Frage an Florian Bernschneider von Frank R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Bernschneider,
mit Niedersachsen haben die CDU/FDP nun 12 Landtagswahlen und 5 Ministerpräsidenten am Stück verloren. Wohl zu Recht, da das Programm der CDU/CSU und FDP sehr unsozial ist. In dieser Zeit ging die Schere zwischen reich und arm deutlich weiter auseinander. Wäre es nun nicht endlich ein gutes Signal sich als soziale Partei zu profilieren und als Anfang den Contergangeschädigten ihre Rente deutlich zu erhöhen?
Nachdem 1970 das Verfahren gegen das Pharmaunternehmen Grünenthal eingestellt wurde ist der Bund offiziell zum Schuldner geworden. Auf Drängen der Contergan-Verbände haben die Fraktionen selbst die Heidelberger Studie 2008 in Auftrag gegeben, um die Nöte der Conterganopfer zu ergründen. Die Heidelberger Studie zeigt hier eine dramatische Unterversorgung der Opfer des Conterganverbrechens auf und empfiehlt unter anderem eine deutliche Erhöhung der Conterganrente!
Denke Sie nicht auch, dass es hier mit einer simplen Verdoppelung der Conterganrente – wie dies vor den letzten Bundestagswahlen geschehen ist – nicht getan ist, sondern dass geklotzt und nicht gekleckert werden muss, um den Conterganopfern endlich die Unterstützung zukommen zu lassen die ihnen zusteht?
Außerdem betrachte ich mich nicht nur als deutscher Staatsbürger, sondern ganz besonders als europäischer Bürger.
Wäre es hier deshalb nicht endlich angebracht die Conterganrenten unserem europäischen Nachbarn England und Italien anzugleichen die über das DREIFACHE der deutschen Conterganopfer erhalten?
Und sollten die deutschen Conterganbehinderten nicht ebenfalls endlich unabhängig von Vermögen und Einkommen und egal ob sie noch arbeiten können wie ihre englischen Nachbarn ohne wenn und aber Umbauten für KFZ und Wohnung erhalten?
Sind Sie sich darüber im Klaren, dass die Conterganverbände auf keinen Fall Ruhe geben werden wenn die deutschen Conterganrenten nicht mindestens einem europäischen Standard angeglichen werden?
Mit freundliche Grüßen
Frank Rawiel
Sehr geehrter Herr Rawiel,
es wird Sie nicht überraschen, dass ich mit Ihrer Analyse nicht übereinstimme. Das Programm von CDU/CSU und FDP ist alles andere als unsozial. Der von Ihnen angesprochene Armutsbericht wird zwar im Volumen immer umfangreicher, aber deswegen gibt es nicht mehr Armut in Deutschland.
Fakt ist, dass die Jugendarbeitslosigkeit sich in den letzten 10 Jahren halbiert hat. Die Arbeitslosigkeit liegt nicht mehr, wie unter Rot-Grün, bei 11, sondern bei unter 7 Prozent. Heute sind über 200.000 Kinder weniger von Hartz IV betroffen als unter Rot-Grün und wir haben seit dem letzten Jahr mehr Lehrstellen als geeignete Bewerber in Deutschland. All dies sind Erfolge, an denen Schwarz-Gelb entscheidenden Anteil hat. Die Armut in unserem Land ist nicht größer, sondern kleiner geworden. Wir haben in der Krise auf Steuererhöhungen verzichtet, die Wirtschaft gestärkt und durch unsere Konsolidierungspolitik das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und unseren Staat erhalten. Das Ergebnis sind Rekordbeschäftigung, das erste Mal seit Jahren Überschüsse in den Sozialkassen und die Aussicht auf einen strukturell ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2014. All dies hat Schwarz-Gelb erreicht, nicht Schwarz-Rot und nicht Rot-Grün. Daher würde es mich freuen, wenn Sie diese Fakten berücksichtigen würden. Was an unserer Politik, angesichts der von mir genannten Zahlen, unsozial sein soll, müssten Sie daher schon näher erläutern. Ich kann Ihnen aber vorab sagen, dass soziale Gerechtigkeit mehr bedeutet, als über die Höhe von Sozialleistungen und Mindestlöhne zu diskutieren - wie es meine Kollegen von Rot-Grün tun.
In Ihrem Schreiben haben Sie auch die Frage der Contergan-Renten angesprochen. Hier möchte ich Sie gerne darauf aufmerksam machen, dass bereits im Januar 2009 der Deutsche Bundestag den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP zur “Sicherstellung einer angemessenen und zukunftsorientierten Unterstützung der contergangeschädigten Menschen” beschlossen hat (BT-Drucksache 16/11223). Dieser enthielt auch den Auftrag, die Lebenssituation der Betroffenen wissenschaftlich zu untersuchen und darzulegen, welche politischen Handlungsmöglichkeiten ergriffen werden müssen, um die Situation der Geschädigten zu verbessern. Problem war, dass es keine verlässliche Datenlage gab, aufgrund derer weitergehende zielgenaue Hilfen bereitgestellt werden konnten.
Mit dieser Untersuchung wurde das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg unter Federführung von Prof. Andreas Kruse beauftragt. Der endgültige Abschlussbericht wurde zum Jahresende 2012 vorgelegt. Das zuständige Familienministerium prüft zurzeit die Empfehlungen und wird nach der Vorlage des Endberichts entscheiden, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.
Der Bundestagsausschuss für Familie, Senioren Frauen und Jugend, dem ich angehöre, hat unlängst beschlossen, diesen Bericht in einer Sachverständigenanhörung am 01. Februar 2013 zu erörtern. Zu dieser Anhörung wurden 10 Sachverständige geladen. Zu den Sachverständigen gehören zahlreiche Contergangeschädigte von den Betroffenenverbänden, die Stiftungsvorsitzende, Frau Antje Blumenthal, der Verfasser des angesprochenen Berichtes, Prof. Andreas Kruse, sowie der auf Conterganschäden spezialisierte Mediziner Dr. Jürgen Graf. Die Anhörung wird öffentlich stattfinden, d. h. alle Interessierten sind herzlich als Zuhörer willkommen.
Sie können an dem gemeinsamen oben genannten Antrag der drei Fraktionen erkennen, dass die überwiegende Mehrheit des Parlamentes über die Parteigrenzen hinweg ein gemeinsames Vorgehen wünscht. Bündnis 90/Die Grünen hatten sich leider am Ende der Verhandlung - ohne Streit innerhalb des Teilnehmerkreises - entschieden, den Antrag nicht gemeinsam mit den anderen Fraktionen ins Parlament einzubringen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das schwere Schicksal der Contergangeschädigten vielen Parlamentariern sehr nahe geht und der Wille, mit fraktionsübergreifenden Initiativen zu Verbesserungen zu gelangen, ungewöhnlich hoch ist. In den Koalitionsfraktionen herrscht nach meinem Dafürhalten bei den Fachpolitikern Einigkeit darüber, dass weitere Verbesserungen bei den Contergangeschädigten dringend notwendig sind. Da das parlamentarische Verfahren jedoch noch läuft und die abschließenden Empfehlungen des zuständigen Bundesministeriums noch ausstehen, bitte ich Sie um Verständnis, dass ich derzeit keine Aussagen dazu treffen kann, ob und in welcher Höhe die Contergan-Renten erhöht werden können.
Ich werde mich auch weiterhin persönlich dafür einsetzen, dass es hier zu Verbesserungen kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Bernschneider