Frage an Filiz Polat von Stephan L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Polat,
wie ich durch die heutige Fernsehliveübertragung durch den Fernsehsender "Phoenix" erfahren habe, gab es im Bundestag eine Debatte über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. https://www.youtube.com/watch?v=ewphh4c3BKY Der AFD Abgeordnete Rene Springer sagte in seiner Rede, dass die Zahl der ausländischen arbeitslosen Altenpflegekräfte in den letzten acht Jahren um 64% gestiegen ist. Ich habe diese Aussage von Herrn Springer nach dem Wahrheitsgehalt überprüft https://www.welt.de/politik/deutschland/article191986117/Fachkraeftemangel-Zahl-der-auslaendischen-Altenpfleger-ohne-Job-steigt.html. Darüber hinaus ging Herr Springer auf das Thema Lohndumping ein und sagte, dass Asylbewerber aus den "Top 8 Asylherkunftsländern" der Lohnunterschied bei ausgebildeten Fachkräften im mittel 1055,00€ weniger pro Monat verdienen. Über das Thema Lohngefälle deutscher und nichtdeutsche Fachkräfte habe ich die Aussagen von Herrn Springer ebenfalls nach dem Wahrheitsgehalt hin überprüft https://www.welt.de/politik/deutschland/article189829797/Gehaltskluft-zwischen-Deutschen-und-Auslaendern.html. Meine Frage hierzu: Wie bewerten Sie diese Fakten und was für konsequenzen lassen sich daraus ableiten? Über eine Rückmeldung Ihrerseits würde ich mich sehr freuen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
S. L.
Sehr geehrter Herr L.,
gerne möchte ich Ihnen auf Ihre Fragen antworten. Dabei lohnt es sich einen genaueren Blick auf die Zahlen zu werfen. In dem von Ihnen zitierten Weltartikel, wird sich auf gezielt abgefragte Zahlen bei der Bundesregierung berufen, die auf eine Kleine Anfrage der AfD zurückzuführen sind (Drucksache 19/8499). Allerdings ist die Darstellung der Zahlen meiner Meinung nach sehr problematisch, da stets von absoluten Zahlen gesprochen und nicht berücksichtigt wird, dass die Gruppe der Betroffenen aus den acht Hauptherkunftsländern, die maßgeblich für den Anstieg der Zahlen verantwortlich sind, zwischen 2010 und 2018 selbst stark gewachsen ist. Um einen Anstieg der "arbeitslosen Altenpfleger" von 2010 bis 2018 zu begründen, wäre es also erforderlich diese ins Verhältnis zu setzen. Eine pauschale Aussage mit Inhalt über die Fachkräfteentwicklung im Altenpflegebereich lässt sich daher allein anhand der angeführten Zahlen nicht treffen.
Als grüne Bundestagsfraktion setzen wir uns dafür ein, auch Menschen, die aus Drittstaaten kommen und bereits hier sind, den Zugang zu Beschäftigung zu erleichtern. Nicht nur im Altenpflegebereich ist das für uns Grüne bereits des längeren ein Thema. Daher setzen wir uns für mehr Rechtssicherheit und den Zugang zu Integrationskursen für alle Geflüchteten unabhängig von Herkunftsstaat und Aufenthaltsstatus ein. Unsere Ideen haben wir in einem eigenen Einwanderungsgesetz zusammengefasst und in dieser Legislaturperiode dem Gesetzentwurf der Großen Koalition als Alternative gegenübergestellt. Sollte Sie dies weiter interessieren, können Sie sich dazu unter folgendem Link informieren: https://www.gruene-bundestag.de/integration-fluechtlingspolitik/deutschland-braucht-ein-einwanderungsgesetz-06-06-2019.html.
Wie unter weiterhin geltender Rechtslage, sieht unser Gesetzentwurf die Beibehaltung der Prüfung der Gleichwertigkeit der Arbeitsbedingungen und des Lohns durch die Bundesagentur für Arbeit vor, um ein Lohndumpingsystem zu unterbinden. Statistische bestehende Unterschiede müssen auch hier genauer betrachtet werden. So beeinflusst zum Beispiel die Seniorität in Deutschland z.B. maßgeblich die Höhe des Gehalts (also längere Beschäftigung = höhere Gehaltsstufen) und hier ist die Altersstruktur von Beschäftigten aus Drittstaaten (in der Regel jünger bei betroffenen Berufen) zu berücksichtigen. Allerdings setzen wir uns als Grüne darüber hinaus selbstverständlich dafür ein, dass bestehende Unterschiede, die auf Niedriglohnbeschäftigung bis hin zu Ausbeutung zurückzuführen sind, so weit wie möglich zu verringern sind, um faire Bedingungen für alle Arbeitnehmer*innen, unabhängig ihrer Herkunft, zu gewährleisten. Mir persönlich ist es dabei wichtig, dass wir nicht Arbeitnehmer*innen aufgrund ihrer Herkunft gegeneinander ausspielen, sondern uns auf die tatsächlichen Missstände konzentrieren. So sind von Ausbeutung und Zwangsarbeit überdurchschnittlich oft Migrant*innen betroffen und auch die neuen Regelungen in der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung führen zu einer geschwächten Rechtsposition der Betroffenen gegenüber den Arbeitgeber*innen.
Deutschland ist Einwanderungsland - das ist Fakt. Daher ist es aus meiner Sicht richtig, dies als Chance zu sehen und sich intensiv mit den Fragen auseinanderzusetzen, wie wir dieses gestalten, um Potentiale nutzen zu können und Menschen Perspektiven zu geben.
Mit freundlichen Grüßen
Filiz Polat