Frage an Ewald Schurer von Jörg D. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Schurer,
der berühmte Satz des ehemaligen Verteidigungsministers Peter Struck:"Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt." soll eine präzise Aussage darstellen. Peter Struck war meineswissens Ihr Kollege in der Partei. Ich sehe hier in diesem Satz ein Objekt, ein Prädikat und ein Subjekt, jedoch vermisse ich die präzise Aussage. Wieso hängt Deutschlands Sicherheit am Hindukusch? Falls Sie Lust und Zeit haben würde ich Sie bitten mir diesen Sachverhalt zu erklären, vor allem auch in dem Zusammenhang Ihrer Zusage zu diesem Einsatz.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
J. Dütsch
Sehr geehrter Herr Dütsch,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die Sie mir über das Internetportal www.abgeordnetenwatch.de haben zukommen lassen.
In meinem Antwortschreiben vom Monat April 2010 erörterte ich Ihnen bereits die Hintergründe des Afghanistaneinsatzes. Gern nehme ich zum sog. „Struck-Zitat“ Stellung und erläutere Ihnen meine persönlichen Entscheidung wie folgt:
Von Beginn an ist Deutschland der Bitte des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gefolgt, sich am Einsatz der „Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan“ (ISAF) zu beteiligen. Die Zustimmung erfolgte als wesentlicher Beitrag Deutschlands, den Weg eines Landes nach 20 jährigem Bürgerkrieg in einen geordneten und systematischen Wiederaufbau zu ermöglichen. Ziviler Wiederaufbau und Entwicklung können ohne hinreichend sicheres Umfeld nicht gelingen.
Trotz Fortschritten ist die afghanische Regierung noch nicht in der Lage, in allen Teilen des Landes eigenständig für Sicherheit und Stabilität zu sorgen. Leider hat sich die Sicherheitssituation im Norden des Landes sogar verschlechtert. Eine Fortsetzung des internationalen Engagements ist auch deshalb unerlässlich, um zu verhindern, dass das Land in die Zeit des Bürgerkriegs und der Terrorherrschaft der Taliban zurückfällt. Das würde die gesamte Region destabilisieren und jedwede Form von Fortschritt zunichte machen. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde Afghanistan erneut zum Rückzugsraum des internationalen Terrorismus werden. Bei Anrainerstaaten wie dem Iran oder Pakistan - Länder, die nachweislich im Besitz nuklearer Waffen sind - wären die Folgen verheerend. Davon wäre auch Deutschland betroffen, das sich längst im Visier von Terroristen befindet. Deswegen gilt der Satz des Bundesministers der Verteidigung a.D., Dr. Peter Struck:
„Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt, wenn sich dort Bedrohungen für unser Land, wie im Falle international organisierter Terroristen, formieren.“
meines Erachtens noch genauso. Im Originalzitat wird, wie ich finde, durch die Einschränkung „nicht nur, aber auch“ deutlich gemacht, dass unsere Sicherheit überall dort geschützt werden muss, wo sie bedroht wird. Und der richtige Ansatz dazu ist, ein stabiles Afghanistan zu schaffen, dass positiv in gefährdete Regionen ausstrahlt und keinen Rückzugsraum für terroristische Gruppierungen bietet.
Neben wirtschaftlichem und sozialem Aufbau (Energieversorgung, Trinkwasserversorgung, Basisgesundheitsversorgung) gehört vor allem der Ausbau der Grund- und Berufsbildung sowie die Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Frauenrechten dazu, ein Land zu stabilisieren. Es ist nicht Aufgabe und Ziel von ISAF, einen „Krieg“ in Afghanistan zu führen. Schwerpunkt des deutschen Afghanistan-Engagements muss auch weiterhin der Wiederaufbau und die Unterstützung der afghanischen Regierung zur Übernahme der Sicherheitsverantwortung im Land sein.
Dennoch zeigen die Übergriffe durch die Taliban und die dramatischen Verluste in den Reihen der deutschen Soldaten, dass wir uns zunehmend in einer Kriegssituation befinden. Auch deswegen wäre ein abrupter Ausstieg aus der militärischen Unterstützung zum jetzigen Zeitpunkt falsch. Wir müssen der neuen globalen Bedrohung mit einer konsequenten zivilen Konfliktbearbeitung und Krisenprävention entgegentreten. Und um die Zivilbevölkerung und auch die Truppen vor Ort zu unterstützen, brauchen wir die militärische Hilfe.
Ich habe mir die Entscheidung zur Verlängerung des Mandats nicht leicht gemacht - bei keinem Auslandseinsatz unserer Soldaten. Dennoch glaube ich, dass der neue Weg hin zu mehr afghanischer Eigenverantwortung (Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte) und somit nachhaltiger Stabilisierung des Landes, die Voraussetzung für die endgültige Beendigung des Einsatzes der Bundeswehr in einem zeitlichen Korridor zwischen 2013 und 2015 schaffen wird.
Mit der Erstellung des realen Zeitplans für die Rückübertragung der Verantwortung in afghanische Hände und der konkreten Abzugsperspektive habe ich der Neu-Mandatierung zugestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Schurer, MdB