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Florian Bernschneider
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Frage von Thomas Z. •

Frage an Florian Bernschneider von Thomas Z. bezüglich Wirtschaft

Guten Tag Herr Bernschneider,

vielen Dank für Ihre Antwort.
Ihre Antwort hat bei mir neue Fragen aufgeworfen:

Sie schrieben:
"Ein solches Instrument kann gar nicht anders als ebenfalls zentral ausgestaltet sein."
=> Das macht es aber noch lange nicht richtig, sondern zeigt im Gegenteil die zentralistische Tendenz. Wenn Sie sich als freiheitlich bezeichnen (entnehme ich mal der Parteizugehörigkeit), können Sie doch einer zentralen Steuerung nur "feindlich" gegenüberstehen, oder?
Des weiteren suggerieren Sie mir im ersten Satz, dass das Problem sei, dass die einzelnen Staaten noch zu viele Freiheiten gegenüber der EU hätten. Auch das ist ein unfreiheitlicher Gedankengang, oder nicht?

Sie schrieben:
"Der ESM ist zwar ein solidarisches, aber mitnichten ein sozialistisches Instrument."
=>Das sehe ich vollkommen anders. Ich werde als Bürger gezwungen Geld abzugeben, mit dem etwas finanziert wird, was mir nicht passt. Wo ist hier die Solidarität?
Was die "EU" anrichtet, wenn Sie meint einem Land "helfen" zu müssen ist wohl bekannt (siehe Griechenland), ich bezeichne dies als Sozialismus, weil es rein politisch, nicht aber mit ökonomischem Sachverstand gesteuert wird und wurde.

Sie schrieben:
"Stimmt der Bundestag nicht zu, muss der Finanzminister als Mitglied des Gouverneursrats sein Veto dagegen einlegen."
=> Im Vertrag sind mehrere verschiedene Mehrheiten zur Beschlussfassung festgelegt. Daher wird die eine Stimme nicht immer verhindern können, was nicht gewollt ist. Auch gibt es eine art "Notstandsklausel", bei der auch keine Einstimmigkeit nötig ist. Als "Notstand" kann alles mögliche deklariert werden.

Sie schrieben:
"Zudem ist er dem Haushaltsausschuss des Bundestages zu umfangreichen Auskünften verpflichtet, bei denen er sich nicht auf seine im ESM-Vertrag verankerte Schweigepflicht berufen kann."
=> Soweit ich weiß sticht Völkerrecht das Länderrecht, somit ist zweifelhaft ob der BFM überhaupt Auskunft geben darf. Woher haben Sie die gegenteilige Information?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Zink,

gerne beantworte ich auch Ihre neuen Fragen und bitte um Nachsicht, falls meine ersten Antworten nicht in der nötigen Klarheit ausgefallen sein sollten.

Stichwort Zentralismus: Ein gemeinsamer Währungsraum braucht gemeinsame Institutionen - das ist allein schon technisch gar nicht anders möglich. In jedem Währungsraum dieser Welt finden Sie beispielsweise eine Zentralbank, die für den jeweiligen Währungsraum zuständig ist.

Ebenso verhält es sich mit dem ESM. Die aktuelle europäische Staatsschuldenkrise zeigt deutlich, welche Risiken aus dem haushaltspolitischen Fehlverhalten einzelner Mitgliedsstaaten für andere europäische Staaten erwachsen können. Deswegen ist es richtig und notwendig:

1) Mit den strengen Auflagen und Sanktionen des Fiskalpaktes dafür zu sorgen, dass zukünftig ein solches Fehlverhalten einzelner Staaten nicht mehr entstehen kann.

