Frage an Florian Bernschneider von Witoslaw K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Bernschneider,
früher konnte man gekaufte Bücher und CDs kaufen, verkaufen und sogar tauschen oder schenken. Heute kauft man eBooks und mp3s. Auf einmal wird man für die gleichen Transaktionen verfolgt, mit Dieben oder Räubern verglichen.
Werden Sie sich dafür einsetzen, daß auch im digitalen Zeitalter das Tauschen und Schenken wieder möglich wird? Wie möchten Sie das mit dem Wunsch der Content-Industrie vereinbaren, die den Bürgern ihre Rechte zu nehmen möchte, um alte Geschäftsmodelle fortführen zu können?
Mit freundlichen Grüßen,
Witoslaw Koczewski
Sehr geehrter Herr Koczewski,
vorab möchte ich mich für Ihre Frage zum Urheberrecht bedanken. Ich bitte um Ihr Verständnis, dass die Beantwortung Ihrer Frage etwas mehr Zeit als gewöhnlich in Anspruch genommen hat.
Das Thema „Urheberrecht in der Informationsgesellschaft“ ist meines Erachtens ein zentrales, aber auch sehr schwieriges, das viele Menschen umtreibt. Dies hat die schwarz-gelbe Koalition erkannt. Deshalb haben wir in unserem Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir eine Reform des Urheberrechtes mit einem Dritten Gesetz zur Regelung des Urheberrechtes in der Informationsgesellschaft („Dritter Korb“) in Angriff nehmen werden.
Im Zuge der letzten Novelle des Urheberrechtes („Zweiter Korb“) hat der Gesetzgeber u.a. die Privatkopie, z.B. von CDs, als Ausnahmetatbestand, wenn diese nicht durch einen Kopierschutz geschützt werden, zugelassen. Dies hatte ganz praktische Gründe: Die Befugnis zur Herstellung von Privatkopien dient nicht einem höherrangigen rechtlichen Interesse der Nutzer. Die Gestattung der Privatkopie hat ihren Grund stattdessen darin, dass es dem Gesetzgeber nicht sinnvoll erschien, ein seinerzeit ohnehin nicht zu kontrollierendes privates Verhalten zu verbieten und redliche Nutzer unnötig zu kriminalisieren. Der Urheber erhält als Ausgleich für die Privatkopie eines pauschale Vergütung. Werden die CDs aber einfach ins mp3-Format umgewandelt und in einer Tauschbörse online gestellt, können sich tausende unbekannte Nutzer aus der ganzen Welt eine Kopie dieser Dateien herunterladen. Es ist einleuchtend, dass in diesem Fall nicht mehr von einer "Privatkopie" für den engen Freundeskreis gesprochen werden kann. Allerdings sollte es meines Erachtens bei digitalen Medien, die auf legalem Weg erworben wurden, möglich sein, sich mittels Sicherheitskopien gegen Totalverlust durch eine Beschädigung des Speichermediums/PCs zu schützen.
Für die Koalition besteht kein Zweifel, dass das Urheberrecht an die rasante technologische Entwicklung der Massenmedien angepasst werden muss. In diesem Zusammenhang müssen eine ganze Reihe schwieriger Fragen geklärt werden. Dabei wird sich die FDP dafür einsetzen, dass wir bei der anstehenden Reform mit Augenmaß vorgehen und zu einem fairen Interessenausgleich zwischen Urhebern, Verwertern und Konsumenten/Verbrauchern kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Bernschneider