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Ewald Schurer
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Frage von Michael L. •

Frage an Ewald Schurer von Michael L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schurer,

als traditioneller CSU-Wähler der sich aufgrund der Politik der CSU/CDU-Fraktion zur nächsten Wahl mit Sicherheit umorientieren wird möchte ich von Ihnen wissen, wie Sie zur soeben beschlossenen Gesetzesvorlage zur Diätenerhöhung stehen unter Berücksichtigung der abgeschmetterten Neufassung der Pendlerpauschale..
Sie sehen, dass ich mit der politik der Koalition nicht vertreten fühle und beabsichtige, meine Stimme bei der nächsten Wahl den Linken zu geben, deren soziale Politik meine Interessen berücksichtigt. Wie wollen Sie das verhindern?

Mit freundlichen Grüßen
Michael Lücke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lücke,

vielen Dank für ihre Anfrage vom 15. November 2007, in der Sie sich zur Entschädigung für Abgeordnete und zur Pendlerpauschale äußern und von mir eine Stellungnahme erbitten..

In die Diskussion um die Pendlerpauschale, die Sie in ihrem Schreiben erwähnen, kommt wieder Bewegung. Für die SPD-Bundestagsfraktion stehen bei Änderungen an der bisherigen Regelung Verfassungskonformität und Finanzierbarkeit im Vordergrund. Bei einer Neuregelung der Pendlerpauschale muss der Arbeitsweg ab dem 1. Kilometer berücksichtigt werden und eine Abkehr vom aktuell angewandten Werkstorprinzip erfolgen. Bei einer vollständigen Rücknahme der erfolgten Kürzung des letzten Jahres – die auch aus meiner Sicht die beste Lösung wäre – ergeben sich aber Probleme hinsichtlich der Finanzierbarkeit. Eine Absenkung der Pauschale von derzeit 30 Cent auf 25 Cent pro Kilometer wäre eine Lösung, die zum einen alle Pendler mit einem Arbeitsweg von bis zu 120 Kilometern gegenüber der aktuellen Regelung entlastet und zum anderen auch finanziert werden kann. Auf die Benzinpreisentwicklung der letzten Jahre, auf die Sie auch hinweisen, hat die Bundesregierung keinen Einfluss. Gerne wird die Ökosteuer für die „Preistreiberei“ bei Benzin und Diesel verantwortlich gemacht wird, deren letzte Stufe der Ökosteuer wurde aber bereits im Jahr 2004 eingeführt. Vielmehr haben andere Faktoren – Knappheit von Ressourcen, Spekulation, Kriegsgefahr in Fördergebieten – bedeutenderen Einfluss auf die Preisbildung. Langfristig muss im Bereich der Kraftstoffe die Entwicklung hin zu erneuerbaren Energieträgern erfolgen, da fossile Brennstoffe nur in begrenztem Umfang vorhanden sind und außerdem negative Auswirkungen auf die Umwelt von ihnen ausgehen.

Auch Ihre Frage bezüglich der Abgeordnetenentschädigung beantworte ich gerne. Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben nach Art. 48 Abs. 3 Grundgesetz Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung müssen die Abgeordneten selbst per Gesetz entscheiden. Eine Übertragung dieser Entscheidung auf eine Experten-kommission oder eine automatische jährliche Anpassung in der Höhe der durch-schnittlichen Steigerung der Löhne sind nach der Rechtsprechung des Bundesver-fassungsgerichts nicht möglich.

Aktuell erhalten die Abgeordneten ein „Gehalt“ in Höhe von 7.009 Euro brutto, das voll versteuert werden muss. Bei der Einführung der Pflegeversicherung wurde vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Feiertag gestrichen. Da Abgeordnete je-den Tag Abgeordnete sind kann ihnen kein Feiertag gestrichen werden, weshalb sich die ausgezahlte Diät auf 6.989,80 Euro reduzierte. Sonderzahlungen wie Urlaubs-geld, Weihnachtsgeld, ein dreizehntes Monatsgehalt oder ähnliches bekommen Ab-geordnete nicht.

Als Orientierungsgröße für die Diäten der Abgeordneten, die Wahlkreise mit 200 bis 300 Tausend Wahlberechtigten vertreten, dient die Besoldung von Bundesbeamten mit vergleichbarer Verantwortung und Belastung (einfache Bundesrichter R6), sowie die Besoldung von Bürgermeistern kleiner Städte mit 50 bis 100 Tausend Einwoh-nern (B6). Diese Bezugsgrößen wurden bisher nie erreicht, vom Jahr 1977 bis zum Jahr 1994 sank die Entschädigung von 91,21% auf 76,67% der Bezugsgröße. Mo-mentan beträgt die Differenz immer noch 9,4%.

