Frage an Ewald Schurer von Peter Z. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Schurer,
zu meiner großen Überraschung haben Sie dem Kompromiss zur Gesundheitsreform nicht zugestimmt. Sie haben sich damit über die Fraktionsdisziplin hinweggesetzt, was mir imponiert.
Unter den Gegnern der Reform gibt es in der Koalition unterschiedliche Lager - Herr Merz hat sicherlich aus anderen Gründen seine Zustimmung verweigert als Herr Lauterbach. es würde mich interessieren, welche Aspekte für Sie den Ausschlag gegeben haben, dieser Reform Ihre Zustimmung zu verweigern. Da ich selbst der Reform vorwiegend kritisch gegenüber stehe, würde mich Ihre Aussage diesbezüglich sehr interessieren.
mit freundlichen Grüßen
Peter Ziegler
Sehr geehrter Herr Ziegler,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 09. Februar 2007, die Sie mir über die Internetplattform Abgeordnetenwatch haben zukommen lassen und sich für mein „Nein“ zur Gesundheitsreform interessieren.
Unser Gesundheitssystem ist sehr komplex. Die am 02. Februar 2007 beschlossene Reform versucht einerseits die Finanzierbarkeit der erbrachten Leistungen sicher zu stellen und andererseits die Struktur der Gesetzlichen Kassen, der Privaten Krankenversicherungen sowie der Leistungsanbieter (wie Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken usw.) neu zu ordnen oder zu verbessern.
Hintergrund ist, dass die Kosten in unserem Gesundheitssystem ständig steigen. Das wäre auch so, wenn es keine Reform gäbe. Die Reform versucht, diese Kostensteigerungen aber sinnvoll zu begrenzen. Die Qualität der Leistungen im deutschen Gesundheitssystem wird in internationalen Studien durchaus als weltweit führend betrachtet. Die dabei entstehenden Kosten allerdings sind zu hoch. Unsere Gesellschaft wird nicht zuletzt durch den ständig steigenden medizinischen Fortschritt immer älter, was natürlich auch bestimmte Kosten im Gesundheitssystem erhöht. Die Medizintechnik selbst macht dabei große Fortschritte, die aber entsprechend teuer ist. Außerdem sind die Medikamentenpreise in Deutschland im Vergleich zu den umgebenden europäischen Ländern meiner Ansicht nach viel zu hoch.
Deshalb hat die Reform verschiedene Bestandteile verabschiedet, um z.B. die Kosten für Medikamente zu begrenzen oder die Krankenhäuser durch einen Sparbeitrag noch mehr zu wirtschaftlichem Handeln zu bewegen. Die Krankenkassen können durch Verhandlungen mit Pharmaherstellern Rabatte erwirken, die den Versicherten zu Gute kommen sollen. Neu ist, dass ab 2008 zunächst mit 2,5 Milliarden Euro bis 2016 mit dann 14 Milliarden Euro die Kosten der beitragsfreien Mitversicherung der Kinder bei den Gesetzlichen Krankenkassen schrittweise durch den Steuerzahler übernommen werden. Somit gibt es neben den Beiträgen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber also künftig auch Steuermittel, die gezielt und ergänzend für die Mitversicherung der Kinder aus dem Steuerhaushalt erbracht werden. So sollen die Beiträge der Versicherten mittelfristig begrenzt werden. Leider gelingt das nicht schon jetzt. Aktuell haben die Kassen zu Beginn des Jahres ihre Beiträge zwischen 0,5 und fast einem Prozent erhöht.
Neu ist auch, dass alle Bürgerinnen und Bürger, die sich bislang eine Krankenkasse nicht mehr leisten konnten, versichert werden müssen (so genannter Kontrahierungszwang). Damit wird sichergestellt, dass Menschen mit finanziellen Problemen auch krankenversichert sind, um im Bedarfsfall behandelt werden zu können. Bei Arbeitslosigkeit zahlt wie bisher die Arbeitslosenversicherung auch einen Beitrag zur Krankenkasse. Das ist sozialpolitisch wichtig und hat auch einen ökonomischen Hintergrund. Würden Menschen mit finanziellen Problemen nicht mehr behandelt, wären die Folgekosten für die Gesellschaft dramatisch. Außerdem geht es hier auch um humane und soziale Grundwerte. Eine gute medizinische Versorgung ist für die Menschen eine Lebensversicherung. Mittlerweile arbeiten im gesamten Gesundheitswesen fast 4,5 Millionen Menschen. Zudem ist dieser Sektor einer der wenigen, wo künftig qualifizierte und neue Arbeitsplätze entstehen können.
Wie Sie in den Protokollen des Deutschen Bundestags nachlesen können, habe ich gegen das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz gestimmt. Meiner Entscheidung lag die Tatsache zu Grunde, dass neben den sehr zu befürwortenden positiven Aspekten des Gesetzes, die Negativauswirkungen sowohl auf die Versicherten als auch auf den Bundeshaushalt zu groß waren, als dass ich hätte zustimmen können.
Mit dem Gesetz soll die Finanzierung für gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie z.B. die Kindermitversicherung auf eine ausgebaute steuerfinanzierte Grundlage gestellt werden. Dies leistet das Gesetz auch, allerdings ohne eine solide Gegenfinanzierung festzusetzen. Als Hauptberichterstatter für den Gesundheitsetat im Haushaltsausschuss konnte ich diesem nicht zustimmen. Des Weiteren erfahren die PKVs auch nach in Krafttreten des GKV-WSG eine Sonderbehandlung, indem sie abermals nicht für gesamtgesellschaftliche Aufgaben herangezogen werden. Ein anderer maßgeblicher Beweggrund für mein NEIN zu dieser Reform war die Tatsache, dass das Gesetz die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen nicht oder nur unzureichend zu begrenzen vermag. Für 2007 haben die GKVs spürbare Beitragserhöhungen beschlossen. Diese werden durch das GKV-WSG befördert und schaden letztlich den Versicherten.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Ewald Schurer, MdB