Frage an Eva Bulling-Schröter von Peter E. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Bulling-Schröter,
Die Debatte um Reaktionen auf die Wirtschaftskrise scheint mir geprägt von Maßnahmen wie Konsumgutscheinen und Straßenbau. Ich frage mich, ob staatliches Geld nicht sinnvoller ausgegeben werden kann, um fundamentalen Problemen zu begegnen, die uns bevorstehen, wenn wir fossile Energieträger nicht mehr im heutigen Umfang nutzen können.
Einen klugen Kommentar möchte ich hierzu zitieren (Quelle: http://www.boell.de/wirtschaftsoziales/wirtschaft-soziales-5731.html):
"Wenn es richtig ist, dass […] zentrale Herausforderungen unserer Zeit darin bestehen, den Klimawandel in tolerierbaren Grenzen zu halten [und] die Ressourcenbasis für eine rasch wachsende Weltbevölkerung zu sichern, […] dann müssen die Milliardenprogramme, die jetzt aufgelegt werden, diesen Aufgaben gerecht werden. Kredite zur Erhaltung des status quo sind herausgeworfenes Geld.
[…] Wir müssen die Krise nutzen, um [...] die Fundamente für eine "grüne industrielle Revolution" zu legen. Investitionen in [...] Ressourceneffizienz, erneuerbare Energien und umweltfreundliche Technologien sind das Gebot der Stunde. Wenn die Europäische Union jetzt unter dem Druck der Wirtschaftskrise ihre klimapolitischen Ziele verwässert, verfehlt sie die zentrale Herausforderung: die Hunderte von Milliarden Euro, die gegenwärtig in Europa für Konjunkturprogramme mobilisiert werden, für strukturelle Innovationen zu nutzen."
Ein konkreter Vorschlag ist "Ein großangelegtes Förderprogramm für die Wärmedämmung von Altbauten und den Einbau energieeffizienter Heizungen". Solche Gedanken finden meines Erachtens noch zu wenig Gehör. Werden solche Maßnahmen in Berlin diskutiert? Wenn nein, würde ich mir wünschen, dass sich das ändert. Wenn ja, würde ich in der öffentlichen Debatte in den Medien gerne mehr davon mitbekommen.
Ihre Meinung als stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hierzu interessiert mich sehr.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Erbach
Sehr geehrter Herr Erbach,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Die LINKE bedauert, dass die Bundesregierung beim Konjunkturprogramm in uralte Konzepte verfällt. Der Staat nimmt Milliarden in die Hand und fördert damit in erster Linie zusätzlichen Beton und neue Autos. Dabei wäre hier eine Chance gewesen, dem ökologischen Umbau einen Schub zu verleihen. Dafür haben Sie Vorschläge gemacht. Auch wir würden begrüßen, wenn mehr Geld in die energetische Sanierung des Gebäudebestandes fließen würde. Hier liegen preiswerte CO2-Einsparpotentiale, hier lassen sich auch Soziales und Umwelt gut miteinander verbinden. Schließlich nützen gut gedämmte Wohnungen nicht nur dem Klima. Sie schonen auch die Geldbeutel, wovon vor allem der Geringverdiener etwas hätten.
Was die Abwrackprämie angeht, so ist es generell fraglich, ob es sinnvoll ist, den Neukauf von Autos zu fördern. Zum einen dürfte in einigen Fällen eine ökologische Lebenszyklusanalyse (Ressourcenverbrauch und Emissionen beim Bau, Betrieb und Entsorgung) ergeben, dass es sinnvoller wäre, ältere und bislang wenig gefahrene Autos länger zu nutzen, anstatt frühzeitig zu verschrotten. Zum anderen erhält die Abwrackprämie nur, wer sich anschließend ein neues Auto kauft. Demgegenüber wird das Umsteigen auf den öffentlichen Personenverkehr nicht gefördert. Das hat auch der Chef des Umweltbundesamtes (UBA), Andreas Troge (CDU) kritisiert. Sein Vorschlag: Derjenige, der sein Auto verschrotten lasse und auf den ÖPNV umsteige, solle einen staatlichen Zuschuss von 50 Prozent zu einer Jahreskarte, beispielsweise einer Bahncard 100, erhalten. Diese Idee unterstützen wir.
Überdies ist die Abwrackprämie so gut wie nicht an progressive Umweltstandards gekoppelt. Der Neuwagen muss lediglich die Euro-4-Norm erfüllen. Das ist wenig ambitioniert, denn diese wird nach EU-Recht für alle Neuwagen bereits im Herbst durch die Euro-5-Norm abgelöst. Zudem hätte man die Zahlung der Prämie im Falle eines Neukaufs an eine strenge CO2-Obergrenze binden können, etwa an 130 oder 140 Gramm pro Kilometer. Das alles ist nicht geschehen, so dass theoretisch der Besitzer eines alten kleinen Golfs bei Verschrottung auch dann 2500,- Prämie erhält, wenn er sich einen sprittfressenden Geländewagen zulegt. Übrigens wurde schon im ersten Konjunkturpaket keine CO2-Obergrenze für die Steuerbefreiung beim Neukauf eines KFZ vorgegeben.
Auch bei der KFZ-Steuerreform werden die Spritschlucker weitgehend geschont. Entgegen dem Koalitionsvertrag wird die Besteuerung doch nicht vollständig auf CO2-Basis umgestellt. Die paar Euro, die die Besitzer von CO2-Schleudern mehr zahlen müssen, stehen in keinem Verhältnis zu dem, was diese Wagen an Klimagasen ausstoßen. Hier hätte die Bundesregierung ordentlich zulangen müssen. Wirksame Anreize zur Senkung des Spritverbrauchs sehen anders aus.
Greenpeace hat im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket den Vorschlag unterbreitet, bei Neukäufen von Kfz nach französischem Vorbild ein Bonus-Malus-System einzuführen. Neuwagen mit einem CO2-Ausstoß von unter 130 Gramm je Kilometer erhalten in Frankreich einen Bonus. So bekommt beispielsweise der Käufer eines Mercedes Smart 1000 Euro. Bei Autos mit über 160 Gramm je Kilometer wird ein Malus fällig. So muss für den Kauf eines Citroen C6 oder eines VW Tuareg 2600 Euro zusätzlich auf den Tisch gelegt werden. Ausstöße zwischen 130 und 160 Gramm pro Kilometer werde vom französischen Staat in diesem System als neutral bewertet. Ich halte diesen Vorschlag für sinnvoll und bedenkenswert. Schließlich haben in Frankreich seither die Neukäufe klimafreundlicherer Autos mit einem CO2-Ausstoß unter 130 Gramm je Kilometer um 50 Prozent zugenommen (im Jahr 2008 gegenüber dem Vorjahr). Die Verkäufe von Sprittfressern sind im selben Zeitraum um 40 Prozent zurückgegangen.
Ansonsten können wir Ihnen nur zustimmen: Investitionen in Ressourceneffizienz, erneuerbare Energien und umweltfreundliche Technologien müssen das Gebot der Stunde sein. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob das beschlossen Investitionsprogramm zur Erneuerung der Infrastruktur zukunftsfähige Politik ist. Zuviel wird wieder in den Straßenbau fließen, zu wenig in die Wärmedämmung von Altbauten und den Einbau energieeffizienter Heizungen.
Mir vielen Grüssen
Eva Bulling-Schröter MdB