Frage an Ewald Schurer von Martin K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schurer
Nach dem heutigen Abstimmungsergebnis über die Vorratsdatenspeicherung musste ich mit Bedauern feststellen, dass sie diesem sehr bedenkenswerten Gesetz zugestimmt haben. Dass ich bei der Wahl sehr von der SPD enttäuscht bin, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Allerdings hätte ich von meinem Landkreisabgeordnetem etwas mehr Courage erwartet und erhofft.
Ich weiß, dass sie von ihnen erwartet wird, hinter der SPD zu stehen und folglich auch deren Linie zu folgen. Aber genug "Abtrünnige" hatte die SPD ja. Warum haben sie also für die 6 Monatige Speicherung sensibelster Daten, die zum Missbrauch geradezu einladen, votiert?
Davon, dass effektive Verbrechensbekämpfung auch ohne diese Daten funktioniert, bin ich überzeugt. Und die Aussage Klaus Jansens (Vorsitzender des BKB), dass unsere Demokratie stark genug sei, dies aushalten zu können, lässt meine Sorgen nur noch wachsen. Schließlich scheint selbst der Vorsitzende des BKB einen starken Eingriff in unser demokratisches System wahrgenommen zu haben.
Ob unsere Demokratie sowas aushalten MUSS, ist dann die andere Frage. Wir Deutschen sollten schließlich am besten wissen, wie zerbrechlich ein Staatssystem sein kann.
Ihre Meinung würde mich deshalb sehr interesieren.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Kaumanns
Sehr geehrter Herr Kaumanns,
herzlichen Dank für Ihre E-Mail vom 10. November 2007 in der Sie sich kritisch zur sog. „Vorratsdatenspeicherung“ äußern.
Der Bundestag hat am 9. November in 2./3. Lesung das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Union zur Telekommunikationsüberwachung beschlossen.
Das Gesetz wird zum 1. Januar 2008 in Kraft treten und es
• novelliert die geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung zur Telekommunikationsüberwachung und anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen,
• setzt die EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht um
• und sorgt für grundrechtswahrende Verfahrenssicherungen bei heimlichen Ermittlungsmaßnahmen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat bei dem Gesetz berücksichtigt, dass der Staat für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen hat. Besonders, weil durch den internationalen Terrorismus und dessen Folgeerscheinungen die entstandene labile Sicherheitslage auch in Deutschland neue Antworten benötigt; Strafverfolgungsinteressen des Staates müssen angemessen berücksichtigt werden.
Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass verdeckte Ermittlungsmaßnahmen in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen können, so dass für ihre Anordnung strenge Voraussetzungen gelten müssen und auch der Rechtsschutz bedarf einer wirk-samen Ausgestaltung. Sicherheit und Freiheit müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.
Deshalb haben wir uns daran orientiert, das Telekommunikationsüberwachungsrecht an engen rechtsstaatlichen Kriterien auszurichten. Dank der Rechtspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion liegen die Hürden für die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung zukünftig höher als bisher. Dabei gilt, dass eine verdeckte Ermittlungsmaßnahme auch künftig nur durch einen Richter angeordnet werden darf.
So gilt nach wie vor, dass das Vertrauensverhältnis zu Seelsorgern, Strafverteidigern und Abgeordneten absolut geschützt wird. Sie genießen eine besondere verfassungsrechtliche Stellung. Deshalb sind sie von allen Ermittlungsmaßnahmen ausgenommen, die sich auf die Informationen beziehen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger anvertraut wurden.
Bei Ärzten, Rechtsanwälten, Journalisten und allen anderen zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern wird klargestellt, dass sie in Ermittlungsmaßnahmen künftig nur nach einer sehr sorgfältigen Verhältnismäßigkeitsabwägung im Einzelfall in die Ermittlungsmaßnahmen einbezogen werden dürfen. Für diese Abwägung wird es einen strengen Maßstab im Gesetz geben.
