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Florian Bernschneider
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Frage von Christian Dr. F. •

Frage an Florian Bernschneider von Christian Dr. F. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Bernschneider,

derzeit gehen die Bilder von der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe durch alle Medien. Dieser Katastrophe ist überlagert die "Störfälle" in den Kernkraftwerken von Fukushima. Diese Katastrophe, die in ihren langfristigen Auswirkungen die Naturkatastrophe vielleicht weit hinter sich lassen wird, zeigt auf exemplarische Weise, wie unkontrollierbar die Nutzung der Kernenergie ist. Ist doch durch ein auch in dieser Stärke erwartbares Erdbeben nicht nur ein Reaktor außer Kontrolle geraten - was man zur Not noch als Verkettung unglücklicher Umstände werten könnte -, sondern gleich drei - die als erdbebenfest gepriesen wurden.
Sie haben mit Ihrer Stimme für die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke mit dazu beigetragen, uns, unser Land und unsere Kinder einem ähnlichen Risiko auszuliefern. Einem zwar in der Eintrittswahrscheinlichkeit kleinem Risiko, aber einem, dessen Eintrittsfolge die Unbewohnbarkeit großer Landstriche und der Tod Tausender von Menschen sein wird.
Ich möchte gerne von Ihnen wissen, was sie nach dem Beweis der Unkontrollierbarkeit dieser Technologie tun werden, um uns diesem Risiko nicht länger auszusetzen. Wie wollen Sie eine kurzfristige Abschaltung der alten, hochrisikobehafteten KKWs (Zeithorizont Tage bis Wochen) und eine endgültige Abschaltung der restlichen KKWs in einem überschaubaren mittelfristigen Zeitraum (Zeithorizont wenige Jahre) erreichen?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Dr. Frerichs,

zunächst einmal bitte ich Sie um Entschuldigung, dass ich Ihnen erst heute auf Ihre Frage antworte.

Die Bilder, die uns in den letzten Tagen und Wochen aus Japan erreicht haben, sind für uns alle eine Zäsur. Es wäre unverantwortlich, angesichts dieser Ereignisse einfach zum politischen Tagesgeschäft überzugehen.

Obwohl die Folgen wie auch die genauen Ursachen der Schäden an den betroffenen japanischen Kernkraftwerken noch nicht absehbar sind, ist für mich schon heute klar, dass wir die Sicherheit unserer eigenen Kernkraftwerke angesichts dieser Katastrophe neu bewerten müssen. Die Sicherheit der Anlagen war immer Grundlage für meine und unsere Entscheidung zum Betrieb der deutschen Kernkraftwerke. Die Ereignisse in Japan zeigen uns, dass dort offensichtliche Fehleinschätzungen bezüglich der Sicherheit der Kernkraftwerke stattfanden. Ich fände es anmaßend, wenn wir deswegen nicht auch unsere Sicherheitsvorschriften überprüfen würden. Es wäre nicht zu verantworten, wenn eine solche Überprüfung und deren Bewertung von der politischen Angst beeinflusst würden, dass ich persönlich oder die christlich-liberale Koalition eine Fehleinschätzung eingestehen müssten.

Die Bundesregierung hat deswegen schnell und konsequent gehandelt und ein dreimonatiges Moratorium erlassen. Diese drei Monate werden wir dazu nutzen, die technischen Standards sowie die Sicherheitseinschätzungen für die deutschen Kernkraftwerke zu überprüfen. Bei allen bisherigen Unglücken bei der Nutzung der Kernenergie handelte es sich um menschliches Versagen oder technische Fehler in der Anlage selbst. Zum ersten Mal mussten wir nun auf schmerzliche Weise den Einfluss von Naturgewalten auf Kernkraftwerke erleben. Es ist also selbstverständlich, dass wir nun prüfen müssen, ob unsere Sicherungsmaßnahmen bisher ausreichend auf solche externen Schocks ausgerichtet sind. Die Katastrophe in Japan gibt dazu einige Anhaltspunkte und wirft Fragen auf wie: "Wie lange könnten deutsche Kernkraftwerke ohne externe Stromversorgung sicher laufen?" oder "Sind die Kühlsysteme und Notstromaggregate auch bei Hochwasser betriebsbereit?" Diese Überprüfung findet zurzeit statt.