Es war richtig, dass sich die Abgeordneten in den letzten Jahren wegen der ange-spannten wirtschaftlichen Lage ihre Entschädigung und ihre Altersentschädigung seit 2003 nicht weiter angehoben haben. Angesichts der aktuellen guten wirtschaftlichen Entwicklung, in der Löhne und Gehälter wieder steigen – 4,1 % in der Metallbranche, 3,6% im Chemiebereich und 3,1% im Baugewerbe – ist eine Anhebung der Entschä-digung möglich und vertretbar. Die Anhebung erfolgt in zwei Schritten: um 330 Euro zum 1. Januar 2008 und um weitere 329 Euro zum Januar 2009. Die erste Anhebung entspricht einer Erhöhung um 4,7% und somit der durchschnittli-chen Steigerung der Erwerbseinkommen von 2005 bis Ende 2007. Die zweite Anhe-bung entspricht 4,48% und entspricht der erwarteten Entwicklung der Erwerbsein-kommen bis zur frühesten möglichen Anpassung der Entschädigung. Außerdem wird so die Orientierungsgröße erreicht.

Im Gegenzug zur Erhöhung der Diäten werden die Ansprüche auf Altersentschädi-gung gekürzt und die Rente mit 67 auch für Abgeordnete eingeführt. Der Steige-rungssatz von aktuell 3% der Abgeordnetenentschädigung pro Jahr der Mitglied-schaft wird auf 2,5% abgesenkt. Das heißt, der Höchstsatz der Altersentschädigung wird nun erst nach 27 Jahren Mitgliedschaft im Bundestag erreicht, was sieben Le-gislaturperioden entspricht. Diesen Höchstsatz erwerben aber kaum Abgeordnete, da die meisten nur zwei bis drei Perioden dem Bundestag angehören. Zudem wurde die Orientierungsgröße für die Diäten abgesenkt. Es werden in Zukunft nicht mehr die Jahresbezüge von einfachen Bundesrichtern herangezogen, sondern die Monatsbezüge. Dies hat zur Folge, dass deren Sonderzahlungen nicht mehr in die Berechnung einfließen und die Bezugsgröße sinkt.

Abgeordnete verdienen im Gegensatz zu den meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in ihren Wahlkreisen recht gut. Allerdings bleibt die Entschädigung für Abgeordnete weit hinter den üblichen Gehältern für vergleichbare Positionen in der freien Wirtschaft, bei Verbänden oder in den Gewerkschaften zurück. Niemand sollte in die Politik gehen, weil dort Geld zu verdienen ist. Es ist allerdings notwendig, ein breites Spektrum an Berufen im Bundestag vertreten zu wissen, weshalb die Ent-schädigung nicht zu gering ausfallen darf, um überhaupt Menschen aus besser be-zahlten Berufen in die Berufspolitik zu bringen.

Zudem gibt es für Abgeordnete keine Arbeitszeitregelung und auch das Wochenende steht für Termine offen. So ist es normal, während einer Sitzungswoche in Berlin von Montag bis Freitag zwischen 50 und 60 Stunden zu arbeiten und anschließend am Wochenende im Wahlkreis noch Termine am Samstag und Sonntag wahrzunehmen. Auch während der Wochen im Wahlkreis bin ich nicht nur tagsüber sondern fast je-den Abend bei Terminen. Die Betreuung meines Wahlkreises Erding-Ebersberg und darüber hinaus der Landkreise Mühldorf und Eichstätt, sowie Ingolstadt erfordert nicht nur viel Zeit sondern wegen der großen Distanzen auch eine enorme Summe an Fahrtkosten, die ich von meiner Entschädigung selbst bezahle.

Gerne wird in der Debatte um angemessene Entschädigungen angeführt, dass eine Anwesenheitspflicht im Plenum des Bundestags einzuführen sei, da der Plenarsaal meistens leer sei. Dazu ist zu sagen, dass der Deutsche Bundestag ein so genann-tes Arbeitsparlament ist und kein Debattenparlament (wie z. B. das Britische Parla-ment), das heißt die Arbeit findet in den Fachausschüssen statt und nicht im Plenar-saal. Die Sitzungen der über 40 Fachausschüsse und Arbeitskreise finden parallel zu den Beratungen im Plenum statt, an denen aber jeweils nur die betroffenen Fachpoli-tiker teilnehmen. Es erfolgen bereits heute Kürzungen der Entschädigung, wenn ein Abgeordneter nicht zu namentlichen Abstimmungen erscheint oder an Sitzungstagen nicht anwesend ist.

Ich hoffe, mit meiner Antwort zur Transparenz dieses Themas beigetragen zu haben. Die Anhebung der Entschädigung wird gleichzeitig flankiert von einer Absenkung der Ansprüche auf Altersentschädigung und einer Anpassung der Orientierungsgröße nach unten. Ich hoffe, dass deutlich wird, dass die Gesetze des Bundestages zur Entschädigung von Abgeordneten nicht als „Selbstbedienung“ beschrieben werden können, sondern auch vom Bundesverfassungsgericht so gefordert werden. Übrigens: Jede und jeder Bundestagsabgeordnete kostet einen Bundesbürger aktuell 60 Cent pro Jahr und nach der Erhöhung 66 Cent pro Jahr.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Ewald Schurer