Frage an Ewald Schurer von Ernst G. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Schurer,
in den Bilanzen der deutschen Banken stecken eine gigantische Menge toxischer Wertpapiere, die derzeit gar nicht und vielleicht nie mehr verkäuflich sind. Peer Steinbrück schätzt die Gesamtsumme dieser faulen Papiere auf 853 Milliarden Euro. Die sollen nun in eine oder mehrere „Bad Banks“ ausgelagert werden. Eine Bad Bank ist ein Institut, das auf Kosten des Steuerzahlers die toxischen Wertpapiere schluckt. Die übrigen Banken sind dann „Good Banks“ in denen die Bankmanager, die uns die schwerste Wirtschaftkrise seit Jahrzehnten beschert haben, weitermachen können wie bisher. So hält z.B. Herr Ackermann von der Deutschen Bank weiter an Eigenkapitalrenditen fest, die Deutschland in die gegenwärtige Krise geführt haben.
1.) Hier sollte das Gesetz für eine verbesserte Bankaufsicht Abhilfe schaffen. Hat der Bundestag über dieses Gesetz bereits abgestimmt, das laut ARD vom 25.3.2009 im Entwurf vorlag?
2.) Werden Sie dem Gesetz zur Auslagerung von Schrottanlagen bei privaten Banken wie bei Landesbanken am 3. Juli im Bundestag zustimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Grill
Sehr geehrter Herr Dr. Grill,
herzlichen Dank für Ihre E-Mail vom 19. Juni 2009 zur Auslagerung von toxischen Wertpapieren, die Sie mir über das Internetportal haben zu kommen lassen.
Durch die unmittelbaren Auswirkungen der Finanzkrise ist das Eigenkapital vieler Banken in den vergangenen Monaten stark angegriffen worden, in einzelnen Fällen waren umfangreiche Stützungsaktionen durch andere Banken bzw. den Staat erforderlich, um eine Insolvenz zu verhindern. Für einige Institute besteht nach wie vor akute Gefahr. Die Banken müssen wegen der erhöhten Risiken jetzt viele ihrer Aktivitäten mit erheblich mehr Eigenkapital absichern – Eigenkapital, das andererseits wiederum fehlt, um die Kreditvergabe an die Unternehmen auszuweiten und so die Konjunktur wieder in Gang zu bringen. Mit dem am 3. Juli 2009 in 2./3. Lesung beschlossenen Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung werden den Banken zwei alternative Lösungswege zur Bilanzreinigung angeboten. Als dritte Alternative wird den Ländern zusätzlich die Möglichkeit eingeräumt, nach Landesrecht eigene Konsolidierungsbanken zu errichten. Die teilnehmenden Banken müssen ein tragfähiges Geschäftsmodell nachweisen und Auflagen wie beispielsweise Gehaltsrestriktionen akzeptieren. Das Risiko für den Bundeshaushalt wird weitgehend minimiert. Vorweg darf ich Ihnen mitteilen, dass ich als Haushaltspolitiker dieses Gesetz mitgetragen habe.
Bei den Lösungswegen, die den Banken angeboten werden, handelt es sich einerseits um das sog. SPV-Modell (SPV = special purpose vehicle = Zweckgesellschaft) und andererseits um das sog. Konsolidierungsbankenmodell (auch Anstalt in der Anstalt oder „Bundes-Aida“). Das SPV-Modell war Gegenstand des ursprünglichen Gesetzentwurfs. Die dritte Alternative wird auch als „Landes-Aiden“ bezeichnet. Grundsätzlich stehen sämtliche Modelle allen Banken zur freiwilligen Nutzung offen. Von der Konstruktion her richtet sich allerdings das SPV-Modell eher an die privaten Institute, während das Konsolidierungsbankenkonzept speziell auch auf den Bedarf von Landesbanken zugeschnitten ist. Gerne gehe ich auf die einzelnen Alternativen kurz ein:
SPV-Modell
In diesem Modell ist ausschließlich die Auslagerung abwertungsbedrohter strukturierter Wertpapiere in eine Zweckgesellschaft möglich, die von der auslagernden Bank gegründet wird. Die Auslagerung der Papiere erfolgt zum Buchwert am 30.6.2008 – allerdings mit einem sofort fälligen Bewertungsabschlag von 10 Prozent (sofern dadurch das Kernkapital der auslagernden Bank nicht unter die Grenze von 7 Prozent sinkt). Im Austausch für die „toxischen“ Wertpapiere erhält die auslagernde Bank von der Zweckgesellschaft nicht handelbare, zentralbankfähige Schuldverschreibungen, die von der Finanzmarktstabilisierungsanstalt „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung“ (SoFFin) garantiert werden. Die Abwicklung der Risikopositionen wird zeitlich gestreckt: Die Papiere können - nach Erholung der Märkte – verkauft oder bis zur Endfälligkeit gehalten werden.
Für die Bilanzierung in der Zweckgesellschaft wird von unabhängigen Experten ein sog. Fundamentalwert als Ersatz für die zurzeit fehlenden Marktpreise der Papiere ermittelt. Die auslagernde Bank muss die Differenz zwischen dem Wert der Einbringung (Buchwert minus 10 Prozent) und dem Fundamentalwert in 20 gleichen Jahresraten an die Zweckgesellschaft erstatten und den erwarteten Wertverlust im Zeitverlauf verarbeiten. Beendet wird die Tätigkeit der Zweckgesellschaft durch Verkauf oder Fälligkeit sämtlicher verbliebener Papiere. Liegt der Wert bei Abwicklung dann doch einmal unter dem Fundamentalwert, muss die auslagernde Bank auch diese Differenz nachschießen. Wird der Fundamentalwert jedoch überstiegen, fällt der Überschuss an die auslagernde Bank zurück.
