Frage an Florian Bernschneider von Dieter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Bernschneider,
viele Mitglieder und Sympatisanten der FDP sind der Meinung, das Herr Gauck der eindeutig bessere Kandidat für das Bundespräsidentenamt sei. Hier unten sieht man ganz deutllich, das Frau Merkel eine eindeutige Interessenpolitik bevorzugt und mit dem Ministerpräsidenten von unserem Land einen gefälligen Mitarbeiter ins Amt hiefen möchte. Können Sie sich vorstellen, der Parteivorgabe und den "Wünschen" der Kanzlerin entgegen eine Abstimmung im Sinne ihrer Wähler im Wahlkreis durchzuführen und Herrn Gauck wählen? Demokratie darf kein Selbstläufer der Regierung sein..
Lieben Gruß aus Niedersachsen
Dieter Schneider
Wolfenbüttel
Sehr geehrter Herr Schneider,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Bundespräsidentenwahl vom 11. Juni 2010, auf die ich hiermit Bezug nehme.
Als Mitglied des Bundestages und somit auch der Bundesversammlung entscheide ich natürlich nach meinem Gewissen, denn nur diesem bin ich verpflichtet. Demnach fällt meine Wahl auf Christian Wulff, den ich am 30. Juni mit meiner Stimme unterstützen werde. In letzter Konsequenz geht es weniger um das Zustandekommen der Kandidatur oder eine mutmaßlich angenommene Motivation der Bundeskanzlerin, sondern vielmehr um die persönliche Eignung des Kandidaten. Und darüber wird meiner Ansicht nach viel zu wenig diskutiert.
In Niedersachsen war und ist Herr Wulff ein hervorragender Ministerpräsident. In seiner Amtszeit hat er es geschafft, ein produktives Klima zwischen den Koalitionsfraktionen herzustellen, das die Grundlage für viele zukunftsweisende Entscheidungen der Landesregierung gebildet hat. Seine unaufgeregte und sachliche Art mag zwar für die Medien als wenig sensationell und damit unattraktiv erscheinen. Ein Bundespräsident aber muss gesellschaftliche Debatten anstoßen und mit durchdachten Beiträgen bereichern können, ohne dabei populistisch zu werden. Es gibt auch eine breite Fülle an Themen, die diskutiert werden müssen - beispielsweise die Ausrichtung der Finanz- und Wirtschaftspolitik vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise, die uns weiter beschäftigen wird, oder die Frage, wie wir angesichts des demographischen Wandels den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und die Potentiale des Alters stärker nutzen können. Gleichzeitig sollte sich ein Bundespräsident in tagespolitischen Diskussionen eher zurückhalten, denn zur aktiven Gestaltung der Politik wird vom Volk schließlich der Deutsche Bundestag direkt gewählt. Ich glaube, dass Herr Wulff innerhalb dieses Spannungsfeldes, auch aufgrund seiner großen politischen Erfahrung, wichtige Akzente setzen wird.
Auch Herr Gauck hat sich, vor allem um die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit, um die Bundesrepublik verdient gemacht. Dies möchte ich keinesfalls in Abrede stellen. Als Zeichen für die deutsche Einheit wäre es aber vielleicht sinnvoller gewesen, ihn vor zehn Jahren für dieses Amt zu nominieren. Die damalige rot-grüne Mehrheit in der Bundesversammlung entschied sich seinerzeit für Herrn Rau. Ebenso gibt mir eine Äußerung von Herrn Gauck am 19. März 2010 auf der Frankfurter Buchmesse zu denken, als er auf die Frage, ob er noch einmal für eine öffentliche Funktion zur Verfügung stünde, antwortete: „Also ich bin jetzt 70 und das wäre ein Armutszeugnis für jede große Institution, wenn sie die 70-jährigen reaktivieren müsste. Also ich würde sagen, ich lasse mich in Ehrenämter rufen, aber wohl schwerlich in ein Hauptamt.“
Ich bin überzeugt, dass Christian Wulff ein bürgernaher und geschätzter Bundespräsident sein wird. Dass er als unkritische Marionette der Kanzlerin in die Geschichte eingehen wird, kann ich mir nicht vorstellen. So wie ich ihn kenne wird sein Verantwortungsgefühl dafür zu groß sein.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Bernschneider