Frage an Eva Jähnigen von Claudia H. bezüglich Bildung und Erziehung
Hallo Frau Jähnigen,
"Alle Kinder müssen gleiche Bildungschancen haben." Ein Wahlspruch der Grünern, super, dafür stehe ich auch. Aber wie wollt Ihr das genau umsetzen, eben so, dass Ihr niemanden zurück lasst?
Ich selbst engagiere mich für sozial Schwache.
Die Kinder haben kaum eine Chance auf gute Bildung, selbst wenn Sie die persönlichen Fähigkeiten dazu hätten. Die Elternhäuser der Kinder sind katastrophal und werden kaum unterstützt. Erziehungshilfe gibt es, aber das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Heute war ich in einer offenen Jugendeinrichtung in einem Brennpunktbezirk in Dresden. Erschreckend, ausgelaugte Sozialarbeiter, die das Pensum gar nicht bewältigen können, Kinder, die als sogenannte "Selbstversorger" bezeichnet werden, weil sie zu Hause nichts zu essen bekommen, die Nachricht dass es in diesem Jahr 25T€ weniger Geld vom Träger gibt aber immer mehr Kinder, die Förderung und Hilfe brauchen, u.u.u.
Sie schrieben, sie setzen sich für die Einführung einer Kindergrundsicherung für alle Kinder, die abhängig von den Einkommenssteuerzahlungen der Eltern ausgezahlt wird ein.
Dabei frage ich mich, wie wie gut man dies kontrollieren kann. Finanzielles kommt selten bei den benachteiligten Kindern an. Und sicher gibt es auch Leute, die finanzielle Förderungen durch Steuerschlupflöcher abfassen, obwohl sie sie nicht nötig hätten.
Ist es nicht besser,direkt in die Entwicklung guter neuer Konzepte, mehr Jugendhäuser mit qualifiziertem Fachpersonal, Unterstützung von Kindern in Brennpunktgebieten durch Einrichtungen zur Integration in die "normale Welt" etc. zu investieren? Ich habe den Eindruck, dass unsere Gesellschaft seine schwachen Gruppen immer mehr an den Rand drängt. Von Bildungsgerechtigkeit sind wir noch weit entfernt.
Viele Grüße
Claudia Hoffmann
Sehr geehrte Frau Hoffmann,
danke für Ihre (Nach)frage. Die Situation gerade von Kindern aus einkommensschwachen Familien ist mir durch die Arbeit als Sozialrechtsanwältin wie auch als Stadträtin gut vertraut - und ich teile den Eindruck, daß die sozialen Unterschiede derzeit durch die ansteigende Armut von Familien mit Kindern noch stärker auseinanderklaffen.
Für uns GRÜNE ist deshalb die Förderung von solchen staatlichen Leistungen und Angeboten zentral, die unmittelbar und direkt bei den Kindern ankommen - zuallererst der Zugang zu guten Bildungsinstitutionen (deshalb hat bei den Kitas für uns die Qualitätsdebatte die erste Priorität und nicht die Kostenfreiheit und deshalb wollen wir eine gute Gemeinschaftsschule), aber auch die ganze Breite der notwendigen Ganztags- und Hilfsangebote sowie eine echte Lehr- und Lernmittelfreiheit und bezalbares Essen für alle Kinder. Deshalb ist für uns die Verbesserung der Bildungsqualität in den Kitas auch dringender als die Kostenlosigkeit für die Familien, die Gebühren bezahlen können (siehe Antwort auf die vorige Frage).
Wenn Sie unser Programm lesen, sehen Sie, dass wir voll auf Inklusion setzen - sowohl in der Bildungs- als auch in der Sozialpolitik (mehr z. B. unter www.gruene-sachsen.de/soziales/kinder ). Bei den Bildungseinrichtungen und allen damit verbundenen Leistungen kommt es nach der Förderalreform zuallererst auf die Landespolitik an. Wir GRÜNEN schlagen eine bundesweite Mitfinanzierung über den Bildungssoli vor.
Die Einführung der Kindergrundsicherung sehen wir dabei als ergänzende, familienpolitische Maßnahme. Gewiß ist es nicht möglich wirklich zu kontrollieren, was die Eltern mit dem ihren Kindern zugedachten Geldern machen - deshalb die Leistungen, die Kindern unmittelbar zu gute kommen, so wichtig. Wir müssen aber auch gegen die finanzielle Armut von Familien vorgehen, die viele intakte Familien trifft. GRÜNE VISION ist, anstelle des unabhängig von Kinder geltenden Ehegattensplittings (mit seinem dahinter stehenden, überholten Versorgermodell) eine Grundsicherung für alle Kinder einzuführen und damit die einkommensschwächeren Familien zu bezuschussen, in denen Kinder leben. Das gilt unabhängig davon, ob ihre Eltern verheiratet oder nicht verheiratet oder gleichgeschlechtlichlich oder alleinerziehend leben. Notwendig ist beides - gute Bildungs- und soziale Angebote für alle wie auch Abwehr der finanziellen Armut.
Mißbrauch in Einzelfällen wird es wohl immer geben; aber der ist durch kompliziertere Antrags- und Bewilligungsverfahren gerade nicht zu vermeiden. Ich persönlich mit meinen Erfahrungen als Anwältin glaube, dass es sowohl für die Betroffenen als auch für die kontrollierenden Behörden einfacher ist, ein Antragsverfahren mit der Einkommenssteuererklärung zu verbinden als dass - wie bisher - mehrere Behörden nebeneinanderher nach verschiedenen Vorgaben verschiedene Anträge für soziale Leistungen prüfen und bewilligen. Die Kompliziertheit solcher Verfahren wie der Anträge auf Kinderzuschlag oder auf Leistungen nach dem SGB II schreckt Betroffene eher ab und führt zu verdeckter Armut, der Kontrolle hilft sie aber nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Eva Jähnigen