Frage an Erwin Rüddel von Lothar M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Rüddel,
über Ihr heutiges Interview im DLF (zum Zweifel von Lungenfachärzten an den Grenzwerten für Diesel-Stickoxide) bin ich gelinde gesagt sehr verwundert. Sie fordern in der Quintessenz ja eine neue Studie, die zu einer Relativierung des bisherigen auf EU-Ebene festgelegten Grenzwertes von 40 Mikrogramm führen soll. Sie kritisieren, dass die bisherigen Ergebnisse angeblich nicht „evidenzbasiert“ seien sowie „Systemfehler“ aufwiesen und folgern dies aus den Zweifeln der Lungenfachärzte, die diese gerade einmal gestern veröffentlicht haben. Sie behaupten ferner, dass der geltende Grenzwert möglicherweise mehr ideologisch als wissenschaftlich begründet sei.
Dies alles ist für einen Gesundheitspolitiker schon eine bemerkenswerte Haltung. Sie wissen also bereits, dass der bisher geltende Grenzwert nicht evidenzbasiert hergeleitet wurde und ebenso, dass es einen eigentlich höheren Grenzwert geben müsste, da „die Wahrheit irgendwo in der Mitte“ liegen müsse. Sie schenken den Zweifeln der Lungenfachärzte sofort Glauben, obwohl diese bislang nur Zweifel gestreut haben und noch kein Argument vorgelegt haben, das diese Zweifel auch begründet. Vor allem aber werden die Motive, aus denen heraus diese Fachärzte plötzlich Zweifel an der Studie streuen, nachdem es nun die ersten Fahrverbote in Städten gibt, von Ihnen in keinster Weise hinterfragt. Dieselbe Skepsis, die Sie gegenüber den Ergebnissen des EU-Grenzwerts äußern, würde ich mir auch gegenüber diesem Teil der Ärzteschaft wünschen. Warum kommt dieser Impuls erst heute und nicht schon, als die EU-Grenzwerte festgelegt wurden? Was bewegt diese Ärzte, jetzt für höhere Grenzwerte zum Nachteil der (nicht automobilen) Bevölkerung zu plädieren?
Aus ähnlichen Gründen möchte ich auch Sie fragen, was Sie als Gesundheitspolitiker dazu motiviert, sich in einem Interview für höhere Grenzwerte und damit für weniger Gesundheitsschutz auszusprechen? Gibt es für Sie denn höhere Werte als den Schutz der Gesundheit?
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Mein Anliegen ist es, dass Feinstaub und Stickoxide nicht ideologisch gegen individuelle Mobilität instrumentalisiert werden dürfen.
Die Luft in unseren Städten ist in den vergangenen Jahren deutlich sauberer geworden. Der durchschnittliche Schadstoffausstoß ist im Zeitraum 1995 – 2017 über alle Schadstoffarten deutlich gesunken: Schwefeldioxidemissionen um 98%, Feinstaubemissionen um 79%, Kohlendioxidemissionen um 15%, Stickstoffoxidemissionen um 58%. Ebenso geht die Zahl der Städte, in denen der Stickoxid-Grenzwert von 40 µg/m³ überschritten wird, kontinuierlich zurück: 2016: 90 Städte 2017: 65 Städte 2018: 35 Städte Stickoxid-Grenzwert.
Der Stickoxid-Grenzwert von 40 µg/m³ Luft wurde 1999 auf Vorschlag der EU-Kommission von den EU-Mitgliedstaaten beschlossen und 2008 von der EU bestätigt. Die EU-Grenzwerte zur Luftreinhaltung wurden in allen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt. Die EU-Kommission stützt ihre Vorschläge für Grenzwerte auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Im Jahr 2013 hat die EU eine Überprüfung der Grenzwerte für Luftschadstoffe vorgenommen. Die WHO wurde auch hierbei einbezogen. Der von der WHO empfohlene Grenzwert ist umstritten und wurde nicht in allen Ländern übernommen.
Wir brauchen einen besseren Gesundheitsschutz, gleichzeitig muss aber auch die wissenschaftliche Evidenz und eine Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gegeben sein.
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Rüddel MdB