Wie von vielen Kritikern angeführt, fällt auch mir eine Differenzierung bei der Überwachung und hier einer unterschiedlichen Behandlungen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages in Vergleich zu Ärzten und Rechtsanwälte, und insbesondere unter der Geltung des Art. 5 GG auch Journalisten in der Tat sehr schwer.
Das neue Gesetz enthält, wie bereits erwähnt, Anpassungen an die EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung (2006/24/EG). Hier ist es uns immerhin gegen die Union und gegen den Widerstand vieler anderer EU-Mitgliedstaaten gelungen, dass die Mindestspeicherungsdauer auf sechs Monate (statt der ursprünglich auf EU-Ebene diskutierten 36 Monate) beschränkt wurde. Ein klarer Erfolg.
Die zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute üblicherweise zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu kommt hinzu, dass bei Mobilfunktelefonen auch der Standort (Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Die weitere Standortbestimmung wird, wiederum auf Betreiben der SPD, dann nicht mehr aufgezeichnet. Auch dieser Punkt musste unserem Koalitionspartner mühsam abgerungen werden. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen ausdrücklich nicht gespeichert werden.
Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben den Daten über Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das TK-Unternehmen, welchen Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war sowie die Daten über die E-Mail-Versendung. Gespeichert wird nicht, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.
Die Daten werden – wie bisher – nur bei den TK-Unternehmen gespeichert. Polizei und Staatsanwaltschaft können nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.
Für alle verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gilt darüber hinaus eine Reihe von Verfahrensregelungen. Sie verbessern den Grundrechtsschutz aller, die von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen betroffen sind:
• Richtervorbehalt bei allen eingriffsintensiven verdeckten Ermittlungsmaßnahmen;
• Konzentration der Zuständigkeit für die Anordnung einer Maßnahme beim Ermittlungsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft, um dessen größere Spezialisierung zu erreichen;
• umfassende, gerichtlich kontrollierte Benachrichtigungspflichten;
• Einführung eines nachträglichen Rechtsschutzes bei allen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen;
• Einführung von einheitlichen Kennzeichnungs-, Verwendungs- und Löschungsregelungen.
Nach Abwägung aller politischen und verfassungsrechtlichen Bedenken bin ich zu dem Schluss gekommen, dem Gesetz trotz der von mir skizzierten Bedenken letztendlich zuzustimmen. Dies vor allen Dingen auch deshalb, weil es der SPD-Fraktion gelungen ist hohe Hürden für die Umsetzung problematischer Restriktionen einzuziehen. Etwaige verfassungswidrige Bestandteile werden durch das Bundesverfassungsgericht überprüft und gegebenenfalls für unwirksam erklärt. Einem möglichen verfassungsrechtlichen Korrektiv sehe ich mit großem Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Ewald Schurer, MdB
Sehr geehrter Herr Kaumanns,
herzlichen Dank für Ihre E-Mail vom 10. November 2007 in der Sie sich kritisch zur sog. „Vorratsdatenspeicherung“ äußern.
Der Bundestag hat am 9. November in 2./3. Lesung das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Union zur Telekommunikationsüberwachung beschlossen.
Das Gesetz wird zum 1. Januar 2008 in Kraft treten und es
• novelliert die geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung zur Telekommunikationsüberwachung und anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen,
• setzt die EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht um
• und sorgt für grundrechtswahrende Verfahrenssicherungen bei heimlichen Ermittlungsmaßnahmen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat bei dem Gesetz berücksichtigt, dass der Staat für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen hat. Besonders, weil durch den internationalen Terrorismus und dessen Folgeerscheinungen die entstandene labile Sicherheitslage auch in Deutschland neue Antworten benötigt; Strafverfolgungsinteressen des Staates müssen angemessen berücksichtigt werden.
Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass verdeckte Ermittlungsmaßnahmen in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen können, so dass für ihre Anordnung strenge Voraussetzungen gelten müssen und auch der Rechtsschutz bedarf einer wirksamen Ausgestaltung. Sicherheit und Freiheit müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.
