Frage an Ewald Schurer von Gerhard F. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schurer,
wenn ich mich recht erinnere, dann gehört zu Ihren Fachgebieten auch das Gesundheitswesen. Ich habe deshalb eine Frage zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen und zwar zur Beitragsbemessungsgrenze. Warum gibt es sie und wozu dient sie? Sie führt dazu, dass z.B. ein Angestellter mit 60.000€ Jahresgehalt genauso viel Krankenkassenbeiträge bezahlt wie einer mit 600.000€ Jahresgehalt. Diese Zahlen habe ich aus einem Bericht in den Medien dunkel in Erinnerung. Eine deutliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze bzw. ihre Abschaffung würde wesentliche Mehreinnahmen für die Krankenkassen bedeuten, so dass die bereits beschlossene Beitragserhöhung - die insbesondere Geringverdiener belastet - evtl. entfallen könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Fuchshuber
Sehr geehrter Herr Fuchshuber,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die Sie mir über das Internetportal www.abgeordnetenwatch.de haben zukommen lassen. Darin hinterfragen Sie kritisch die Ausgestaltung der Beitragsbemessungsgrenze in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung wie zur sozialen Pflegeversicherung werden nur bis zu einer bestimmten Einkommensobergrenze erhoben. Die Beitragsbemessungsgrenze wird jährlich an die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung aller Versicherten angepasst. Die Beitragsbemessungsgrenze beträgt für das Jahr 2010 für alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung 45.000 Euro jährlich (2009: 44.100 Euro) bzw. 3.750 Euro monatlich (2009: 3.675 Euro). Übersteigt das für die Beitragsleistung zu berücksichtigende Einkommen diese Grenze, so sind von dem übersteigenden Betrag keine Beiträge zu zahlen.
So entsteht natürlich schnell das Gefühl, dass Personen, die Einkünfte oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung haben, einen wesentlich geringeren Teil ihrer Einkünfte als Beitrag zum Sicherungssystem aufbringen müssen als Personen mit niedrigen Einkommen. Sie beschreiben dies in Ihrer Anfrage.
Würde man die Beitragsbemessungsgrenzen jedoch abschaffen, so hätte dies zur Folge, dass Personen mit hohen und sehr hohen Einkünften Beiträge zu leisten hätten, die zwar für sie bezahlbar erscheinen, jedoch in keinem adäquaten Verhältnis zu der zu erwartenden Leistung mehr stünden und nicht dem Charakter der Versicherung entsprechen.
Die Begrenzung der Beitragspflicht gehörte von Beginn an zu den Grundprinzipien der gesetzlichen Sozialversicherungen. Bis zur Einführung der Beitragsbemessungsgrenze durch die Rentenreformgesetze des Jahres 1957 sorgten dafür die so genannten Beitragsklassen und in der Rentenversicherung für Angestellte die Jahresarbeitsverdienstgrenze als Versicherungspflichtgrenze. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Grenze in ständiger Rechtsprechung gebilligt. Dadurch werde nicht nur die Beitragsbelastung für Versicherte mit hohen Einkommen begrenzt sondern auch das Gewicht des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit durch die Zwangsversicherung gemindert.
In der gesetzlichen Krankenversicherung würde die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze dazu führen, dass Mitglieder mit hohem Einkommen das System verlassen, um sich günstiger privat zu versichern. Je höher der Beitrag würde, desto größer wäre der Anreiz, der gesetzlichen Krankenversicherung den Rücken zu kehren.
Deswegen tritt die SPD für eine Bürgerversicherung ein, in die alle mit ihren Einkommen einzahlen. Sie würde Gutverdienende, Beamte und Selbständige in das solidarische System der Krankenversicherung einschließen. Außerdem würden nach diesem Versicherungsprinzip - alle zahlen in einen Topf - die Beitragssätze auch langfristig stabil gehalten werden können.
Jedoch müssen hinsichtlich der verschiedenen Sozialversicherungszweige unterschiedliche Ausgestaltungen der Beitragserhebung gefunden werden. Eine Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze erscheint auch im Bürgerversicherungsprinzip der SPD wegen des Äquivalenzprinzips und den damit verbundenen hohen verfassungsrechtlichen Hürden äußerst schwierig. Ohne Beitragsbemessungsgrenze würde der Beitrag für die Bürgerversicherung wie eine Steuer erhoben und es könnten Beiträge von mehreren hundert tausend Euro anfallen; das würde das solidarische System stark in Frage stellen.
Sicherlich ist auch mit der Beitragsbemessungsgrenze keine vollständige Äquivalenz zwischen Versicherungsleistung und Beitrag gegeben, dennoch stellt sie eine guten Kompromiss zwischen einem Steuersystem und einem Äquivalenzprinzip dar, der auch Einkommensunterschiede berücksichtigt.
Um aber auch langfristig das solidarische System mit einer Beitragsbemessungsgrenze zu fördern, wäre es sinnvoll die jetzige Beitragsbemessungsgrenze schrittweise auf das jetzige Niveau der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (derzeit: 5.100 Euro ) anzuheben, bei gleichzeitiger Einbeziehung anderer Einkommen - nur das ist sozial gerecht und nur so erhalten wir ein stabiles und gerechtes Gesundheitssystem.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Ewald Schurer, MdB