen mit den Haushaltsplänen des Bundes ( http://bund.offenerhaushalt.de/ ), so wird das Ausmaß noch deutlicher: Das Bundesministerium für Gesundheit (also das staatl. organisierte Gesundheitswesen) verschlingt im Jahre 2011 "lediglich" rund 16 Mrd. EUR. Schon jetzt sind bereits 23 Mrd. EUR schuldenwirksam in Deutschland (für Griechenland) zur Buche geschlagen.

Die Einschnitte sind hart, die Risiken enorm. Europa ist gespalten wie nie zuvor seit Beginn der europäischen Integration. In Deutschland müssen die Bürger in Zukunft auf vieles Verzichten (Schulden von heute sind die Steuern von morgen).

Deshalb meine Frage: Werden sie in den kommenden Wochen FÜR den ESM abstimmen und diese Entwicklung weiter tragen?

Können Sie die Beweggründe Ihrer Abstimmung den Bürgerinnen und Bürgern mitteilen?

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Krinner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Krinner,

Ihre Sorgen über die anhaltende Krise in Europa und die damit verbundenen Ängste kann ich sehr gut nachvollziehen. Um die jetzt anstehenden Entscheidungen zum ESM-Vertrag und zum Fiskalpakt einordnen zu können, gestatten Sie mir einen kurzen Rückblick. Seit dem Beginn der Staatsfinanzkrise vor über zwei Jahren hat die schwarz-gelbe Bundesregierung auf europäischer Ebene immer wieder blockiert und gezögert und so die Krise verstärkt und immer teurer gemacht. Die Vorschläge von Merkel (und dem damaligen französischen Präsidenten Sarkozy) zielten immer einseitig auf Kürzungen in den öffentlichen Haushalten ab und stellten keine nachhaltige Lösung der Krise dar. Ausgabenkürzungen allein führen nicht zu wirtschaftlicher Erholung und verschärfen zusätzlich die soziale Schieflage in vielen Ländern.

Die Strategie der schwarz-gelben Bundesregierung, immer nur gerade so viel in Gang zu setzen wie es die aktuelle Zwischenlage erforderte, d.h. mit anderen Worten „Zeit zu kaufen“, ist gescheitert. Die SPD hat von Beginn an eine umfassende und nachhaltige Lösung gefordert, analog zu der in Deutschland erfolgreichen Krisenbekämpfung nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008. Leider ist die Bundesregierung erst jetzt - nach dem massiven Druck in den gemeinsamen Verhandlungen - auf diesen Weg eingeschwenkt, d.h. die Maßnahmen über den ESM-Vertrag und die Fiskalunion sollen um eine dringend notwendige Wachstumskomponente ergänzt werden. Sie werden weiter begleitet durch eine - von der SPD seit einiger Zeit geforderten - Steuer auf Spekulationen (Finanztransaktionssteuer).

Der von Ihnen kritisierte permanente Rettungsschirm ESM wird den temporären Rettungsschirm EFSF ablösen und ist Ausdruck der innereuropäischen Solidarität. Selbstverständlich ist diese Solidarität keine Einbahnstraße. Die betroffenen Staaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und Schulden abbauen. Klare und strikte Bedingungen für Hilfsmaßnahmen, die Haushalte zu konsolidieren, sind unerlässlich. Aber ebenso wichtig ist es, Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Die Konsolidierung kann ohne wirtschaftliche Belebung nicht gelingen. Der ESM kann harte Auflagen und Bedingungen für die betroffenen Länder vereinbaren, aber auch Wachstum befördern, er kann notleidenden Staaten Darlehen gewähren oder deren Staatsanleihen aufkaufen. Hierfür stehen dem Rettungsschirm Garantien und Eigenkapital zur Verfügung. Der ESM trägt dazu bei, den Euro dauerhaft zu stabilisieren. Gerade Deutschland als Exportnation ist auf den Euro angewiesen. Der ESM hilft also nicht nur den angeschlagenen europäischen Staaten, sondern ist auch eine wichtige Hilfe für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland.

Bei den anstehenden Entscheidungen geht es auch um die grundsätzliche Frage, wie sich die europäische Integration in den nächsten Jahren weiterentwickelt. Ich bin davon überzeugt, dass wir angesichts der Herausforderungen einer immer stärker globalisierten Welt nicht weniger, sondern mehr Europa brauchen. Nur mit einer starken Europäischen Union wird Deutschland in Zukunft wirtschaftlich und politisch eine Rolle spielen. Nur wenn es uns gelingt Europa zu stabilisieren, können wir Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland dauerhaft sichern.

Mein Abstimmungsverhalten zum ESM-Vertrag und insbesondere zum Fiskalpakt mache ich davon abhängig, ob es gelingt Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung in Europa zu vereinbaren. Darüber hinaus ist es für mich unverzichtbar, dass die Verursacher der Krise - Banken und Spekulanten - über eine Finanztransaktionssteuer zur Kasse gebeten werden. Es muss auch Schluss damit sein, dass Banken zu Lasten von Staaten und Steuerzahlern saniert werden, ohne dass es zu einer durchgreifenden Regulierung und zur Vorsorge für künftige Krisen kommt.

Mit freundlichen Grüßen

Florian Pronold