Deshalb haben wir uns daran orientiert, das Telekommunikationsüberwachungsrecht an engen rechtsstaatlichen Kriterien auszurichten. Dank der Rechtspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion liegen die Hürden für die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung zukünftig höher als bisher. Dabei gilt, dass eine verdeckte Ermittlungsmaßnahme auch künftig nur durch einen Richter angeordnet werden darf.
So gilt nach wie vor, dass das Vertrauensverhältnis zu Seelsorgern, Strafverteidigern und Abgeordneten absolut geschützt wird. Sie genießen eine besondere verfassungsrechtliche Stellung. Deshalb sind sie von allen Ermittlungsmaßnahmen ausgenommen, die sich auf die Informationen beziehen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger anvertraut wurden.
Bei Ärzten, Rechtsanwälten, Journalisten und allen anderen zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern wird klargestellt, dass sie in Ermittlungsmaßnahmen künftig nur nach einer sehr sorgfältigen Verhältnismäßigkeitsabwägung im Einzelfall in die Ermittlungsmaßnahmen einbezogen werden dürfen. Für diese Abwägung wird es einen strengen Maßstab im Gesetz geben.
Wie von vielen Kritikern angeführt, fällt auch mir eine Differenzierung bei der Überwachung und hier einer unterschiedlichen Behandlungen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages in Vergleich zu Ärzten und Rechtsanwälte, und insbesondere unter der Geltung des Art. 5 GG auch Journalisten in der Tat sehr schwer.
Das neue Gesetz enthält, wie bereits erwähnt, Anpassungen an die EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung (2006/24/EG). Hier ist es uns immerhin gegen die Union und gegen den Widerstand vieler anderer EU-Mitgliedstaaten gelungen, dass die Mindestspeicherungsdauer auf sechs Monate (statt der ursprünglich auf EU-Ebene diskutierten 36 Monate) beschränkt wurde. Ein klarer Erfolg.
Die zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute üblicherweise zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu kommt hinzu, dass bei Mobilfunktelefonen auch der Standort (Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Die weitere Standortbestimmung wird, wiederum auf Betreiben der SPD, dann nicht mehr aufgezeichnet. Auch dieser Punkt musste unserem Koalitionspartner mühsam abgerungen werden. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen ausdrücklich nicht gespeichert werden.
Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben den Daten über Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das TK-Unternehmen, welchen Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war sowie die Daten über die E-Mail-Versendung. Gespeichert wird nicht, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.
Die Daten werden – wie bisher – nur bei den TK-Unternehmen gespeichert. Polizei und Staatsanwaltschaft können nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.
Für alle verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gilt darüber hinaus eine Reihe von Verfahrensregelungen. Sie verbessern den Grundrechtsschutz aller, die von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen betroffen sind:
• Richtervorbehalt bei allen eingriffsintensiven verdeckten Ermittlungsmaßnahmen;
• Konzentration der Zuständigkeit für die Anordnung einer Maßnahme beim Ermittlungsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft, um dessen größere Spezialisierung zu erreichen;
• umfassende, gerichtlich kontrollierte Benachrichtigungspflichten;
• Einführung eines nachträglichen Rechtsschutzes bei allen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen;
• Einführung von einheitlichen Kennzeichnungs-, Verwendungs- und Löschungsregelungen.
Nach Abwägung aller politischen und verfassungsrechtlichen Bedenken bin ich zu dem Schluss gekommen, dem Gesetz trotz der von mir skizzierten Bedenken letztendlich zuzustimmen. Dies vor allen Dingen auch deshalb, weil es der SPD-Fraktion gelungen ist hohe Hürden für die Umsetzung problematischer Restriktionen einzuziehen. Etwaige verfassungswidrige Bestandteile werden durch das Bundesverfassungsgericht überprüft und gegebenenfalls für unwirksam erklärt. Einem möglichen verfassungsrechtlichen Korrektiv sehe ich mit großem Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Ewald Schurer, MdB