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Ewald Schurer
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Frage von Tobias F. •

Frage an Ewald Schurer von Tobias F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schurer,

da ich mich aktuell informiere, wem ich meine Erststimme geben soll, habe ich mehrere Fragen:

1) Wie stehen Sie zu direkter Bürgerbeteiligung (Bundesweite Volksbegehren, usw)? Sehen Sie dies als sinnvoll an? Würden Sie zu kontroversen/wichtigen Themen Ihren Wahlkreis befragen (in Form einer Umfrage, z.B.) und nicht nur auf Ihre Parteikollegen hören?

2) Was sagen Sie zu den aktuellen Enthüllungen bzgl. der NSA, PRISM, usw.? Sehen Sie das die Bundesregierung da genug getan hat? Wie bringen Sie persönlich als Abgeordneter sich hier ein?

3) Wie stehen Sie zu Transparenz in der politischen Entscheidungsfindung? Wären Sie bereit, alle Treffen mit Lobbyisten inklusive Details zu veröffentlichen? Und auch alle Ihre Nebenverdienste (z.B. für eventuelle Vorträge) detailliert (natürlich ohne personenbezogene Daten) aufzulisten? Auf Ihrer Homepage finde ich nur Daten über Ihre Einkünfte als Bundestagsabgeordneter?

4) Sie haben für das Anti-Korruptions-Gesetze gestimmt. Würden Sie auch einem Vorschlag der CDU/CSU zustimmen, um die Sache voranzubringen?

5) Wären Sie bereit, auch gegen den Willen der Fraktionsspitze abzustimmen? Also nur Ihrem eigenen Gewissen nach, so wie es das Grundgesetz vorsieht? Auch wenn dies dann Konsequenzen haben könnte?

Vielen Dank im Voraus!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Friebel,

vielen Dank für die Übermittlung Ihrer fünf Fragen. Gerne nehme ich dazu wie folgt Stellung:

zu Frage 1:

Die SPD fordert in Ihrem Regierungsprogramm die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auch auf Bundesebene. Für die Mehrheit, die für eine dafür notwendige Grundgesetzänderung erforderlich ist, will die SPD über alle Fraktionsgrenzen hinaus werben.

Da wir in Bayern direktdemokratische Verfassungselemente bereits lange in unserer Landesverfassung festgeschrieben haben - übrigens eine Leistung des ehemaligen sozialdemokratischen Staatsrechtlers und späteren bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner - unterstütze ich deren Anwendung bei ausgewählten Projekten selbstverständlich auch in meinem Wahlkreis.

Hingegen halte ich es für falsch, die Bevölkerung zu jedem kontroversen Thema zu befragen oder sich bei politischen Entscheidungen allein auf Umfragen zu verlassen. Umfragen sind keine konkreten Aussagen, und als solche weder belastbar noch verlässlich. Auch gehört es zur politischen Vernunft, vor jeder wichtigen Entscheidung den Entscheider umfassend zu allen Aspekten des Themas zu informieren. Dies ist schlicht und einfach nicht bei allen Themenkomplexen leistbar. Ich plädiere aus diesem Grund dafür, den gewählten Vertreten das politische Alltagsgeschäft zu überlassen und Ihnen hierfür auch das notwendige Vertrauen entgegenzubringen, und nur bei Entscheidungen von erheblicher politischer Bedeutsamkeit auf Instrumente direkter Demokratie zurückzugreifen.

zu Frage 2:

Sollten sich die Ausspähaktionen des amerikanischen Geheimdienstes NSA im Rahmen der PRISM-Affäre so darstellen, wie es derzeit aussieht, nämlich dergestalt, dass die NSA unkontrolliert und ungefiltert beliebige Daten von Bundesbürgern ausgespäht hat, dann müssen sich hieraus deutliche Konsequenzen ergeben.

Die Bundesregierung steht in der Pflicht, die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Leider ist der Bundesinnenminister Friedrich von seinen Gesprächen in den USA zurückgekehrt und hat die Ausspähaktionen gerechtfertigt, da sie auch in Deutschland terroristische Anschläge verhindert hätten. Dazu liegen mir keine verwertbaren Informationen vor, aber für mich gilt ganz klar: der Zweck heiligt nicht alle Mittel!

Die SPD wird versuchen weiter aufzuklären und einen Zielkatalog und erste Maßnahmen definieren, um die laufenden Verstöße politisch noch einmal sauber herauszuarbeiten sowie die genannten Gegenmaßnahmen über Anträge und Initiativen im Deutschen Bundestag rasch einzubringen. Selbstverständlich werde ich diese Initiativen als Haushälter für Justiz massiv unterstützen. Die SPD hat die Bundesregierung bereits jetzt aufgefordert, als ersten Schritt die USA dazu zu bringen, die bereits gespeicherten Daten deutscher Bürgerinnen und Bürger durch das US-Programm „PRISM“ unverzüglich zu löschen.

