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Ewald Schurer
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Frage von torsten h. •

Frage an Ewald Schurer von torsten h. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Schurer,

das BVG hat neulich den Bundeshaushalt von 2003 fuer zulaessig erklaert - aber gleichzeitig massive Kritik an der seit 40 Jahren geuebten Praxis geuebt, staendig neue Schulden - zu Lasten der kommenden Generationen - aufzuhaeufen. Ergebnis ist eine Staatsverschuldung von 1.5 Billionen EU - wobei etwa die Pensionslasten der Laender, die bei 600 Mrd EU liegen, die als einklagbare Rechte durchaus Schuldenstatus haben, noch nicht eingerechnet wurden.

Auch die SPD hat, etwa in der Aera Schroeder, kaum Versuche unternommen, diesen volkswirschaftlichen und moralischen Irsinn zu stoppen - etwa mit einem Gesetz, dass ganz klar die Neuverschuldung an klar ueberpruefbare enge Kriterien knuepft und einen Verstoss dagegen strafbar macht (uebrigens waere es endlich an der Zeit, das BVG mit Sanktionsmoeglichkeiten zu versehen).

Ich waere Ihnen dankbar, wenn Sie - als Mitglied des Haushaltsausschusses - mir miteilen wuerden, wie Sie, ihre Partei und der Ausschuss auf die Ruege des BVG reagieren wollen.

Hochachtungsvoll

Torsten Hauberg

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Hauberg,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 23. Juli 2007, in der Sie sich zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Bundeshaushalts von 2004 und der darin gebilligten Neuverschuldung kritisch äußern.

Das Bundesverfassungsgericht (ab hier BVerfG) hat die Klage der damaligen Bundestagsopposition von CDU/CSU und FDP gegen den Bundeshaushalt 2004 mit einer Neuverschuldung von knapp 40 Milliarden Euro abgewiesen. Der Zweite Senat unterstrich in seinem Urteil, an der "Revisionsbedürftigkeit der geltenden verfassungsrechtlichen Regelungen" sei "kaum noch zu zweifeln".

Die formalen Einwände der früheren Oppositionsparteien gegen den damaligen Etat verwarf das Gericht. Die späte Einbringung des Nachtragshaushalts war nicht pflichtwidrig gewesen. So mussten Korrekturen im Zusammenhang mit den Arbeitsmarktgesetzen "Hartz IV" noch eingearbeitet werden, und die parlamentarische Sommerpause stand außerdem bevor; die Verzögerungen waren nicht vorhersehbar gewesen. Auch der ursprüngliche Etatansatz war mit dem Gebot der Haushaltswahrheit vereinbar gewesen.

Was wirklich von den Richtern kritisiert wurde, war die Höhe der aufgenommenen Kredite. Hier musste geprüft werden, ob dies gegen den Artikel 115 des Grundgesetzes verstoßen hatte. Das Grundgesetz schreibt vor, dass die Schulden die Investitionen nur in Ausnahmefällen übersteigen dürfen, wenn bspw. das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht tangiert würde.

Die Richter hielten den Etat 2004 trotz einer Neuverschuldung von knapp 40 Mrd. Euro für verfassungsgemäß. Mit dem Nachtragshaushalt 2004 hatte das Parlament eine Nettokreditaufnahme des Bundes von 43,4 Mrd. Euro bei Investitionen von 24,6 Mrd. Euro gebilligt.

Mit dem Urteil hielt die Mehrheit der Karlsruher Richter an einer Entscheidung aus dem Jahr 1989 fest. In dieser Entscheidung liegt ebenso begründet, dass für mögliche Änderung der entsprechenden Verfassungsregel nicht das Gericht zuständig sei. Auch die Beurteilung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts muss der Einschätzung des Parlaments überlassen bleiben.

Die damalige Neuverschuldung war keinesfalls „volkswirtschaftlicher Irrsinn“, wie Sie es beschreiben, sondern ein weiterer Versuch die schwierige konjunkturelle Situation abzufedern. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit und des viel zu geringen Wirtschaftswachstums war es vertretbar, das Risiko einer solchen Neuverschuldung einzugehen. Der Ausnahmefall des Grundgesetzes, nämlich Abwehr einer "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts", war eingetreten. Das bestätigt auch das Urteil des BVerfG.

Dennoch beinhaltet das Urteil des BVerfG auch erheblichen Änderungsbedarf. Das Regelungskonzept des Artikels 115 Grundgesetz hat sich in der Realität als nicht wirksam erwiesen. Aber auch hier überlässt das Gericht die Ausgestaltung der Änderungen der Politik.

Die SPD-Bundestagsfraktion ist sich durchaus darüber einig, dass die Schuldenregeln strenger gefasst werden müssen. Das Urteil des BVerfG war auch ein Signal an die Föderalismuskommission II, die sich nun vorrangig mit der Erarbeitung von nachhaltigen Finanzkonzepten beschäftigen wird. Im Moment wird der Vorschlag diskutiert, dass per Staatsvertrag Bund und Länder vereinbaren könnten, die Regeln des EU-Stabilitätspakts zu übernehmen. Demnach würde eine andauernde Überschreitung des Drei-Prozent-Defizitlimits zu Sanktionen führen.

Peter Struck (SPD), Vorsitzender der Föderalismuskommission, hat rasche Neuerungen gefordert. Deshalb werden noch in dieser Wahlperiode, sogar bis Ende des Jahres, Reformschritte zur Verbesserung der Schuldenregeln vorliegen.

Das Urteil unterstreicht aber auch den Stellenwert der Konsolidierungspolitik der großen Koalition aus dem Jahr 2005. Der Haushaltsexperten der SPD-Bundestagsfraktion werten die damalige Ausgabenpolitik als "Langzeiterfolg" der rot-grünen Bundesregierung. Die seinerzeit hohe Krediteaufnahme hat auch - im Verbund mit Strukturreformen - den Aufschwung angestoßen. Das darf nicht vergessen werden.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) wird nun mittelfristig mit dem Schuldenabbau beginnen. Gleichzeitig werden wir die Erkenntnisse aus dem Verfassungsurteil als Grundlage für die anstehende Finanzverfassungsreform nutzen und eine strikte, gesamtstaatlich wirksame Schuldengrenze inkorporieren.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Schurer, MdB