Frage an Fabio Reinhardt von Markus H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Fabio Reinhard,
schön, dass Sie sich den Fragen hier stellen.
Wahlentscheiden bei mir sie die Positionierungen der Kandidat_innen z ufolgenden Fragen:
1) Wie stehen Sie zum Residenzpflichtgesetz, das Flüchtlinge bzw. genauer gesagt Asylbewerber bundesweite quasi zwingt in ihrem Landkreis zu bleiben ?
2) Positionieren sich Piraten gegen Nazis bzw. engagieren sich Piraten gegen Nazis ?
3) Wie stehen sie zu Strassenumbennenungen ? d.h. in Kreuzberg wurde ja eine Strasse in "May-Ayim-Ufer" umbenannt, was eine antirassistische Aktivistin und Dichterin damit würdigt.
Konkret: würden Sie sich dafür einsetzen, dass Strassen die noch nach Kolonialherren benannt werden oder rassistische Strassennamen sind umbenannt werden. Oder bundesweit: Würden sie sich dafür einsetzen, dass z.b. Schulen, die nach Nazigrößen benannt wurden umbenannt werden ?
beste Grüße und viel Erfolg
MArkus Höhner
Hallo Markus Höhner,
vielen Dank für Ihre vielen Anfragen. Hätten Sie die nicht auch alle einzeln stellen können? Dann würde ich durch meine Antworten im Abgeordneten-Ranking schneller aufsteigen. :-)
1) Aber Spaß beiseite. Wir haben einen eigenen Absatz im Wahlprogramm mit dem Titel "Residenzpflicht abschaffen": http://berlin.piratenpartei.de/2011/08/05/wahlprogramm-2011-asyl/ Daraus: "Die PIRATEN Berlin setzen sich für ein Ende der Residenzpflicht ein. Jedem Flüchtling, der in Berlin lebt, ist die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ohne Einschränkungen zu gewähren."
Lassen Sie mich noch hinzufügen, dass das von Ihnen angesprochene Problem mit Zwangsverbleib im jeweiligen Landkreis für Flüchtlinge in Berlin weniger immanent ist als in anderen Bundesländern. Dennoch sollten Berlin und Brandenburg gemeinsam die Residenzpflicht schnellsmöglich für ALLE Flüchtlinge und Geduldeten aufheben (momentan gibt es noch zu viele Ausnahmen) und sich über den Bundesrat stärker für eine bundesweit geltende allgemeine Freizügigkeit einsetzen.
Wichtig zu erwähnen ist jedoch in diesem Zusammenhang noch, dass die Freizügigkeit unbedngt zu ergänzen ist durch einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt. Zudem fordern wir im gleichen Programm ein Ende der isolierenden Lagerpolitik und die Verbesserung der Unterbringungssituation von Flüchtlingen, eine liberalere Bleiberechtsregelung, die die gesamte Familie umfasst und die besondere Situation von Eltern und Kindern berücksichtigt und die Abschaffung diskriminierender Sondergesetze wie des Asylbewerberleistungsgesetzes.
2) Zu Positionierung und Engagement der Piraten gegen Nazis kann ich Ihnen versichern, dass wir sehr aktiv sind. Wir haben in den vergangenen Jahren Aktionen wie die 1. Mai oder die im Februar in Dresden personell und finanziell mit unterstützt:
http://berlin.piratenpartei.de/?s=nazis
Zudem haben wir auf der letzten Landesmitgliedersammlung den Berliner Konsens mitgetragen:
http://berlin.piratenpartei.de/2011/08/14/positionspapier-die-berliner-piraten-unterstutzen-den-berliner-konsens/
Trotzdem ist natürlich bei allen Aktionen und Positionierungen wichtig, dass man sehr grundsätzliche Debatten um die Reichweite der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit führt, diese nicht ausblendet und sich diesen schwierigen Fragen auch stellt. Grundsätzlich dürfen natürlich auch Nazis von ihren Grundrechten Gebrauch machen. Ob und wann eine Demonstration legitim ist und stattfinden kann und wann das Demonstrationsrecht missbraucht werden soll eine Gegendemonstration ihre Berechtigung hat, muss im Einzelfall entschieden werden. Pauschal lässt sich da wenig sagen.
3) Zu Ihrer Frage nach Strassenumbennenungen kann ich nur sagen, dass wir da noch keine grundsätzliche Position zu entwickelt haben, bisherige interne Vorstäße für Umbenennungen wurden abgelehnt:
http://wiki.piratenpartei.de/BE:Antragskommission/2010-10-23_045_-_Hannelores_Tag_ist_grau
Persönlich stehe ich Ihrem Vorschlag aber durchaus offen gegenüber. Ich selbst habe lange am Lembachplatz (am Ostkreuz) gewohnt, welcher mittlerweile Annemirl-Bauer-Platz heißt - eine gute Entscheidung sagt jeder, der die beiden Wikipedia-Profile miteinander vergleicht. Auch die Rudi-Dutschke-Straße fand ich eine gute Idee. Zu ihrer Frage nach einem bundesweiten Engagement verweise ich darauf, dass die Initiative zur Umbennung der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswal maßgeblich von Sebastian Jabbusch, einem Mitglied der Piratenpartei mitgetragen wurde:
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,636787,00.html
Im Übrigen gibt es natürlich noch weitere Möglichkeiten, das Stadtbild auf dezente aber nachhaltige Weise politisch auzuhübschen, die nicht vom Parlament beschlossen werden müssen - ich denke da zum Beispiel an die sehr vorbildliche Aktion der Stolpersteine, die an im Dritten Reich deportierte und getötete Menschen erinnert.
Beste Grüße zurück,
Fabio Reinhardt