Der Handhabung der Bundesregierung ist mehr als mangelhaft. Ich will Aufklärung. Ich möchte wissen, ob deutsche Bürger oder Unternehmen ausspioniert wurden und immer noch werden. Dieser Skandal ist noch lange nicht beendet, auch wenn Kanzleramtsminister Pofalla diesen Eindruck verordnen möchte.

zu Frage 3:

Transparenz ist für den demokratischen Prozess unverzichtbar! Im SPD-Regierungsprogramm heißt es: „Damit Entscheidungsprozesse nachvollziehbar werden, wollen wir ein verpflichtendes Lobbyregister auf gesetzlicher Grundlage beim Deutschen Bundestag einrichten.“ Meine Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion und ich haben deshalb bereits in dieser Wahlperiode den Antrag „Interessenvertretung sinnvoll regeln – Lobbyismus transparent machen“ (Bundestagsdrucksache 17/6442) in den Bundestag eingebracht.

In einer SPD-geführten Regierung werden wir die gesetzlichen Bestimmungen so reformieren, dass alle Bundestagsabgeordneten, also auch ich, Einkünfte aus ihren Nebentätigkeiten vollständig auf Euro und Cent offen legen müssen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dazu bereits in dieser Wahlperiode den Antrag „Transparenz bei Nebeneinkünften herstellen durch Veröffentlichungspflicht auf Euro und Cent“ (Bundestagsdrucksache 17/11331) eingebracht, der jedoch von den schwarz-gelben Regierungsfraktionen abgelehnt wurde.

Auf der Seite des Deutschen Bundestages finden Sie natürlich auch alle Informationen über meine Person.

zu Frage 4:

Um einem Vorschlag der Unionsfraktionen in dieser Angelegenheit zustimmen zu können, müsste es einen solchen Vorschlag erst einmal geben. Die SPD hat im Rechtsausschuss mehrere Anläufe unternommen, um einen konsensfähigen Kompromiss zur Verhinderung von Abgeordnetenbesprechung zu unternehmen – leider bisher ohne Erfolg! Schwarz-Gelb hat eine Abstimmung ganze sieben Mal ohne Begründung von der Tagesordnung nehmen lassen. Das ist gelinde gesagt die Verhinderung von Parlamentarismus.

Wir als SPD halten eine umfassendere gesetzliche Regelung zur Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung für dringend erforderlich. Nach geltendem Recht ist nur der Stimmenkauf- bzw. verkauf bei Wahlen und Abstimmungen gemäß § 108e StGB strafbar. Diese Vorschrift reicht jedoch nicht aus, alle strafwürdigen Verhaltensweisen von Abgeordneten zu erfassen. Die Notwendigkeit einer weitergehenden gesetzlichen Regelung der Abgeordnetenbestechung ergibt sich zudem aus internationalen Vorgaben, wie dem Strafrechtsübereinkommen des Europarates und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption. Ohne eine strafrechtliche Reglung kann das von der Bundesrepublik im Jahre 2003 unterzeichnete UN-Antikorruptionsübereinkommen – anders als in 165 anderen Vertragsstaaten – von Deutschland weiterhin nicht ratifiziert werden. Wir befinden uns damit in einer Reihe mit Staaten wie Nordkorea, Syrien und Saudi-Arabien. Das ist ein Skandal und schadet dem Ansehen Deutschlands in der Welt.

Im Februar 2012 hat die SPD-Bundestagsfraktion daher einen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung (17/8613) in den Bundestag eingebracht. Danach macht sich der Abgeordnete strafbar, wenn er einen Vorteil für sich oder einen Dritten dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag vornimmt oder unterlässt.

Die Koalitionsfraktionen haben die Abstimmung im Plenum durch stetige Vertagung der abschließenden Beratung im Rechtsausschuss verhindert. Die Koalition wollte sich auf diese Weise der Diskussion um die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Regelung entziehen. Nur durch einen Geschäftsordnungstrick konnten wir die Koalition kurz vor der Sommerpause und damit dem Ende der Legislaturperiode zu einer Positionierung im Plenum zwingen. Obwohl es auch in der Union vereinzelte Stimmen gibt, die eine strafrechtliche Regelung fordern, war die Fraktionsdisziplin stärker: es gab keine Zustimmung aus den Reihen der Union. Es hat damit den Anschein, dass die Mehrzahl der Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kein Interesse daran hat, wirksame Gesetze gegen Abgeordnetenbestechung zu erlassen.

zu Frage 5:

Wenn Sie mein Abstimmungsverhalten der vergangenen Legislaturperiode, beispielsweise hier bei abgeordnetenwatch.de, zurückverfolgen, so werden Sie feststellen, dass der Anspruch des Grundgesetzes, nachdem Abgeordnete nur Ihrem Gewissen verpflichtet sind, in meinem Stimmverhalten eindeutig zum Ausdruck kommt. Ein Beispiel hierfür stellt die Abstimmung zum Europäischen Fiskalpakt dar, wo ich, entgegen der Mehrheit meiner Fraktionskollegen, gegen die Einführung einer europäischen Schuldenbremse gestimmt habe. Als Haushaltspolitiker war ich mir bewusst, welche schwerwiegenden sozialen Einschnitte eine konsequente Umsetzung der infolge der Schuldenbremse betriebenen Austeritätspolitik haben konnte – diese Einschnitte ins soziale Netz waren und sind mit meinem auf sozialen Ausgleich angelegten Politikverständnis unvereinbar.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Schurer