2) Mit dem ESM einen Stabilitätsmechanismus zu etablieren, der eine notwendige Stabilität in Europa sicherstellt. Übrigens halte ich die Instrumente des ESM auch deswegen für notwendig, um bei mangelnder Reformbereitschaft überschuldeter Staaten unkalkulierbare Kettenreaktionen und Ansteckungsgefahren auf andere Länder zu verhindern. Der ESM ist für mich am Ende auch ein Teil der nötigen „Brandmauer“, die uns erst die Freiheit gibt, auch Fehlverhalten und mangelnden Reformwillen tatsächlich zu sanktionieren. Gäbe es einen solchen Stabilitätsmechanismus nämlich nicht, wäre man auch bei Vertragsbruch einiger Staaten immer wieder abhängig zu helfen, weil man ansonsten durch die Turbulenzen einer unkontrollierten Insolvenz eines Staates an den Kapitalmärkten Ansteckungsgefahren auf andere Staaten fürchten müsste.

Stichwort Sozialismus: Es ist richtig, dass die Mittel für den ESM aus dem Bundeshaushalt und damit letztlich aus Steuergeldern der Bürger bereitgestellt werden. Gerade deshalb haben wir Liberale durchgesetzt, dass jede Hilfszahlung unter strikten Parlamentsvorbehalt gestellt wird. Lieber Herr Zink, ich kenne Ihre persönliche Situation nicht und kann daher nicht beurteilen, warum Ihnen die Einrichtung des Stabilisierungsmechanismus nicht passt. Dennoch bleibe ich dabei: Deutschland und die überwiegende Mehrzahl seiner Bürger haben maßgeblich von der gemeinsamen Währung profitiert und stehen darum auch in der Verantwortung, in schlechten Zeiten einen Teil zur Stabilisierung dieser gemeinsamen Währung beizutragen. Natürlich ist Solidarität keine Einbahnstraße, das haben wir Liberale immer wieder betont und deshalb stets darauf bestanden, dass die Vergabe der ESM-Mittel an die strikte Einhaltung des Fiskalpakts gebunden ist. Ich hoffe sehr, dass Sie dieses Verständnis von Solidarität teilen können.

Was im übrigen die Politik der Griechenland-Hilfe angeht: Wie Sie sicher wissen, werden die Reformen und die daran geknüpften Hilfsgelder für Griechenland von der Troika aus IWF, Weltbank und EU begleitet. Ich bezweifle nicht, dass es hier an ökonomischem Sachverstand fehlt. Dass es in Griechenland weiterhin massive Probleme gibt, ist leider in erster Linie auf den mangelnden Reformwillen der dortigen Politik zurückzuführen.

Stichwort Gouverneursrat: Die meisten Abstimmungen im Gouverneursrat müssen mit qualifizierter Mehrheit erfolgen, d.h. mindestens 80% der Stimmen müssen einem Beschluss zustimmen oder sich zumindest enthalten. Da Deutschland aufgrund seines Einlagekapitals einen Stimmenanteil von rund 27% hat, kommt der Bundesrepublik faktisch ein Vetorecht zu. Ein Notstand muss zuvor von EU-Kommission und EZB erklärt worden sein, Eilabstimmungen im Rahmen eines solchen Notstands erfordern sogar eine qualifizierte Mehrheit von 85% der Stimmen (siehe Artikel 4 Nr. 4 ESM-Vertrag). Die Abstimmungsmodalitäten können also nicht wie von Ihnen dargestellt nach Belieben oder je nach Situation verändert werden.

Stichwort Schweigepflicht: Die Regelung zu den Auskunftspflichten des Finanzministers finden sich im neuen § 7 Abs. 9 des ESM-Finanzierungsgesetzes. Dort heißt es klar: „Die von Deutschland oder vom deutschen Gouverneur ernannten Vertreter im ESM dürfen sich gegenüber einem Auskunftsverlangen des Deutschen Bundestages sowie seiner Ausschüsse und Mitglieder nicht auf die Schweigepflicht nach Art. 34 des ESM-Vertrages berufen“. Darüber hinaus wurde für die Auskunftsersuchen durch den Haushaltsausschuss sogar eine Minderheitenrecht verankert, d.h. es genügt bereits das Votum eines Viertels der Abgeordneten aus mindestens zwei Fraktionen, um den Finanzminister in den Ausschuss zu laden.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Florian Bernschneider