Frage an Florian Bernschneider von Michael L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Bernschneider,
Sie haben am 29.6.12 sowohl für den Fiskalpakt als auch für ESM gestimmt.
Wenn ich Ihnen glauben soll (Ihre Antwort an H. T. vor ca. 4 Wochen) handele es sich bei Leistungen aus ESM "nur" um Kredite, obwohl Sie als Betriebswirt eigentlich auch den Kreditausfall kennen dürften, aber hinsichtlich des Fiskalpaktes möchte ich Ihnen doch folgende Frage stellen: mit dem Fiskalpakt soll eine sog. Schuldenbremse eingebaut werden. Warum ist Ihnen klar (mir überhaupt nicht), dass diese Schuldenbremse eine bei fast Null liegende Neuverschuldung nach sich ziehen wird, wenn nach meinem Kenntnisstand die Neuverschuldung in 2012 über 20 Mrd liegen wird, warum also soll ein "Sparwunder mit Strafzetteln aus Brüssel" (finanziert aus Steuergeldern) ernst zu nehmen sein?
Ihr Abstimmungsverhalten wird doch langsam unglaubwürdig, solange Sie nicht sehen, dass diese Regierung schon längst eine Neuverschuldung im einstelligen Mrd-Bereich planen konnte.
Mit freundlichem Gruß
M.Langer
Sehr geehrter Herr Langer,
in der Tat wurden die europäischen Stabilitätskriterien in der Vergangenheit 68 mal von den Mitgliedsstaaten gerissen und damit missachtet. Zu tatsächlichen Sanktionen kam es dabei allerdings kein einziges Mal, weil eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten nie bereit war, entsprechende Sanktionen auszusprechen. Auch Deutschland ging in dieser Zeit wahrlich nicht mit gutem Beispiel voran. Von 2000 bis 2009 legte Deutschland gerade einmal zwei Haushalte vor, die den Stabilitätskriterien und damit einer Neuverschuldung unter drei Prozent des BIP entsprachen. Aus dieser Perspektive kann ich Ihre Skepsis also durchaus verstehen, dass durch den Fiskalpakt nun alles anders und besser werden soll als in der Vergangenheit.
Aus meiner Sicht sprechen dennoch zwei zentrale Gründe dafür:
1) Die Verankerung der Schuldenbremsen: Der Fiskalpakt sieht eine Verankerung der Schuldenbremse in den nationalen Verfassungen vor, wie eben auch die deutsche Schuldenbremse im Grundgesetz verankert ist. Gegen diese in der Verfassung verankerten Defizitgrenzen zu verstoßen, wird also wesentlich schwieriger als bisher.
2) Die automatischen Sanktionen: Anders als in der Vergangenheit müssen sich nicht erst Mehrheiten bilden, um Sanktionen zu beschließen. Die Sanktionen werden zukünftig automatisch ausgesprochen, wenn sie nicht durch Mehrheit verhindert werden. Diese Umkehr des bisherigen Verfahrens stellt meines Erachtens sicher, dass zukünftig endlich Gebrauch von Sanktionen gemacht wird, wenn Länder die Defizitkriterien nicht einhalten.
Sie kritisieren außerdem die Neuverschuldung der Bundesrepublik. Ich gebe Ihnen Recht, dass es unser Ziel sein muss, die deutsche Neuverschuldung so schnell wie möglich auf Null zurückzufahren. Deswegen habe ich bereits im März mit anderen Abgeordneten der FDP ein Positionspapier verfasst, dass die Bundesregierung dazu auffordert, noch in dieser Legislaturperiode einen ausgeglichenen Haushaltsentwurf vorzulegen. An diesem Ziel hält die FDP fest und wird sich in den anstehenden Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen.
Trotzdem bitte ich auch den bisherigen Konsolidierungskurs der schwarz-gelben Koalition nicht zu unterschätzen. Im Jahr 2011 betrug die Neuverschuldung 1% des BIP, in 2012 ist eine Neuverschuldung von 0,5% geplant und im Jahr 2013 soll die Neuverschuldung auf 0,35% des BIP sinken. Damit halten wir nicht nur die lange Zeit von Deutschland missachteten Maastricht-Kriterien (Neuverschuldung von maximal 3 Prozent des BIP) ein, sondern bereits 2012 die Auflagen der im Fiskalpakt verankerten Schuldenbremse und 2013 die grundgesetzliche Schuldenbremse, die eigentlich erst ab 2016 einzuhalten ist.
Nach fast einem Jahrzehnt ständig neuer Schulden und Haushaltsplänen, die von den Stabilitätskriterien (egal ob nun 3% oder - wie im Fiskalpakt vorgesehen - 0,5%) weit entfernt waren, kann man guten Gewissens festhalten, dass wir endlich für ein Umdenken in der Haushaltspolitik der Bundesrepublik gesorgt haben. Ich gebe Ihnen Recht, dass dieser Weg haushaltspolitischer Vernunft auch schnell wieder gefährdet sein kann, wenn andere Mehrheiten die Bundesrepublik regieren. Die Tatsache, dass SPD und Grüne der Meinung sind, man könne eine Verschuldungskrise allein mit schuldenfinanzierten Wachstumspaketen und einer europäischen Vergemeinschaftung von Schulden lösen, zeigt diese Gefahr leider sehr deutlich. Dies ist für uns Liberale ein Grund mehr, für eine breite gesellschaftliche Zustimmung zu einer nachhaltigen Finanzpolitik zu werben.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Florian Bernschneider