Portrait von Ewald Schurer
Ewald Schurer
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ewald Schurer zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Ernst G. •

Frage an Ewald Schurer von Ernst G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schurer!
Ich bin nichts rechts, ich bin unzufrieden! Wie die folgenden Beispiele zeigen, machen die Volksparteien eine Politik, die in erster Linie reichen Konzernen und nicht der arbeitenden Bevölkerung nutzt:
• Zinsen in der Höhe von knapp 0% für Spareinlagen schädigen die Altersvorsorge,damit sich Schuldenstaaten sanieren können.
• Gewinne der Banken werden privatisiert, Verluste trägt der Steuerzahler
• Die Regierung hält weiter an Gesetzen fest, die reichen Konzernen die legale Steuerflucht ermöglicht.
• Ist TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) erst in Kraft, können Konzerne Deutschland vor privaten Schiedsgerichten verklagen, wenn sie ihre Investitionen durch deutsche Gesetze zum Umwelt- oder Sozialschutz bedroht sehen. Falls sie mit ihrer Klage erfolgreich sind, kann der Steuerzahler mit Milliardenbeträgen belastet werden. (Beispiel: Klage von Vattenfall gegen den Atomausstieg)
• Der Einstieg, Bargeldzahlungen abzuschaffen, ist zugleich der Einstieg in den gläsernen Bürger. Zudem werden sich Banken hüten, negative Zinsen auf Sparguthaben zu verlangen, solange Bargeld existiert.

Glauben Sie, dass die Verluste der Volksparteien damit etwas zu tun haben?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Grill

Portrait von Ewald Schurer
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Grill,

ich danke Ihnen für Ihre Nachricht und nutze diese Gelegenheit, um Ihnen ausführlich auf die von Ihnen angesprochenen Punkte zu antworten.

Zinsniveau:
Persönlich halte ich ein Zinsniveau von null Prozent zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht für richtig. Allerdings besteht eine Unabhängigkeit der EZB im institutionellen Rahmen für die einheitliche Geldpolitik (nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, und der EZB-Satzung). Gleiches gilt übrigens für die deutsche Bundesbank. Dies bedeutet, eine Einflussnahme der Politik auf das Zinsniveau wurde bewusst ausgeschlossen.

Behandlung von Banken in der Schuldenkrise:
Es gibt viele Punkte die für eine Bankenrettung, aber auch einige Argumente, die dagegen sprechen. Viele Bürgerinnen und Bürgern haben beispielsweise ihre Altersvorsorge zusätzlich über ein Bankinstitut abgesichert. Sollte eine Bank pleitegehen, wären auch die privaten Altersvorsorgen ihrer Kunden nicht mehr gesichert. Sollte die Pleite einzelner Baken eine Panik bei anderen Kreditinstituten nach sich ziehen, würden die Kunden ihr Geld insgesamt abziehen und die Institute würden, wie in der Weltwirtschaftskrise 1929, zu Grunde gehen und mit ihnen ein Großteil der privaten Geldeinlagen. Die Bankenrettung war also notwendig. In Deutschland garantieren Sparkassen und Genossenschaftsbanken die Einlagen ihrer Kunden über das System der Institutssicherung. 80% der Bürgerinnen und Bürger sind Kunden bei einem der beiden Finanzinsgruppen und daher auch in einer potentiellen weltweiten Wirtschaftskrise gut abgesichert. Ich bin auch dafür, dass Nutznießer des bis dahin weitestgehend zügellosen Finanzsektors die gesellschaftlichen Kosten mit tragen sollten. Dafür sollten wir über eine europäische Transaktionssteuer, einen erhöhten Spitzensteuersatz, eine erhöhte Erbschaftsteuer sowie eine erhöhte Kapitalertragssteuer auf Zinsen sowie Dividenden nachdenken.