Die drei Monate sind aber auch eine politische Bedenkzeit. Ich habe dem Betrieb der Kernenergie nie deswegen zugestimmt, weil ich keinerlei Risiken sehe. Vielmehr war es und ist es ein Spannungsverhältnis mehrerer Herausforderungen: Ein sofortiger Verzicht auf die Kernenergie ohne entsprechende Alternativen der Energiegewinnung bedeutet, dass wir den Strom aus anderen Ländern und damit anderen Kernkraftwerken importieren müssten oder, dass wir Kohle- und Gaskraftwerke stärker als bisher nutzen müssten. Der Import von Kernenergie aus dem Ausland wäre wohl weder nachhaltig noch würde er unsere Sicherheit steigern. Eine zusätzliche Nutzung fossiler Brennstoffe würde unseren ehrgeizigen Klimazielen widersprechen. Dabei halten uns Umweltkatastrophen auf der ganzen Welt immer wieder vor Augen, dass wir alles Mögliche tun sollten, um einen weiteren Klimawandel zu vermeiden. Gleichzeitig müssen wir die Kosten von Energie berücksichtigen, die am Ende auch darüber entscheiden, ob Menschen in Deutschland einen Arbeitsplatz haben oder nicht. Sie werden mir wohl zustimmen können, dass es sich in diesem Spannungsverhältnis jeweils um reale Gefahren für unsere Umwelt und unseren Wohlstand handelt. „Ich hätte nie geglaubt, dass in einem Land wie Japan, parallel in sechs Reaktorblöcken, diese Anlagen außer Kontrolle geraten.“, hat Jürgen Trittin in einer entsprechenden Debatte im Deutschen Bundestag gesagt und ich kann ihm darin nur zustimmen. Deswegen scheint es auch notwendig, in dem oben geschilderten Spannungsverhältnis erneut über die weitere Nutzung der Kernenergie zu diskutieren. Schon heute steht für mich politisch fest, dass ich keinem Konzept zustimmen werde, dass nach der Diskussion so aussieht, wie es vor den Bildern aus Japan aussah.

Eine zentrale Rolle dabei wird spielen, wie schnell wir einen Umstieg in regenerative Energien erreichen können. Denn die regenerativen Energien sind der einzige Lösungsweg, das genannte Spannungsverhältnis bestmöglich aufzulösen. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu: Deswegen hat die christlich-liberale Koalition mit den zusätzlichen Einnahmen aus der Verlängerung der Kernenergie das größte Programm zur Stärkung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz aller Zeiten auf den Weg gebracht, um wirklich einen Ausweg aus der Kernkraft aufzuzeigen. Nun stehen wir vor der Frage, wie sich dieser Weg weiter beschleunigen lässt. Jahrelange Planungsverfahren beispielsweise für den Ausbau wichtiger Energietrassen sind nicht länger hinnehmbar, Pumpwasserspeicher dürfen nicht länger wegen der Interessen Einzelner blockiert werden. Aber auch die offenen Fragen der erneuerbaren Energien müssen in dieser Abwägung eine Rolle spielen. Bei einer wachsenden Weltbevölkerung darf die deutsche Antwort nicht lauten: Tank gegen Teller. Und auch auf europäischer und internationaler Ebene müssen wir auf eine entsprechende Diskussion drängen. Zu den nötigen Fragen gehört dabei sowohl, was mit anderen Kernkraftwerken innerhalb Europas passiert wie auch z.B. die Frage, ob wir Solarenergie nicht eher in der Sahara als in Hamburg oder Berlin fördern sollten.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Florian Bernschneider