Frage an Florian Pronold von Reinhard L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Pronold,
zu dem kürzlich vorgestellten Wahlprogramm der SPD habe ich folgende Fragen:
1.
Das Programm sieht einen Einkommensteuertarif vor, der bei etwa 52.000/104.000 € (Ledige/Verheiratete) einen Steuersatz von 42 % erreicht und dann bis 125.000/250.000 € unverändert bleibt. Danach soll die sog. "Reichensteuer" mit einem Steuersatz von 47 % greifen.
Weshalb ist die SPD nicht für einen durchgehenden, gleichmäßig ansteigenden Tarif, der bei 125.000/250.000 € den Höchstsatz von 47 % erreicht?
2.
Einkünfte aus Kapitalvermögen werden nach dem von der SPD mitbeschlossenen Gesetz zur Abgeltungssteuer - abweichend vom allgemeinen Tarif - mit höchstens 25% besteuert. Das Wahlprogramm sieht hier keine Änderung vor.
Macht die SPD sich nicht unglaubwürdig, wenn sie einerseits eine "Reichensteuer" fordert, andererseits aber die Einkunftsart, die nun einmal die "Reichen" am meisten betrifft, massiv begünstigt und damit das immer wieder von ihr beklagte Auseinanderdriften von Arm und Reich beschleunigt?
3.
Wieso sieht das Programm keine Korrektur bei der soeben in Kraft getretenen Erbschaftssteuer vor? Nach ihrer eigenen Darstellung ist die SPD doch im Kompromisswege zu Regelungen gezwungen worden, die sie nicht haben wollte. Weshalb strebt sie nicht an, dies zu korrigeren?
Will die SPD es z. B. dabei belassen, dass die Millionenvilla in unbegrenzter Höhe freigestellt ist?
Will die SPD z.B. auf dem eigenartigen Familienbild beharren, wonach Geschwister so weit entfernte Verwandte sind, dass man sie gleich wie völlig Fremde behandeln kann?
Mit frdl. Gruß
R.Ley
Sehr geehrter Herr Ley,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Entwurf des Regierungsprogramms der SPD, über den auf dem Bundesparteitag am 14. Juni 2009 beraten entschieden werden wird. Gerne beantworte ich Ihre diesbezüglichen Fragen:
ad 1.) Das Programm sieht einen Einkommensteuertarifverlauf vor, der bei einem auf 10 Prozent reduzierten Eingangssteuersatz beginnt und bei 52.882/105.764 Euro (Ledige/Verheiratete) einen Steuersatz von 42 % erreicht. Ab 125.000/250.000 Euro soll der Steuersatz 47 % betragen.
Folge eines durchgehend ansteigenden Tarifverlaufs wäre eine progressive Belastung auch der Einkommen zwischen 52.882 und 125.000 Euro anstelle der proportionalen mit 42 %. Damit würden insbesondere auch Personenunternehmen mit einem mittleren Umsatz betroffen werden. Der Steuersatz von 47 % soll lediglich sehr hohe Einkommen von Einzelpersonen und Unternehmen treffen. Er ist als "Reichensteuer", und eben nicht als allgemeiner Höchstgrenzsteuersatz eines progressiven Tarifs ausgestaltet, um insbesondere für (Personen-)Unternehmen ein im internationalen Rahmen konkurrenzfähiges Steuerumfeld zu bieten.
ad 2.) Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen der Abgeltungssteuer in Höhe von 25 %, die eine Abkehr vom bisher geltenden Grundsatz einer steuerlichen Gleichbehandlung sämtlicher Einkunftsarten bedeutet. Damit werden alle, die einen höheren persönlichen Steuersatz haben, in Bezug auf ihre Kapitaleinkünfte entlastet. Diesen Vorteil für die Bezieher hoher Einkommen sehe auch ich sehr kritisch. Die SPD hat dennoch für die Abgeltungssteuer gestimmt, denn: Ein Blick auf die tatsächliche Besteuerungspraxis hat gezeigt, dass von einer gleichmäßigen Besteuerung der Kapitaleinkünfte im Vergleich zu den anderen Einkunftsarten nicht gesprochen werden kann. Insbesondere bei im Ausland zufließenden Kapitaleinkünften bestanden schwerwiegende Besteuerungslücken, die auch durch erhöhte Anstrengungen im Steuervollzug nicht geschlossen werden konnten. Durch die kontinuierliche Verlagerung von Kapitalvermögen ins Ausland (wegen geringerer Besteuerung der Kapitaleinkünfte dort)sind diese Besteuerungslücken immer größer geworden. Die pragmatische Entscheidung, Kapitaleinkünfte abgeltend an der Quelle zu besteuern, wirkt dem Kapitalabfluss entgegen und sorgt für ein höheres Maß an Gleichbehandlung als bisher.
Mit anderen Worten: viele Reiche haben ihre Kapitaleinkünfte nicht in ihren Steuererklärungen angegeben und sie so komplett der Besteuerung entzogen. Der Höchststeuersatz brachte hier keinen cent Steuereinnahmen. Mit dem Quellenabzug in Höhe von 25 % werden nun aber alle Kapitaleinkünfte erfasst. Auch und gerade die Reichen können sich so nicht mehr der Besteuerung entziehen, wenngleich mir persönlich ein höherer Abgeltungssatz lieber gewesen wäre.
Steuerpflichtige, deren persönlicher Steuersatz unter 25 % liegt, können
- zu ihrem Vorteil - die Veranlagung ihrer Einkünfte aus Kapitalanlagen wählen. Wir halten es für besser und gerechter, lieber 25 % von etwas zu besteuern als 47 % von nichts! Deshalb halten wir an der Abgeltungssteuer fest.
ad 3.) Das Regierungsprogramm wird auf dem Parteitag am 14. Juni 2009 beraten und beschlossen werden. Ich gehe davon aus, dass es zur Erbschaftsteuer entsprechende Anträge aus den Gliederungen geben wird. Diese werde ich auch unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Pronold