Steuerflucht:
Steuerflucht ist kein Problem, welches nur mit nationalen Gesetzen bekämpft werden kann. Gerne erläutere ich Ihnen, was die Bundesregierung in diesem Bereich in der aktuellen Legislaturperiode unternommen hat. In der Tat ist es so, dass durch nationale Gesetze in einigen Mitgliedsstaaten der EU „Steueroasen“ entstanden sind. Diese müssen mit Nachdruck bekämpft werden. Am 28. Januar 2016 hat die Europäische Kommission daher ein Maßnahmenpaket vorgestellt, das die Steuervermeidungs-praktiken bekämpfen soll. Den Inhalt können sie im Internet nachlesen (Anti-Tax Avoidance Package). Zudem ist seit dem 8. Dezember 2015 ein automatischer Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten über Steuerinformationen in Kraft getreten. So können die nationalen Steuerfahndungen nachvollziehen, ob und in welcher Höhe ein Unternehmen in der EU Steuern zahlt. Ergänzend müssen die EU-Mitgliedsstaaten die europäischen Richtlinien zur Steuerpolitik in nationales Recht umsetzen. Ferner tritt die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür ein, dass es eine Angleichung der Gewinnermittlung von Unternehmen in Europa gibt, um den Binnenmarkt zu harmonisieren, Transparenz und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu fördern und dadurch steuerliche Fehlentwicklungen zurückzudrängen. Das Problem der Steuerflucht ist ein internationales Problem – dies zeigen die aktuell veröffentlichten „Panama-Papers“. Die Geldgier der Superreichen verbindet sich mit der Gewissenlosigkeit im Banken- und Finanzsektor. Beides zerstört das Vertrauen in den Rechtsstaat. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein Teil der Gesellschaft hart arbeitet, sich an die Regeln hält und Steuern zahlt, während ein anderer Teil die Gesellschaft betrügt. International müssen wir zu einheitlichen Bestimmungen kommen, die gegen dieses asoziale Verhalten vorgeht.

TTIP:
Ich verstehe Ihre Kritik an den aktuellen Verhandlungen der TTIP-Unterlagen und teile diese auch größtenteils in gewissen Punkten. Generell sind internationale Handelsabkommen für die exportorientierte deutsche Wirtschaft und die davon abhängenden Arbeitsplätze von großer Bedeutung. Für mich und für viele meiner SPD-Kolleginnen und -Kollegen gilt in diesem Zusammenhang allerdings, dass deutsche und europäische Standards und Errungenschaften nicht zur Diskussion stehen dürfen. Dies betrifft die Arbeitnehmerrechte und Arbeitsstandards, das Recht der Mitbestimmung, der Betriebsverfassung und der Tarifautonomie sowie Umweltstandards, Lebensmittel, kommunale Daseinsfürsorge, Kultur etc.. Konkret bedeutet das für mich, dass nationale Gesetze oder Vorschriften eines EU-Mitgliedsstaates für Beschäftigung oder soziale Sicherungsmaßnahmen, Vorschriften über Lohnverhandlungen, das Streikrecht, Mindestlöhne und Tarifverträge durch TTIP nicht gefährdet sein dürfen. Sollte eins dieser Gebiete durch TTIP eingeschränkt werden, werde ich dem Vertrag in einer wahrscheinlichen Abstimmung nicht zustimmen.

Bargeldzahlung:
Es gibt Argumente, die eine Begrenzung der Bargeldzahlung durchaus nachvollziehbar machen. Zu nennen wären beispielsweise die gestiegene Terrorgefahr und der Umfang an Geldwäsche durch Mafia und Organisierte Kriminalität. Nach neuesten Schätzungen werden jährlich bis zu 100 Milliarden Euro illegal erwirtschafteten Vermögens in Deutschland gewaschen. Ich bin allerdings nicht davon überzeugt, dass Ziele und Zweck der Kriminalitätsbekämpfung mit einer Obergrenze für Barzahlungen wirklich erreicht werden. Daher vertrete ich die Meinung, dass wir in einer zunehmend globalisierten und digitalisierten Welt zur Bekämpfung des Terrorismus und der Geldwäsche nicht bei einer Begrenzung der Bargeldzahlung beginnen sollten. Einer Begrenzung der Bargeldzahlung werde ich nicht zustimmen. Zum einen möchte ich nicht, dass wir den Eindruck bekommen, dass das Bargeld nach und nach entzogen wird. Zum anderen sollten wir selbst entscheiden können, ob wir lieber mit Bargeld oder bargeldlos bezahlen möchten.

Mit freundlichen Grüßen
Ewald Schurer MdB