Frage an Figen Izgin von Jörg K. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Izgin,
Pressemeldungen zufolge planen Bund und Länder Gebühren für Sozialgerichtsverfahren einzuführen. Betroffene sollen zukünftig eine Grundgebühr von 75 € vor Einleitung eines Verfahrens zahlen. Wenn ihnen diese Zahlung nicht möglich ist, können sie zwar Prozesskostenhilfe beantragen, müssen diese jedoch mit 50 € kofinanzieren. Die Folge wäre, dass insbesondere Erwerbslose zunächst einmal tief in die Tasche greifen müssten, ehe sie die Möglichkeit hätten sich gerichtlich gegen fehlerhafte Alg II-Bescheide oder fragwürdige Leistungskürzungen zu wehren. Denjenigen, für die die Sozialgerichtsbarkeit eingeführt wurde, nämlich für die materiell schlechter gestellten Bürger und Bürgerinnen, soll offenbar die Möglichkeit versperrt werden, gegen Entscheidungen staatlicher Stellen den Rechtsweg zu beschreiten. Was halten Sie von diesen Plänen? Halten Sie es für legitim und mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, der Überlastung der Sozialgerichte damit zu begegnen, Erwerbslose durch hohe Kosten abzuschrecken?
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Klitscher
Sehr geehrter Herr Klitscher,
vielen Dank für Ihre Frage. In der Tat hat das Land Baden-Württemberg eine Gesetzesinitiative eingereicht, nach der auch Empfänger von ALG II künftig Vorkosten in Höhe von bis zu 255 Euro in der dritten Instanz tragen müssen. Verfahren sollen dem Entwurf zufolge erst nach der Zahlung des Betrages eröffnet werden. Ich bin der Auffassung, dass diese Gesetzesänderung der soziale Rechtsstaat weiter geschwächt würde. Betroffene hätten kaum noch Chancen, sich beispielsweise gegen falsche Bescheide oder Behördenwillkür zu wehren. Angesichts der hohen Zahl fehlerhafter Bescheide gerade bei Hartz IV wäre dies eine katastrophale Regelung. Ihre Einschätzung, dass der Sinn der Sozialgerichtsbarkeit durch diese geplante Regelung torpediert wird, teile ich daher ausdrücklich. Aus diesem Grunde halte ich es nicht für legitim, der Überlastung der Sozialgerichte dadurch zu begegnen, dass man sozial Benachteiligten Menschen de facto die Möglichkeit nimmt, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Stattdessen sollt die Bundesregierung die Kürzung der Mittel für die Rechtspflege rückgängig machen. Derzeit gibt der Staat für das Justizwesen pro Bürger nur etwa 3,50 Euro aus. Weniger als für eine Pizza. Die Linke.PDS jedenfalls wird sich diesem Gesetzesvorhaben im Bundestag wie im Abgeordnetenhaus mit allen Möglichkeiten entgegenstellen.
Mit freundlichen Grüßen
Figen Izgin