Frage an Ewald Schurer von Ernst G.
Sehr geehrter Herr Schurer!
Wie Spiegel online berichtet will die EU das Freihandelsabkommen CETA auch ohne Zustimmung der nationalen Parlamente in Kraft setzen. Ist CETA erst in Kraft, können Konzerne Deutschland vor privaten Schiedsgerichten verklagen, wenn sie ihre Investitionen durch deutsche Gesetze zum Umwelt- oder Sozialschutz bedroht sehen. Bitte teilen Sie mir mit, ob der Bericht des Spiegel zutrifft, und auch, ob in CETA Regelungen enthalten sind, die Konzernen und Banken Rechte einräumen, Gesetzesvorlagen zu „regulieren“, bevor sie das deutsche Parlament beschließt. (Regulatorische Kooperation)
Wundert es Sie, dass ein Großteil der Briten für einen Austritt Englands aus der EU gestimmt hat, wenn nationale Parlamente auf diese Weise entmachtet werden?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Grill
Sehr geehrter Herr Dr. Grill,
am 13. Mai haben die EU-Handelsminister auf ihrer Ratstagung in Brüssel das Ergebnis der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) vorgestellt. Dabei haben die EU-Handelsminister ein deutliches Zeichen für das weitere Vorgehen beim fertig ausgehandelten CETA- Abkommen gesetzt: Sie wollen dessen Inkraftsetzung von der Zustimmung aller nationalen Parlamente abhängig machen.
Die Entscheidung der Handelsminister, dass es sich bei CETA um ein «gemischtes Abkommen» handelt, begrüßen meine Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion und ich sehr. Falls die EU-Kommission das CETA-Handelsabkommen als eine reine EU-Angelegenheit einstufen würde, würde der Rat dieses Votum überstimmen und eine Beteiligung der Mitgliedsstaaten durchsetzen.
Das CETA-Abkommen sieht, entgegen Ihrer Behauptung, keine privaten Schiedsgerichte vor. Die Sozialdemokraten hatten klargestellt, dass es im Investitionsschutz substanzielle Veränderungen geben und der Rohtext geändert werden musste, so dass rechtsstattliche Prinzipien gelten, d.h. es bedarf öffentlicher Richterinnen und Richter sowie eines verpflichtenden Revisionsmechanismus. Zudem wurde ausgeschlossen, dass staatliche Gesetzgebung oder Änderung von Gesetzgebungen als Klagegrund dienen. Im Rahmen von CETA soll ein modernes Investitionsschutzsystems installiert werden und eine Art unabhängiger internationaler Handelsgerichtshof entstehen. Die deutsche Fassung des CETA-Vertragstexts liegt ab dem 5. Juli vor. Dann werden weitere Details analysiert.
Die EU hat für mich momentan zwei große Probleme: (1.) Sie vermarktet ihre Aufgaben und Erfolge nicht ausreichend. (2.) Es gibt eine Vielzahl von ungelösten Problemen. Hier sind allen voran die fehlende Solidarität in der Flüchtlingspolitik und die Uneinigkeit in der Bekämpfung der (Jugend-) Arbeitslosigkeit zu nennen. Zudem herrscht auch teilweise ein Desinteresse bezüglich EU-Themen vor. Ein Grund hierfür ist die Komplexität der politischen Zusammenhänge in der heutigen Zeit. Auch mit „normalem politischen Interesse“ bleibt den Bürgerinnen und Bürgern kaum die Zeit, sich intensiv mit den verschiedenen politischen Ebenen zu beschäftigen. Hier müssen wir bessere Aufklärungsarbeit leisten, damit Entscheidungen für Jedermann nachvollziehbar sind.
Die Entscheidung zum Austritt der Britten aus der EU bedauere ich sehr. Die Entscheidung zeigt aber auch, dass der europäische Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger klarer erkennbar werden muss. Jetzt gilt es, zusammen für ein freiheitliches, solidarisches, gerechtes, sicheres und fortschrittliches Europa einzutreten. Ängste müssen ab- und Vertrauen wieder aufgebaut werden. Dies wird sicherlich keine einfache, aber auch keine unlösbare Aufgabe.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Schurer