Frage an Farid Müller von Friederike A. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Hallo Herr Müller, in welcher Weise engagieren Sie sich
a) für mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt für Normalverdiener sowie
b) die Notwendigkeit einer sozialen und ökologischen Stadtentwicklung, die nicht nur von (internationalen) Finanzinteressen (Tourismus und Immobilien) geleitet ist? Ein paar Pilotprojekte in Harburg reichen nicht, um ein ernsthaftes Umdenken in Gang zu setzten. Das bedarf politischer Entschlossenheit.
Ich wohne in Mitte und in meiner Nachbarschaft entstehen vor allem Hotels und Büros. Normale Bewohner und Grünflächen kommen da nicht vor.
Sehr geehrte Frau Abresch,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema „bezahlbarer“ Wohnraum. Dazu haben wir uns viel Gedanken gemacht:
Die SPD hat es nicht geschafft, ihre selbst gesteckten Ziele im sozialen Wohnungsbau zu erreichen. Von den versprochenen 2000 neuen Sozialwohnungen hat sie selbst im dritten Jahr ihrer Regierungszeit nur 660 realisieren können. Die übrigen neu errichteten Wohnungen können sich bisher nur Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen leisten. Wir müssen daher auch neue Wege einschlagen.
Zwar baut die SAGA nach Jahren verordneter Untätigkeit wieder geförderte Wohnungen. Leider richtet die SPD-Alleinregierung das Unternehmen bei der Wohnungsproduktion wieder auf „Masse statt Klasse“ aus. In der Folge erreicht die SAGA bei ihren Projekten weder energetisch oder bautechnisch viel mehr als den Mindeststandard, noch gelingt es ihr, Projekte zu entwickeln, die sozial- integrativ ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Versorgung von Haushalten mit Zugangsschwierigkeiten zum Wohnungsmarkt zu verbessern.
Wir wollen deshalb einen innovativen Wohnungs- und Stadtentwicklungsträger gründen, der technische, energetische, städtebauliche und soziale Innovation, wie sie z.B. im Rahmen der IBA entwickelt und erprobt wurden, weiterträgt und neue Projekte auf den Weg bringt. Der Träger soll städtische und private Grundstücke für Projekte zur Versorgung von Haushalten mit Zugangsschwierigkeiten zum Wohnungsmarkt sowie für gemeinschaftliche Projekte von kleinen genossenschaftlichen Baugemeinschaften entwickeln. Der Träger soll gemeinnützig ausgerichtet sein und die entwickelten Grundstücke sollen über Erbbaurechtsverträge mit Direktvergaben dauerhaft sozialen Bindungen unterliegen. Durch eine angepasste IFB-Förderung soll die Entwicklungsgesellschaft in die Lage versetzt werden, Projekte gezielt zu unterstützen und gemeinwohlorientiert auf den Weg zu bringen. Wir wollen auch daran gehen, für solche Projekte Kapital durch einen Bürgerfonds einzuwerben. Für uns gilt weiterhin eine ausgewogene Mischung bei neuen Wohnungen. Bei privaten Wohnungsbauvorhaben setzen wir uns für mindestens 1/3 mietbegrenzte Wohnungen ein, bei öffentlichen auch mehr. Die Förderbedingungen wollen wir neu strukturieren, flexibilisieren und entschlacken. Gebäude, die nur aus Sozialwohnungen bestehen, soll es nicht mehr geben – wir wollen, dass in jedem mehr- geschossigen Wohnungsneubau Sozialwohnungen integriert sind.
Wir wollen eine gerechte und sozial ausgewogene städtische Mietenpolitik. Die Mietpreisbremse bei Neuvermietungen muss kommen und schnellstmöglich umgesetzt werden. Um der Mietenspirale zu entkommen, werden wir uns für die Bildung von Wohneigentum insbesondere in Form von Baugemeinschaften und kleingenossenschaftlichem Wohnungsbau, vor allem für junge Familien mit Kindern, einsetzen.
GRÜNE Flächenpolitik bedeutet gemeinwohlorientierte Konzepte beim Grundstücksverkauf und nicht Verkauf zum Höchstpreis. Die Stadt muss alle Instrumente zum Schutz gegen Bodenspekulation oder Spekulation mit Wohnraum nutzen. Mit den Verfahren Stadtumbau West, mit Sanierungsgebieten oder städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen kann im Rahmen von „vorbereitenden Untersuchungen“ und „Veränderungs- sperren“ frühzeitig bei Planungsbeginn Bodenspekulation verhindert werden. Bodenwertsteigerungen durch Veränderungen des Planrechts sind umfänglich abzuschöpfen. Für die stetige Verbesserung dieser und weiterer gesetzlicher Instrumente setzen wir uns ein.
In vielen Stadtteilen wie in St. Georg gibt es bereits soziale Erhaltungsverordnungen, die positive Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben. Wir wollen, dass für die Umsetzung der sozialen Erhaltensverordnungen bessere personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Dieses Instrument wollen wir vor allem im inneren Stadtgebiet und in weiteren vor Veränderungsdruck stehenden Stadtgebieten stärker ausbauen, bis sich der Wohnungsmarkt deutlich entspannt hat. Die Stadt besitzt in Gebieten der sozialen Erhaltungsverordnung ein Vorkaufsrecht: Das sollte sie in diesen Gebieten aktiv ausüben. Im weiteren bietet sich die Übertragung an sozial orientierte Wohnungs- unternehmen, wie z.B. an langfristige Bestandshalter oder Genossenschaften, an. Wohnimmobilien, die erkennbar von Spekulation bedroht sind, könnten unter den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen verstärkt angekauft und an diese weitervermittelt werden. Bodenwertsteigerungen von Privatgrundstücken durch Bebauungsplanungen müssen regelhaft und transparent abgeschöpft werden, um damit den sozialen Wohnungsbau und die städtische Infrastruktur zu finanzieren. Hamburg braucht für eine solche Abschöpfung eine solide transparente Basis, wie die Münchner SoBoN-Richtlinie sie bietet.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit unseren Konzepten überzeugen und stehe gerne für Nachfragen zur Verfügung.
Mit herzlichem Gruß
Farid Müller