Frage an Fabio Reinhardt von Raimund A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Reinhardt,
aus meiner Sicht wird die Qualität der öffentlich rechtlichen TV-und Radiosender überschätzt.
Nun gab das ZDF zu, dass es im Ukraine-Konflikt einseitig PR-mäßig berichtet hat. Daher sende ich Ihnen einen Link zu dem Bericht bei, in dem das steht:
http://dtj-online.de/ukraine-zdf-berichterstattung-24382
Welche Lehren schließt die Politik aus dieser wohl nicht erfreulichen Offenbarung?
Wann gibt es endlich mal unparteiische öffentliche Sender? Oder sind die öffentlich rechtlichen Sender aus Ihrer Sicht unparteiisch? Aus meiner Sicht sind sie es nämlich nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Raimund Arendt
Sehr geehrter Herr Arendt,
grundsätzlich bin ich ein Freund des öffentlich-rechtlichen Rundfunkprinzips. Im Grundsatz ermöglicht es die Produktion von Formaten und Inhalten unabhängig von Gewinninteressen und Quoten. Das System der Rundfunkgebühren soll dabei die Staatsferne garantieren.
Leider klaffen hier Anspruch und Realität deutlich auseinander. In meinen Augen werden die Inhalte zumindest der großen Sender ARD und ZDF zu sehr an erzielbarer Quote ausgerichtet und zu viele Angebote produziert, welche in vergleichbarer Qualität auch durch die privaten Sender bereitgestellt werden.
Hinzu kommt, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nicht in dem Maße von politischer Einflussnahme unabhängig sind, wie es bei einem als staatsfern geltenden Rundfunk eigentlich der Fall sein sollte. Insbesondere die Einmischung in die Personalpolitik wurde z.B. im Fall Nikolaus Brender öffentlich bekannt und in diesem Zusammenhang auch breiter diskutiert. Konsequenzen, wie beispielsweise eine Reduzierung von parteinahen Vertreter*innen in den Rundfunkbeiräten, wurden aber nicht gezogen.
Unabhängig von der Beiräteproblematik und damit möglicherweise verbundener politisch eingefärbter Mitarbeiterauswahl sind öffentlich-rechtliche Sender wie alle reichweitestarken Medien im Fokus unterschiedlichster Interessen, in besonderem Maße natürlich die quotenstarken Formate wie das heute journal oder die Tagesschau. In einem internationalen Konflikt wie der Ukraine-Krise ist die Meinung der deutschen Öffentlichkeit dabei natürlich von besonderem Interesse, da Deutschland als wohl einflussreichstes Mitglied der EU maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Auseinandersetzung nehmen kann.
Ich empfand die Berichterstattung zur Ukraine-Krise oft auch als oberflächlich bis einseitig, wäre aber bei der Bewertung ganzer Sender als ´parteiisch´ eher zurückhaltend. An eine interne politische Vorgabe zur Berichterstattung glaube ich nicht, die zugrundeliegenden Mechanismen sind deutlich komplexer. Zudem gab es durchaus hintergründige und ausgewogenere Berichte auch bei öffentlich-rechtlichen Sendern, nur eben nicht unbedingt in allen Redaktionen und Formaten.
Das Problem der politischen Einflussnahme auf Berichterstattung ist in meinen Augen strukturell bedingt. Auch in der Politik findet Einflussnahme auf Entscheidungen statt, die Mechanismen von PR und politischen Lobbyings sind dabei im Grunde die gleichen. Um diese Probleme in den Griff zu kriegen, brauchen wir zum einen mehr Transparenz. Analog zu Lobbyregistern, Dokumentation von Treffen mit Interessenvertreter*innen und der Veröffentlichung von Nebeneinkünften sollten in meinen Augen auch die Entscheidungsträger*innen in öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiräten und Chefredaktionen Rechenschaft ablegen. Auch die interne Mittelverwendung und Organisationsstruktur muss durchschaubarer werden. Ich verweise hier auf die Transparenzforderungen der Initiative Open ARD ZDF:
http://openardzdf.de/transparenzforderungen-1-entwurf/
Weiterhin sollten die Rundfunkbeiräte grundlegend reformiert und den Gebührenzahler*innen mehr Mitbestimmung in die Programmgestaltung gegeben werden. Das Ziel sollte sein, die Entscheidungen der Rundfunkräte öffentlich und transparent zu machen und den parteipolitischen Einfluss zu minimieren.
Ansonsten könnte ich mir vorstellen, die Offenen Kanäle zu stärken. Bislang erhalten diese nur rund 1 % der Rundfunkgebühren. Durch neue Übertragungsformen wie Internet oder digitalen Rundfunk ist die früher vorhandene Einschränkung begrenzter Übertragungsfrequenzen im Prinzip weggefallen. Ein gestärkter Bürger*innenjournalismus wäre in meinen Augen eine Bereicherung der Meinungslandschaft und ein sinnvoller Beitrag zur Ausbildung einer
kritischen Öffentlichkeit.
Je vielfältiger und demokratischer unsere Medienlandschaft wird, desto weniger kann sie auch in Krisenzeiten beeinflusst werden.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Fabio Reinhardt