Das Risiko des Bundes besteht im SPV-Modell in den Garantien der SoFFin für die Schuldverschreibungen. Das wirtschaftliche Risiko der Zweckgesellschaft bleibt vollständig bei der auslagernden Bank, die über die Jahre für alle realisierten Wertverluste der Papiere aufkommen muss. Die Garantievergabe für dieses Modell erfolgt im Rahmen des bereits im Herbst geschaffenen Garantieschirms von insg. 400 Milliarden Euro. Jede teilnehmende Bank wird einem Stresstest unterzogen und muss den Gehaltsdeckel von 500.000 Euro akzeptieren.
Dadurch, dass Stresstest und Gehaltsdeckel jetzt zwingende Voraussetzung jeder Stützungsalternative mit Bundesbeteiligung sind, wird sicher gestellt, dass nur Banken geholfen wird, die wirklich Veränderungen im Sinne eines nachhaltig tragfähigen Geschäftsmodells sowie einer veränderten Gehaltsstruktur akzeptieren. Keine Leistung ohne Gegenleistung!
Konsolidierungsbankenmodell („Bundes-Aida“)
Alternativ oder ergänzend erhalten Banken mit dem Konsolidierungsmodell die Möglichkeit, auf Antrag eine sog. Abwicklungsanstalt bei der SoFFin („Bundes-Aida“) zu gründen, und in diese Anstalt Risikopositionen und nichtstrategische Geschäftsbereiche zum Buchwert zu übertragen und sich so zu entlasten. Die jeweilige Abwicklungsanstalt verwertet die Risikopositionen und wickelt die übertragenen Geschäftsbereiche ab. Das erfolgt unter Umständen über Jahre gestreckt. Es kann nur dann übertragen werden, wenn klar ist, dass das übertragende Unternehmen über ein tragfähiges Geschäftsmodell und eine angemessene Kapitalausstattung verfügt. Auch hier muss die abgebende Bank wie beim SPV-Modell Auflagen akzeptieren.
Wille des Gesetzgebers ist, dass Landesbanken das Konsolidierungsbankenmodell nur nützen dürfen, wenn sich die an der Bank beteiligten Bundesländer zu einer Neuordnung des Landesbankensektors bekannt haben und sich erste Konsolidierungsschritte abzeichnen. Es ist davon auszugehen, dass jede Inanspruchnahme des Modells von der Europäischen Kommission genehmigt werden muss – mit entsprechenden Restrukturierungsauflagen.
Für die Bewertung des Konsolidierungsbankenmodells ist wesentlich, wer für Verluste haftet, die sich evtl. bei der Verwertung bzw. Abwicklung der auf die „Bundes-Aida“ übertragenen Werte bzw. Geschäftsbereiche ergeben können. Dabei ist es gelungen, den Bund weitgehend aus der Haftung herauszuhalten: Für Verluste haften vielmehr die Eigentümer des abgebenden Instituts. Die Haftungsregeln für die Bundes-Aida stellen sicher, dass bei Landesbanken, die dieses Modell nutzen, die beteiligten Länder für alle entstehenden Verluste unbegrenzt entsprechend ihres Eigentümeranteils haften. Für die Sparkassen wurde die Haftung auf den Umfang ihrer Gewährträgerhaftung zum Stichtag 30.6.08 beschränkt. Darüber hinaus gehende Verluste sind aus Gewinnen der auslagernden Kernbank zu decken, wobei ggf. der Bund diesen Anteil vorfinanziert.
Konsolidierungsbank nach Landesrecht („Landes-Aida“)
Entsprechend einer Forderung der Länder wird zusätzlich die Möglichkeit eingeräumt, insbesondere für Landesbanken eine Konsolidierungsbank nicht unter dem Dach der SoFFin, sondern separat nach Landesrecht einzurichten. Das Gesetz enthält hierfür nur Rahmenbestimmungen. Die finanzielle Verantwortung für solche „Landes-Aiden“ tragen vollständig die einrichtenden Länder.
Die am Anfang Ihrer E-Mail gemachten Äußerungen möchte ich insofern beantworten, als dass wir dieses Gesetz nicht zum Schutz von Bankmanagern oder dem Streben einiger Weniger nach noch höheren Renditen gemacht haben. Stabile Finanzmärkte sind in der aktuellen Krise schlichtweg die Grundvoraussetzung für eine wirtschaftliche Erholung. Die Banken werden für ihre unverzichtbare wirtschaftliche Funktion als Kapitalgeber für Wirtschaft und Investition gebraucht. Handwerker, Häuslebauer, Selbständige und Mittelständler sind auf Kredite angewiesen, sonst ist ihre Existenz gefährdet und damit unmittelbar auch viele Arbeitsplätze. Wir haben bei der Verabschiedung sehr darauf geachtet, dass die betroffenen Banken unterm Strich nichts zum Nulltarif erhalten und zur Verantwortung für ihr Handeln herangezogen werden.
Was das Gesetz zur verbesserten Bankenaufsicht angeht, kann ich Ihnen mitteilen, dass wir in der zurückliegenden Sitzungswoche die Rechte der deutschen Finanzaufsicht erweitert haben. Gut ist, dass jetzt schneller reagiert werden kann. Im Einzelfall kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht künftig höhere Eigenmittel und Liquidität den Banken verordnen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hätte gerne weitere Rechte umgesetzt. Das war mit CDU/CSU nicht machbar. Auch deshalb haben wir in das SPD-Wahlprogramm mit aufgenommen, dass die Orientierung auf kurzfristige Spekulationen durch eine Börsenumsatzsteuer eingedämmt wird. Kein Markt, kein Produkt, kein Akteur darf in der Finanzwelt in Zukunft unbeaufsichtigt bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Ewald Schurer