Frage an Felix Rösel von August W. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Abgeordneter / Bewerber um das Mandat
die letzte Frage vor der Wahl - das Thema heute:
DDR -> ein Rechtsstaat? / DDR -> ein Unrechtsstaat? / DDR -> ein STASI-Staat / DDR ein SED Staat?
Was sind die Fakten?
Die SED hatte die (ihre) „Führende Rolle in die Verfassung der DDR geschrieben / die Staatssicherheit war „Schild und Schwert“ der Partei. In dem Namen dieser Struktur wurden über 10.000 Menschen aus dem „grenznahen Raum entfernt“ – sie wurden zermürbt und vertrieben. Bürger der DDR wurden am verlassen des Landes gehindert – es war Pflicht für den „Grenzer“ von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Kinder sollten zum „Sozialistischen Menschenbild“ erzogen werden. Funktioniert hat das alles nur – weil so viele „mitgemacht haben“. Wie stehen Sie zu diesen Aussagen?
Sehr geehrter Herr Wilhelm,
herzlichen Dank für Ihre wirklich schwierige und umfangreiche Frage. Ich möchte selbstverständlich versuchen, sie umfassend zu beantworten.
Klare Antwort zuerst: Das Staatsgebilde der DDR war für mich eindeutig das eines Unrechtsstaats.
Um dennoch etwas weiteres gleich voranzustellen: Davon strikt zu trennen sind die individuellen Biographien und Leistungen einer jeden Bürgerin oder eines jeden Bürgers der damaligen DDR. Die DDR ist Teil der (zu einem keinen Stück auch meiner eigenen) persönlichen Geschichte; mit Freud, Leid, Arbeit, Liebe und Familie - die ganz unabhängig jedes Staates bestehen. Diesen ganz individuellen Aspekt möchte ich aber in den nachfolgenden Beschreibungen ausblenden und die reine, nüchterne Staatsorganisation betrachten.
1. Zu einem Rechtsstaat gehört die Achtung und der Schutz der Menschenrechte. In der DDR wurden bis zur friedlichen Revolution 1989/1990 Menschen- und Grundrechte weder geachtet noch geschützt, sondern mit den Füßen getreten. Die Ausreisebeschränkungen und folgend die Tötung mehrerer hundert Flüchtlinge, die Foltermethoden in den Stasi-Gefängnissen, die nicht im Ansatz vorhandene Presse- und Meinungsfreiheit, das undemokratische Wahlverfahren und der Wahlbetrug sowie Überwachung und Bespitzelung durch das MfS seien nur exemplarisch genannt.
2. Zu einem Rechtsstaat gehört Gewaltenteilung zwischen den Staatsgewalten (Gesetzgebung/vollziehende Gewalt/Rechtsprechung) und auf verschiedenen Ebenen (Bund/Länder). Diese bestand in der DDR bisweilen auf dem Papier, aber nicht in der Realität. Der Föderalismus wurde faktisch 1952 abgeschafft, eine Trennung der Staatsgewalten bestand schon aufgrund des Einflusses der SED zu keiner Zeit.
3. Zu einem Rechtsstaat gehört Rechtssicherheit. In der DDR gingen in der Praxis Parteibeschlüsse und -weisungen der SED den formal vom Parlament beschlossenen Gesetzen vor. Damit war staatliches Handeln oftmals willkürliches Handeln ohne sichere Grundlage. Beispielhaft sei hier die dokumentierte "Absegnung" und Änderung richterlicher Urteile durch den Staatsratsvorsitzenden Honecker genannt. Damit wurde eben nicht formales Recht durchgesetzt, sondern der Wille einzelner Personen.
Ich könnte diese Liste für alle tragenden Prinzipien unseres heutigen demokratischen Staates der Bundesrepublik fortsetzen, will aber noch politische Gründe anführen, um einen klaren Unterschied zwischen meinem Demokratieverständnis und den Verhältnissen in der DDR herauszustellen.
1. In einer Gesellschaft bestehen eine Vielzahl von Meinungen. Einen guten Teil davon teile ich nicht. Dennoch setze ich mich mit aller Kraft dafür ein, dass jede Bürgerin und jeder Bürger seine Meinung in unserem Land äußern darf - ob sie mir gefällt oder nicht. Die hinter der DDR stehende Ideologie kannte diese liberale Toleranz nicht ansatzweise.
2. Auch das Recht auf Eigentum ist ein verfassungsmäßig verankertes Grundrecht in unserem Land. Eigentum ist Ausfluss eigener Leistung - bildet also unsere persönliche Vergangenheit ab. Ich kann als Liberaler kein Regime wie die DDR gutheißen, das Eigentum entzieht und Menschen damit ihre historische Leistung und damit Vergangenheit abspricht. Freiheit macht eben auch nicht am Werkstor Halt.
3. Ich stehe für eine offene Gesellschaft der persönlichen Freiheit und der persönlichen Verantwortung. Dazu gehört, den anderen so zu akzeptieren, zu tolerieren und wertzuschätzen, wie er eben ist. Ein wie auch immer geartetes "Sozialistisches Menschenbild", das einen staatlich verordneten "Idealmenschen" vorgibt, lehne ich als Liberaler und Christ aus tiefster Überzeugung ab.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein wenig deutlich machen, dass ich aus formal-juristischer, liberaler und persönlicher Sicht die DDR nicht für einen Rechtsstaat, ja - aufgrund der Vielzahl von Rechts- und Moralverletzungen - für einen Unrechtsstaat halte. Nochmals möchte ich davon natürlich die Einzelleistungen und -biographien der Bürgerinnen und Bürger abgrenzen.
Bei Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich sehr gerne zur Verfügung, auch im persönlichen Austausch, z.B. per E-Mail: felix@julis-thueringen.de.
Herzlichste Grüße
Ihr Felix Rösel